VwGH vom 24.05.2011, 2011/11/0085
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall, die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des A B in I, vertreten durch Dr. Matthias Paul Hagele, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 12/III, gegen den Bescheid des Militärkommandos Tirol vom , Zl. T/91/09/00/42, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß den §§ 24 und 20 Wehrgesetz 2001 (WG 2001) zum Grundwehrdienst in der Dauer von sechs Monaten, beginnend ab , einberufen. In der Begründung wird auf die Wehrpflicht des Beschwerdeführers hingewiesen und hervorgehoben, dass vor Erlassung dieses Bescheides Einberufungshindernisse weder amtswegig erkannt noch vom Beschwerdeführer geltend gemacht worden seien.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde führt der am geborene Beschwerdeführer aus, er habe sich im Jänner 2009 der Stellung unterzogen und sei für tauglich befunden worden. Er habe damals die zweite Klasse der Fachschule für Elektronik an der Höheren technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Innsbruck besucht und sei daher bis zum Abschluss der Schulausbildung vom Grundwehrdienst zurückgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe jedoch in der Folge festgestellt, dass die Ausbildung an der genannten Fachschule mit seinen beruflichen Zielen nicht vereinbar sei und sich "nach einigem Nachdenken im Rahmen seines Persönlichkeitsfindungsprozesses" entschlossen, in eine Schule zu wechseln, die mit Matura abschließe. Er habe daher im September 2010 mit dem Besuch des Bundesrealgymnasiums für Berufstätige, einem "Abendgymnasium", begonnen, das er - neben seiner Berufstätigkeit - jeden Abend besuche. Eine diesbezügliche Schulbesuchsbestätigung habe er der belangten Behörde vorgelegt und erklärt, es sei sein fester Wille, die Ausbildung an dieser Schule mit Matura abzuschließen. In der Folge habe die belangte Behörde mit Bescheid vom festgestellt, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für den Ausschluss von der Einberufung nicht vorlägen. Obwohl dieser vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpfte Bescheid noch nicht rechtskräftig sei, habe die belangte Behörde den mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Einberufungsbefehl erlassen, was nach Ansicht des Beschwerdeführers eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstelle.
Gegen die Rechtmäßigkeit des Einberufungsbefehls bringt der Beschwerdeführer weiters vor, dieser gehe an der ratio legis vorbei. Nach dem Sinn der einschlägigen Gesetzesbestimmungen (in der Beschwerde wird auf § 26 WG 2001 Bezug genommen) solle nämlich vermieden werden, dass Personen, die in einer Ausbildung stehen, durch die Einberufung zum Militärdienst berufliche und schulische Nachteile erleiden, indem sie aus einer laufenden Ausbildung herausgerissen werden. Es könne sich für den Beschwerdeführer nicht negativ auswirken, dass er ursprünglich eine Fachschule für Elektrotechnik besucht und erst dann in eine höherwertige Ausbildung, die mit Matura abschließe, gewechselt sei. Der Standpunkt der belangten Behörde (gemeint offenbar: im genannten Feststellungsbescheid vom ), dass es sich bei der nunmehrigen Ausbildung des Beschwerdeführers um eine "andere Ausbildung" handle, sei geradezu "haarspalterisch". Es müsse nämlich berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Stellung noch minderjährig gewesen sei und sich daher in einem Persönlichkeitsbildungsprozess befunden habe, sodass ihm der nachfolgende, reiflich überlegte Wechsel der Schulausbildung zuzubilligen sei. Mit dem angefochtenen Bescheid übersehe die belangte Behörde jedoch, dass dem Beschwerdeführer durch die Unterbrechung der bereits begonnenen Schulausbildung ein bedeutender Nachteil entstehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2009, lauten:
"Dauer der Wehrpflicht
§ 10. (1) Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind wehrpflichtig. …
…
Präsenzdienstarten
§ 19. (1) Der Präsenzdienst ist zu leisten als
1. Grundwehrdienst oder
…
Grundwehrdienst
§ 20. Zur Leistung des Grundwehrdienstes sind alle Wehrpflichtigen verpflichtet. Der Zeitpunkt, an dem dieser Präsenzdienst erstmalig anzutreten ist, hat vor Vollendung des 35. Lebensjahres des Wehrpflichtigen zu liegen. Die Wehrpflichtigen sind, sofern militärische Rücksichten nicht entgegenstehen, nach Möglichkeit zum Grundwehrdienst innerhalb von sechs Monaten nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zu diesem Präsenzdienst einzuberufen. Der Grundwehrdienst dauert sechs Monate.
Einberufung zum Präsenzdienst
§ 4. (1) Wehrpflichtige sind zum Präsenzdienst nach den jeweiligen militärischen Interessen mit Einberufungsbefehl einzuberufen. Gegen den Einberufungsbefehl ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. …
…
Ausschluss von der Einberufung
§ 25. (1) Von der Einberufung zum Präsenzdienst sind ausgeschlossen
…
4. hinsichtlich der Einberufung zum Grundwehrdienst jene Wehrpflichtigen, die nachweislich in einer laufenden Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung am Beginn jenes Kalenderjahres standen, in dem jene Stellung begann, bei der erstmals oder, im Falle einer zwischenzeitlich festgestellten vorübergehenden Untauglichkeit oder Untauglichkeit, neuerlich ihre Tauglichkeit festgestellt wurde.
Wird die Stellung nach Z 4 zu einem späteren Termin als jenem begonnen, zu dem der Wehrpflichtige erstmals aufgefordert wurde, so ist der Beginn des Kalenderjahres maßgeblich, in dem dieser erstmalige Stellungstermin lag. Der Ausschluss nach Z 4 gilt, sofern die Wehrpflichtigen einer Einberufung nicht ausdrücklich zugestimmt haben, bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden.
…
Befreiung und Aufschub
§ 26.
…
(3) Tauglichen Wehrpflichtigen ist, sofern militärische Interessen nicht entgegenstehen, der Antritt des Grundwehrdienstes aufzuschieben, wenn
1. sie nicht zu einem innerhalb eines Jahres nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zum Grundwehrdienst gelegenen Termin zu diesem Präsenzdienst einberufen wurden und sie durch eine Unterbrechung einer bereits begonnen Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung einen bedeutenden Nachteil erleiden würden oder
2. sie vor der rechtswirksam verfügten Einberufung zum Grundwehrdienst eine weiterführende Ausbildung begonnen haben und eine Unterbrechung dieser Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.
Ein Aufschub ist auf Antrag der Wehrpflichtigen zu verfügen. Der Aufschub darf bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung gewährt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden.
(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam."
Zunächst ist festzuhalten, dass mit der vorliegenden Beschwerde ausschließlich der dem Beschwerdeführer zugestellte Einberufungsbefehl vom angefochten wird, sodass sich das Beschwerdevorbringen betreffend Verfahrensmängel im Verfahren, das zum genannten Feststellungsbescheid vom geführt hat, von vornherein als nicht zielführend erweist.
Gegen den Einberufungsbefehl führt die Beschwerde als Verfahrensmangel ins Treffen, dieser hätte nicht vor der Entscheidung über seine Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom erlassen werden dürfen. Nach dem dargestellten Beschwerdevorbringen wurde mit dem erwähnten Bescheid vom festgestellt, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für den Ausschluss von der Einberufung nicht vorlägen. Es ist zwar richtig, dass die belangte Behörde vor der Erlassung des Einberufungsbefehls (als Vorfrage) zu prüfen hatte, ob einer der Ausschlussgründe des § 25 WG 2001 vorliegt, doch durfte sie diese Beurteilung gemäß § 38 AVG auch ohne Zuwarten auf die rechtskräftige Entscheidung im genannten Feststellungsverfahren (in welchem das Vorliegen von Ausschlussgründen die Hauptfrage bildet) vornehmen.
Wenn die belangte Behörde bei dieser Beurteilung zu dem eingangs erwähnten Ergebnis gelangte, beim Beschwerdeführer lägen keine Einberufungshindernisse vor, so ist ihr aus folgenden Gründen nicht entgegen zu treten:
Der Beschwerdeführer vertritt in seiner Beschwerde zusammengefasst den Standpunkt, er sei nicht nur während des Besuchs der Fachschule für Elektronik, sondern auch danach seit dem Beginn und für die Dauer seiner Ausbildung am "Abendgymnasium" (Bundesrealgymnasium für Berufstätige) von der Einberufung zum Grundwehrdienst ausgeschlossen. Soweit er in diesem Zusammenhang § 26 WG 2001 anspricht, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung in ihrem Abs. 3 den Aufschub (und nicht den Ausschluss) vom Grundwehrdienst regelt und von einem Antrag des Wehrpflichtigen abhängig macht. Dass der Beschwerdeführer einen solchen Antrag gestellt hätte und ihm von der Behörde der Aufschub des Grundwehrdienstes bewilligt worden wäre, wird aber in der Beschwerde nicht behauptet. Von daher ist das auf § 26 WG 2001 gerichtete Beschwerdevorbringen nicht zielführend. Damit geht aber auch der Hinweis, die Behörde hätte prüfen müssen, ob durch die Unterbrechung der Ausbildung ein bedeutender Nachteil für den Beschwerdeführer verbunden ist, ins Leere, ist doch diese Beurteilung im Rahmen des § 26 Abs. 3 Z 1 WG 2001 (sofern ein diesbezüglicher Antrag des Wehrpflichtigen vorliegt) vorzunehmen.
Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob, wie die Beschwerde erkennbar einwendet, beim Beschwerdeführer der Ausschlussgrund vom Grundwehrdienst gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001 vorliegt. Dieser Ausschlussgrund gilt allerdings nur für jene bereits "laufende" Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstige Berufsvorbereitung, die in dem in § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001 näher genannten Zeitpunkt bereits begonnen war (wobei es bei Erfüllung dieser Voraussetzung für das Vorliegen des Ausschlussgrundes keiner zusätzlichen Beurteilung bedarf, ob die Unterbrechung der Ausbildung einen bedeutenden Nachteil für den Wehrpflichtigen bedeuten würde).
Der nach § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001 maßgebende Zeitpunkt war beim Beschwerdeführer der Beginn des Jahres 2009 (Feststellung der Tauglichkeit), zu dem er nach eigenen Angaben eine (nicht mit Matura abschließende) technische Fachschule besuchte. Diese Schulausbildung hat er nach seinem eigenen Vorbringen vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides abgebrochen.
Wenn der Beschwerdeführer nun meint, auch die von ihm seit dem September 2010 besuchte Ausbildung am Bundesrealgymnasium für Berufstätige falle unter den Begriff der "laufenden Schulausbildung" im Sinne § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001, so ist dem entgegen zu halten, dass nach der hg. Rechtsprechung von einer (seit dem Zeitpunkt des § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001) "laufenden Schulausbildung" nicht mehr gesprochen werden kann, wenn der Betreffende seine Schulausbildung abgebrochen hat, um in der Folge eine andere Schule zu besuchen (vgl. das zu einer vergleichbaren Bestimmung ergangene Erkenntnis vom , Zlen. 97/11/0174, 0190), es sei denn, es handelte sich auch nach dem Schulwechsel um die gleiche, insbesondere eine auf den gleichen Schulabschluss (zB Matura) gerichtete, Ausbildung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2006/11/0053).
Von einer gleichen und im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 4 WG 2001 "laufenden Schulausbildung" kann daher im Sinne der zitierten Judikatur keine Rede mehr sein, wenn der Beschwerdeführer die ursprünglich besuchte technische Fachschule (die nicht mit Matura abschließt) beendet und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Einberufungsbefehls eine andere (hier: allgemein bildende und mit Matura abschließende) Schule besucht hat.
Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, inwieweit bereits der in der Beschwerde erwähnte, aber nicht näher präzisierte Umstand, dass der Beschwerdeführer neben dem Abendgymnasium einer Berufstätigkeit nachgeht, der Annahme einer "laufenden Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung" entgegen steht.
Da sich nach dem Gesagten bereits aus der Beschwerde ergibt, dass dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-88226