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VwGH vom 17.04.2013, 2013/22/0043

VwGH vom 17.04.2013, 2013/22/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 322.167/2- III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Kosovo, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 iVm § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Er habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Sein Asylbegehren sei letztlich vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom abgewiesen worden. Gleichzeitig sei er aus dem Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen worden.

Den hier gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels habe der Beschwerdeführer am eingebracht.

Im Rahmen der vom Asylgerichtshof ausgesprochenen Ausweisung sei bereits eine Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei im Kosovo geboren und habe dort bis zum Jahr 1970 gelebt. "Zu dieser Zeit" sei der Beschwerdeführer zu seinem Vater nach Österreich gekommen, wo er drei Jahre die "Grundschule" besucht habe. Im Anschluss sei er wieder in sein Heimatland zurückgekehrt. Im Jahr 1999 sei er nach Deutschland gereist, wo er sich bis zu seiner Abschiebung in den Kosovo fünf Jahre lang aufgehalten habe. Deutschland habe gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, welches bis gültig gewesen sei. Bis zu seiner Einreise in Österreich im Dezember 2005 habe der Beschwerdeführer im Kosovo als Automechaniker gearbeitet. Den Ausführungen des Asylgerichtshofes zufolge hätte er sich auf ein Fluchtvorbringen gestützt, das sich als tatsachenwidrig herausgestellt hätte. Er habe während seines Aufenthalts in Österreich zu keiner Zeit genügend Veranlassung gehabt, von einer Erlaubnis zu einem dauerhaften Aufenthalt ausgehen zu können. Trotz Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung habe er bis Dezember 2011 Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Die Ehefrau, der 15-jährige Sohn, die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers lebten nach wie vor in seinem Heimatland. Er weise somit dort erhebliche Bindungen auf. Sein Bruder halte sich in Deutschland auf. In Österreich lebten keine Verwandten.

Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen habe der Asylgerichtshof in der seit rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung festgehalten, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK die Erlassung der Ausweisung gegen den Beschwerdeführer verhältnismäßig sei. Dies schließe es aus, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten wäre. Mit einer Zurückweisung des gegenständlichen Antrages sei nur dann nicht vorzugehen, wenn im Hinblick auf seit der Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung eingetretene maßgebliche Sachverhaltsänderungen eine neuerliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK erforderlich sei.

Im vorliegenden Fall sei die neuerliche Prüfung nach Art. 8 EMRK nicht vorzunehmen gewesen. Da die Erstbehörde den Antrag - gemeint: nach inhaltlicher Behandlung - fälschlicherweise abgewiesen und nicht zurückgewiesen habe, sei als maßgeblicher Zeitraum für die hier anzustellende Frage, ob der Antrag zurückzuweisen sei, der Zeitraum ab Rechtskraft der Entscheidung des Asylgerichtshofes bis zur Erlassung des Bescheides der Berufungsbehörde anzusehen.

An seit der Ausweisung geändertem Sachverhalt habe der Beschwerdeführer seine guten Deutschkenntnisse sowie das Vorliegen von Einstellzusagen und von Unterstützungs- und Empfehlungsschreiben angeführt. Die vom Beschwerdeführer erstattete Sachverhaltsdarstellung und die vorgelegten Unterlagen seien jedoch nicht dergestalt, dass die Annahme eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG gerechtfertigt wäre. Dabei bezog sich die belangte Behörde erkennbar auf das im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers, nach dem er in Österreich mehrmals versucht hätte, eine Arbeit aufzunehmen, er in jenem Ort, in dem er lebe, sehr gut integriert wäre und viele Freundschaften geschlossen hätte, er bei der freiwilligen Feuerwehr engagiert wäre und bereits in den 1970-er Jahren mit den Eltern in Wien gelebt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

§ 41a Abs. 9 und § 44b Abs. 1 NAG (samt Überschrift) lauten (das NAG stellt sich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (im Februar 2013) in der Fassung des BGBl. I Nr. 50/2012 als maßgeblich dar):

"Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus'

§ 41a. …

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt."

"§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof bereits ausführlich mit den Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG im hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2011/22/0035 bis 0039, befasst hat. Auf dessen Entscheidungsgründe, die sich auch für die hier anzuwendende Rechtslage des NAG als maßgeblich darstellen (vgl. etwa zur Rechtslage nach dem FrÄG 2011 das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/22/0167), wird daher insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - in nach § 66 Abs. 4 AVG zulässiger Weise vorgenommener - Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides den Antrag des Beschwerdeführers, der in erster Instanz nach inhaltlicher Prüfung abgewiesen wurde, gestützt auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückgewiesen.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist ihr bei der diesbezüglichen Beurteilung kein Fehler unterlaufen.

Die Sachverhaltsänderung ist dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides - bezogen auf § 44b Abs. 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK - muss also zumindest möglich sein. In dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat (vgl. zum Ganzen nochmals das hg. Erkenntnis vom ).

Angesichts der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, die sämtlich von der belangten Behörde berücksichtigt wurden, ist ihre Ansicht, eine seit Rechtskraft der Ausweisung in diesem Sinn maßgebliche Sachverhaltsänderung liege nicht vor, nicht zu beanstanden.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, es sei insofern sein Recht auf Gehör verletzt worden, als er von der belangten Behörde "von dieser geänderten Sachverhalts- und Rechtsauffassung" nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Parteiengehör nur zu Tatfragen und nicht auch zu Rechtsfragen zu gewähren ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0203, mwN).

Dem Vorbringen zu Feststellungsmängeln ist zu entgegnen, dass dem angefochtenen Bescheid hinreichend deutlich zu entnehmen ist, dass die belangte Behörde ohnedies von der Richtigkeit des zum Sachverhalt erstatteten Vorbringens des Beschwerdeführers - welches er in der Beschwerde wiederholt - ausgegangen ist und sich bei ihrer rechtlichen Beurteilung darauf bezogen hat. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, nämlich Kenntnisse der deutschen Sprache, das Vorliegen von Beschäftigungszusagen, das Engagement bei der freiwilligen Feuerwehr und das Fehlen des Beziehens von Leistungen aus der Grundversorgung seit Dezember 2011 sind aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch bei Gesamtbetrachtung aller für die Beurteilung relevanten Umstände (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/22/0167, mwN) nicht dergestalt, dass von einem maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn des § 44b Abs. 1 NAG hätte gesprochen werden können.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-88223