VwGH vom 19.02.2014, 2013/22/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 319.628/15-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden kurz als "Behörde" bezeichnet) den Antrag des Beschwerdeführers, eines mazedonischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 und § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und auch die gemeinsame Tochter österreichische Staatsbürgerin sei.
Die am geborene Ehefrau des Beschwerdeführers habe zum Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt. Der Beschwerdeführer sei somit kein "Familienangehöriger" im Sinn des NAG.
Bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung sei auf eine allfällige Verletzung im Recht nach Art. 8 EMRK nicht Bedacht zu nehmen.
Infolge des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom in der Rechtssache C-256/11, "Dereci u.a.", sei zu berücksichtigen, ob eine österreichische Ankerperson eines drittstaatszugehörigen Antragstellers bei Nichtgewährung des Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Lediglich in Ausnahmesituationen sei von einer Gefahr der Beeinträchtigung des Kernbestands der Unionsbürgerrechte auszugehen. Wenn dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel erteilt werde, bedeutete dies nicht, dass seine österreichische Ehefrau de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Diese befinde sich nicht in einer Ausnahmesituation. Weder der bloße Wunsch nach einem Zusammenleben in Österreich noch wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigten für sich genommen die Annahme eines Zwanges im genannten Sinn. Weitere besondere Umstände, die auf eine Ausnahmesituation schließen lassen könnten, seien nicht vorgebracht worden und würden sich nicht aus dem Akteninhalt ergeben.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom , B 1328/12-3, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der nach Aktenvorlage über die ergänzte Beschwerde erwogen hat:
Gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren, in denen der Verfassungsgerichtshof bis zum Ablauf des eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in der bis geltenden Fassung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Im Blick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2012 sind die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 50/2012 maßgebend.
§ 2 Abs. 1 Z 9 NAG definiert den Familienangehörigen folgendermaßen:
"Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;"
Im vorliegenden Fall hatte die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr nicht vollendet gehabt. Da sie auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2012 noch nicht 21 Jahre alt war, liegt kein Fall im Sinn des hg. Beschlusses vom , EU 2013/0002-1 (2011/22/0175), vor, mit dem ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt wurde, ob Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, dass er einer Regelung entgegensteht, derzufolge Ehegatten und eingetragene Partner das 21. Lebensjahr bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung vollendet haben müssen, um als nachzugsberechtigte Familienangehörige gelten zu können.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die zitierte Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG bestehen nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0215, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 711/10).
Zutreffend verneinte somit die Behörde das Vorliegen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung für den begehrten Familiennachzug.
Da aus dem Akteninhalt (vgl. etwa das Aufforderungsschreiben der erstinstanzlichen Behörde vom und die Stellungnahme des Vertreters des Beschwerdeführers vom ) abzuleiten ist, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält, liegt keine Konstellation im Sinn des hg. Erkenntnisses vom , 2010/21/0494, vor, in der der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgekoppelt werden müsste (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , 2011/22/0074).
Art. 8 EMRK ist fallbezogen daher nicht relevant.
Letztlich ging die Behörde zutreffend davon aus, dass gemäß dem zitierten Urteil des EuGH einem drittstaatszugehörigen Familienangehörigen eines Österreichers der Aufenthalt nicht verwehrt werden darf, wenn die österreichische Ankerperson im Fall der Verweigerung des begehrten Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, sowohl Österreich als auch das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Entgegen der Beschwerdeansicht ist der Behörde zuzustimmen, dass allein aus der Verweigerung eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer nicht abgeleitet werden kann, dass die österreichische Ehefrau mit ihrem Kind gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich begründet noch keine Ausnahmesituation im Sinn der Ausführungen des EuGH.
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-88232