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VwGH vom 08.02.2021, Ra 2021/03/0001

VwGH vom 08.02.2021, Ra 2021/03/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der K G in V, vertreten durch die Eisenberger Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Schloßstraße 25, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W110 2237415-1/13E, betreffend Verhängung einer Beugestrafe gemäß der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Bundesverwaltungsgericht über die Revisionswerberin gemäß § 36 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 erster Halbsatz der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) eine Geldstrafe in der Höhe von 2.000 Euro als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

2Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss; im Folgenden: Untersuchungsausschuss) mit Schreiben vom den vom Untersuchungsausschuss an diesem Tag „einstimmig beschlossenen und begründeten“ Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe über die Revisionswerberin nach § 36 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse übermittelt habe. Dem Antrag sei die Kopie der Ladung der Revisionswerberin als Auskunftsperson vom samt Übernahmebestätigung und ZMR-Auszug, ein Schreiben der Revisionswerberin an die Parlamentsdirektion vom , sowie ein Aktenvermerk der Parlamentsdirektion beigelegen. In der Begründung des Antrages sei zunächst der Ablauf der telefonischen Kontakte mit der Revisionswerberin im Vorfeld ihrer Ladung zur Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am geschildert und darauf hingewiesen worden, dass die RSa-Ladung am zugestellt und laut Rückschein übernommen worden sei. Am habe die Revisionswerberin im Wege ihrer Rechtsvertreterin der Parlamentsdirektion den Erhalt der Ladung bestätigt und mitgeteilt, dass sie für eine Befragung vor Ort nicht zur Verfügung stehe, da dies aufgrund der hohen Zahl an COVID-19-Infektionen ein Risiko nicht nur für ihre, sondern auch für die Gesundheit ihres Mannes darstelle. Für eine Befragung via Videozuschaltung vom Wohnort aus stehe sie jedoch zur Verfügung.

Am habe die Parlamentsdirektion der Rechtsvertreterin der Revisionswerberin telefonisch mitgeteilt, dass eine Befragung lediglich innerhalb der Parlamentsgebäude vorgesehen und daher eine Videobefragung am Wohnort nicht möglich sei. Weiters sei der Revisionswerberin mitgeteilt worden, dass über den angegebenen Entschuldigungsgrund erst in der Sitzung (am , 9:00 Uhr) entschieden werde. Eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb der Parlamentsgebäude sei in Aussicht gestellt worden. Die Rechtsvertreterin habe mitgeteilt, dass ihre Mandantin mit Sicherheit nicht zum Befragungstermin in Wien erscheinen werde. Am habe die Rechtsvertreterin der Revisionswerberin nochmals bestätigt, dass der Befragungstermin am von ihrer Mandantin „nicht wahrgenommen“ werden würde.

Am sei das Nichterscheinen der Auskunftsperson in der 25. Sitzung des Untersuchungsausschusses festgestellt worden. Am selben Tag sei beschlossen worden, die Auskunftsperson erneut für den zu laden.

Weiters habe der Antrag eine - im angefochtenen Beschluss näher dargelegte -Begründung enthalten, weshalb nach Ansicht des Untersuchungsausschusses keine genügende Entschuldigung vorliege.

Der Antrag sei am dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt und von diesem noch am selben Tag der Revisionswerberin samt Ladung zu einer Vernehmung im Wege ihrer Rechtsvertreterin zur Kenntnis gebracht worden, wobei die Möglichkeit einer schriftlichen Äußerung ebenfalls eingeräumt worden sei.

In einer am übermittelten Stellungnahme habe die Revisionswerberin zusammengefasst die Ansicht vertreten, dass kein gültiger Antrag des Untersuchungsausschusses vorliege. Mit Schriftsatz vom sei eine (weitere) schriftliche Äußerung der Revisionswerberin eingelangt. Dieser sei das ärztliche Schreiben eines Facharztes für Innere Medizin/Kardiologie beigeschlossen gewesen, in dem die Selbstisolation der Revisionswerberin und ihres Ehemannes bestätigt und hervorgehoben worden sei, dass die Revisionswerberin für ihren Ehemann vor Ort unabkömmlich sei. Angesichts der Vorerkrankungen des Ehemannes der Revisionswerberin müsse eine COVID-19-Infektion mit allen Mitteln verhindert und das Infektionsrisiko zum Schutz des Ehemannes der Revisionswerberin möglichst minimiert werden.

Am habe das Bundesverwaltungsgericht unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung eine mündliche Vernehmung der Revisionswerberin durchgeführt, an der auch ihre Rechtsvertreterin teilgenommen habe.

3Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin verheiratet sei, keine Sorgepflichten habe und Geschäftsführerin mehrerer Unternehmen sei. Ihr Ehemann habe vor einigen Jahren einen schweren Schlaganfall erlitten und bedürfe seither vielfältiger Unterstützung und Betreuung im Alltag, die von der Revisionswerberin selbst wahrgenommen werde. Aufgrund des hohen Alters und seiner Vorerkrankung könne eine COVID-19-Infektion beim Ehemann der Revisionswerberin eine Erkrankung mit kritischem und möglicherweise auch lebensbedrohlichem Verlauf nach sich ziehen. Die Revisionswerberin selbst zähle nicht zur Risikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf infolge einer COVID-19-Infektion.

Seit dem vermehrten Aufkommen des COVID-19-Virus in Österreich im März 2020 befinde sich die Revisionswerberin mit ihrem Ehemann - zunächst auf Empfehlung und dann auf ärztliche Anweisung hin - in weitgehender Selbstisolation bzw. freiwilliger Quarantäne. Konkret bedeute dies, dass die Revisionswerberin das Haus nicht verlasse und Kontakte auf ein absolutes Minimum reduziere. Es fänden weder Familien- noch Geburtstagsfeiern statt. Veranstaltungen aller Art seien abgesagt worden. Weltreichende Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen seien etabliert worden, um die Möglichkeit einer Infektion der Revisionswerberin und ihres Ehemannes mit COVID-19 auszuschließen. Geschäftliche Termine würden von der Revisionswerberin und ihrem Ehemann so weit wie möglich über elektronisch-technische Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung abgewickelt und nur dann im Wege physischer Präsenz wahrgenommen, wenn es nicht anders möglich sei. In solchen Fällen würden Einzelpersonen, wie zum Beispiel ein Geschäftsführer, nicht aber mehrere Personen empfangen. Gesprächspartner, mit denen die Revisionswerberin oder ihr Ehemann zusammenträfen, müssten sich zuvor am Wohnort der Revisionswerberin Tests auf COVID-19 unterziehen und die Ergebnisse in einem eigens dafür vorgesehenen Raum isoliert abwarten, bevor das Zusammentreffen stattfinden könne.

Am sei es erstmals zum telefonischen Kontakt zwischen einer Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion und einer Mitarbeiterin der Revisionswerberin wegen einer vorgesehenen Befragung vor dem Untersuchungsausschuss gekommen. In diesem Gespräch sei der Parlamentsdirektion die Bereitschaft und der Wunsch der Revisionswerberin zur Aussage mitgeteilt worden, aber es sei auch zu bedenken gegeben worden, dass angesichts der Entwicklung der COVID-19-Infektionszahlen und dem Infektionsrisiko für die Revisionswerberin und ihren Ehemann eine Befragung über Skype oder Videotelefonie zweckmäßiger erscheine. In der Folge habe die Revisionswerberin im Wege ihrer Mitarbeiterin wiederholt wegen der allfälligen Übermittlung einer Ladung zu diesem Termin nachgefragt.

Am sei eine Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion mit der Revisionswerberin über deren Mitarbeiterin in Kontakt getreten, um die Ladung der Revisionswerberin vor den Untersuchungsausschuss für den abzuklären. Am habe die Assistentin der Revisionswerberin ihr Kommen unter der Bedingung zugesagt, dass die COVID-19-Infektionszahlen in Wien im Zeitpunkt der Befragung nicht zu hoch seien.

Mit der - erstmaligen - Ladung vom sei die Revisionswerberin auf Grund eines wirksam gewordenen Verlangens gemäß § 29 VO-UA für den um Anwesenheit als Auskunftsperson in einem näher bezeichneten Ausschusslokal ersucht worden. Die Ladung habe die Beweisthemen 3, 5, 6, 7 und 8 des Untersuchungsgegenstandes (Begünstigung von Dritten, Ermittlungen in der Ibiza-Affäre, Beteiligungsmanagement des Bundes, Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen und Verdacht des Gesetzeskaufs) als Themen der Befragung der Auskunftsperson genannt. Der Ladung seien als Anlage 1 der Untersuchungsgegenstand des Ausschusses und als Anlage 2 die gesetzlichen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Auskunftspersonen sowie die Folgen ihres Ausbleibens angeschlossen gewesen. Die Ladung habe unter anderem den Hinweis auf die Möglichkeit enthalten, die Parlamentsdirektion zu kontaktieren, um die Vorgangsweise im Hinblick auf mögliche Fotoaufnahmen und Medienanfragen im Bereich der Parlamentsräumlichkeiten zu besprechen. Auch sei die Auskunftsperson ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sie eine Vertrauensperson beiziehen dürfe, die vorab namentlich bekannt gegeben werden solle und nicht in den Untersuchungsgegenstand involviert sein dürfe. Zur Dauer der Befragung einer Auskunftsperson sei in der Ladung angegeben gewesen, dass diese gemäß § 37 Abs. 4 VO-UA drei Stunden nicht überschreiten solle und die Befragung vom Vorsitz nach längstens vier Stunden für beendet zu erklären sei, wobei die Erstbefragung und eine einleitende Stellungnahme gemäß § 39 VO-UA sowie Sitzungsunterbrechungen nicht eingerechnet würden. Abschließend seien die Kontaktdaten (Telefonnummer und E-Mail-Adresse) einer namentlich genannten Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion angegeben, welche für weitere Auskünfte und Fragen zur Verfügung stehe. Die Ladung habe auch einen Hinweis auf die wegen der COVID-19-Pandemie gesetzten Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften im Bereich der Parlamentsräumlichkeiten, welche der Anlage 3 zu entnehmen gewesen seien, enthalten. Die Ausführungen der Anlage 3 hätten - im angefochtenen Beschluss näher dargelegte - „Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften betreffend das Coronavirus (COVID-19)“ zum Inhalt gehabt.

Am sei die RSa-Ladung zugestellt und laut Rückschein übernommen worden. In ihrem an die Parlamentsdirektion gerichteten Schreiben vom habe die Revisionswerberin den Erhalt der Ladung bestätigt und auf die steigenden COVID-19-Infektionszahlen insbesondere in der Bundeshauptstadt verwiesen, die von Mitgliedern der Bundesregierung als sehr ernst beschrieben worden seien. Die Revisionswerberin habe darauf hingewiesen, dass Medienberichten zufolge auch ein (näher bezeichnetes) Mitglied der Bundesregierung trotz entsprechender Sicherheitsvorkehrungen eine COVID-19-Infektion nicht habe verhindern können. Laut AGES sei der Mund-Nasen-Schutz kein sicherer Schutz vor Viren, die über die Luft übertragen werden. Der Mund-Nasen-Schutz könne lediglich dazu beitragen, das Risiko einer Weiterverbreitung des Virus zu verringern. Die Revisionswerberin habe die rhetorische Frage gestellt, wer ihr garantieren könne, dass keine Infektion eines Untersuchungsausschussmitgliedes vorliege. Sie habe daher um Verständnis ersucht, dass sie zum Schutz ihres Ehemannes - aufgrund der derzeit allgemein kritischen und volatilen Situation hinsichtlich COVID-19-Infektionen - nicht anreisen könne. Ihr Ehemann gehöre der höchst gefährdeten Risikogruppe an, für die eine Infektion mit COVID-19 tödliche Folgen haben könne. Da sich ihr Ehemann und sie selbst bereits seit März 2020 in freiwilliger Quarantäne befinden würden, um das Risiko einer Ansteckung möglichst auszuschließen, sehe sie sich außerstande, der Einladung persönlich Folge zu leisten. Sie müsste im Übrigen mit einem aus mehreren Personen bestehenden Securitystab anreisen, sodass die Infektion eines dieser Mitarbeiter das gesamte Sicherheitssystem nachhaltig beeinträchtigen und eine Koordination der Sicherheitsbelange unmöglich machen würde. Für eine Befragung via Videokonferenz stehe sie jedoch zur Verfügung.

Am habe die Parlamentsdirektion der Rechtsvertreterin der Revisionswerberin telefonisch mitgeteilt, dass eine Befragung lediglich innerhalb der Parlamentsgebäude vorgesehen und daher eine Videobefragung am Wohnort nicht möglich sei. Der Rechtsvertreterin der Revisionswerberin sei mitgeteilt worden, dass eine Entscheidung darüber, ob der angegebene Entschuldigungsgrund als ausreichend erachtet werde, erst in der Sitzung am ergehe. Eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb der Parlamentsgebäude sei der Revisionswerberin in Aussicht gestellt worden. Die Rechtsvertreterin habe bekannt gegeben, dass die Revisionswerberin mit Sicherheit nicht zum Befragungstermin in Wien erscheinen werde. Am habe die Rechtsvertreterin der Revisionswerberin nochmals bestätigt, dass der Befragungstermin am von der Revisionswerberin „nicht wahrgenommen“ werde.

Am sei die als Auskunftsperson geladene Revisionswerberin in der 25. Sitzung des Untersuchungsausschusses nicht erschienen. Am selben Tag sei beschlossen worden, die Revisionswerberin erneut (für den ) als Auskunftsperson zu laden.

4Nach näherer Darlegung der beweiswürdigenden Überlegungen gab das Bundesverwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung zunächst die maßgeblichen Bestimmungen der VO-UA wieder und legte daran anschließend die Rechtslage nach dem Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) und der COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung bzw. der (ersten) COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (COVID-19-NotMV) dar. Nach Ausführungen zum - im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen - Vorliegen eines zulässigen und ausreichend begründeten Antrags des Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe prüfte das Bundesverwaltungsgericht, ob die Revisionswerberin der Ladung für den „ohne genügende Entschuldigung“ keine Folge geleistet habe.

Das Bundesverwaltungsgericht verwies darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 19 Abs. 3 AVG, der die Voraussetzungen der Entbindung von der Pflicht, einer Ladung Folge zu leisten, regle, davon ausgehe, dass eine rechtswirksam geladene Partei zwingende Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun habe. Sie müsse etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund (Hinweis auf ; , Ra 2017/11/0207). Wesentlich sei, dass der Geladene durch das geltend gemachte Hindernis tatsächlich vom Erscheinen „abgehalten“ worden sei (Hinweis auf ). Beispielsweise könne eine urlaubsbedingte oder berufliche Verhinderung nur dann ein begründetes Hindernis im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG bilden, wenn sie nicht etwa durch zumutbare Dispositionen hätte beseitigt werden können (Hinweis auf ).

Die Revisionswerberin habe als Grund für ihr Fernbleiben von der Sitzung des Untersuchungsausschusses - zusammengefasst - die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene Infektionsgefahr geltend gemacht, die im Hinblick auf ihre Ansteckung und der dann drohenden Übertragung des Virus von der Revisionswerberin auf ihren Ehemann angesichts dessen Angehörigkeit zur höchstgefährdeten Risikogruppe dramatische Konsequenzen haben könnte. Diesem Argument habe der Untersuchungsausschuss im Wesentlichen ein „entsprechendes risikominimierendes Verhalten“ entgegengehalten, sowie die Schutzmaßnahmen der Parlamentsdirektion und die Möglichkeit der anschließenden Testung bzw. die Ergreifung „geeigneter und zumutbarer Maßnahmen für einen Zeitraum von wenigen Tagen im auf die Befragung folgenden persönlichen Kontakt“, wodurch ein erhöhtes Infektionsrisiko für den Ehemann der Revisionswerberin ausgeschlossen werden könne.

Vorweg sei festzuhalten, dass die im März 2020 in Österreich aufgetretene und in ihrem Ausmaß für die jüngere Vergangenheit beispiellose COVID-19-Pandemie eine allgemeine gesundheitsgefährdende Lage nach sich gezogen habe, deren Intensität sich im zeitlichen Verlauf sehr unterschiedlich bzw. schwankend gestalte bzw. gestaltet habe. Die für den maßgeblichen Zeitpunkt - der vorgesehenen Befragung der Revisionswerberin im Rahmen des Untersuchungsausschusses am - relevante (erste) COVID-19-Notmaßnahmenverordnung habe das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und den Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs nicht gänzlich untersagt, sondern bei Vorliegen bestimmter als wichtig eingestufter Gründe erlaubt, wie dies unter anderem die in § 1 Abs. 1 Z 4 und 6 genannten Zwecke verdeutlichten, nämlich berufliche Zwecke oder Ausbildungszwecke oder die Wahrnehmung unaufschiebbarer behördlicher oder gerichtlicher Wege einschließlich der Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper. Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung seien gemäß § 15 Abs. 1 Z 3 Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung ausgenommen gewesen, worunter jedenfalls auch die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses als zentrales parlamentarisches Instrument politischer Kontrolle falle. Somit hätten die Bestimmungen der ersten COVID-19-Notmaßnahmenverordnung weder dem Erscheinen der Revisionswerberin am entgegengestanden, noch würden sich aus deren Regelungen Anhaltspunkte für die Annahme ableiten lassen, dass ein Fernbleiben der Revisionswerberin von der Sitzung des Untersuchungsausschusses schon an sich gerechtfertigt gewesen wäre.

Soweit die Revisionswerberin ihre familiäre Situation als besonderen Rechtfertigungsgrund geltend gemacht habe, sei zu bemerken, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes parlamentarischen Untersuchungsausschüssen eine demokratiepolitisch wesentliche Kontrollfunktion zukomme, deren Ermittlungstätigkeit vor allem auch die Befragung von Auskunftspersonen zum Inhalt habe (Hinweis auf ). Diese Ermittlungstätigkeit werde zwangsläufig erheblich dadurch beeinträchtigt, wenn Auskunftspersonen einer Ladung ohne genügende Entschuldigung keine Folge leisteten. Vor diesem Hintergrund gehe das Bundesverwaltungsgericht auch davon aus, dass der Untersuchungsausschuss - wenn auch der Antrag in dieser Hinsicht keinerlei Ausführungen enthalte - sorgfältig abgewogen habe, ob auch während der Dauer der Geltung der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung und gerade zu dem in der Ladung genannten Zeitpunkt und nicht erst nach Außerkrafttreten dieser Verordnung (und damit nach anzunehmender Verringerung des Infektionsrisikos) die Einvernahme der Revisionswerberin erforderlich sei.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lasse sich der allgemeine Grundsatz entnehmen, dass ein behauptetes Hindernis, einer Ladung Folge zu leisten, nur dann als Rechtfertigungsgrund qualifiziert werden könne, wenn die Behebung oder die Vermeidung dieses Hindernisses nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles nicht zumutbar (gewesen) wäre.

Das Bundesverwaltungsgericht räume ein, dass die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene Situation eine komplexe (und sich zeitlich verändernde) Gefährdungslage geschaffen habe, die sich - je nach den persönlichen Umständen - sehr unterschiedlich gestalten könne. Dass sich die Revisionswerberin aufgrund ihrer familiären Situation zu besonderer Vorsicht veranlasst gesehen habe, sei lebensnah, nachvollziehbar und bedürfe keiner näheren Erörterung. Die Sorge der Revisionswerberin hinsichtlich einer Infektion (und vor allem der Möglichkeit einer weiteren Übertragung des Virus auf ihren Ehemann) werde ebenso wenig in Zweifel gezogen, wie die fortlaufenden Bemühungen der Revisionswerberin im Alltag, das Infektionsrisiko durch umfangreiche Vorsichts- und Schutzmaßnahmen zu minimieren. Es sei jedoch zu bedenken, dass die VO-UA den Untersuchungsausschuss zu einer den gesundheitlichen Notwendigkeiten einer Auskunftsperson angepassten Gestaltung der Befragung nicht nur berechtige, sondern sogar verpflichte (Hinweis auf BVwG , W234 2233183-1). Den Feststellungen zufolge bestünden aufgrund der COVID-19-Pandemie Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften für den Bereich der Parlamentsräumlichkeiten, die eine Infektion mit COVID-19 - soweit dies nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand gesagt werden könne - weitgehend hintanhalten, jedenfalls aber das Risiko erheblich minimieren würden. Das Bundesverwaltungsgericht habe keinen Anlass zur Annahme, dass dieses Reglement in der Praxis nicht eingehalten werde. Aus dem Verfahren, das dem Erkenntnis (richtig: Beschluss) des Bundesverwaltungsgerichts vom , W234 2233183-1, zugrunde gelegen sei, seien weitere Schutzmaßnahmen hervorgekommen, die einer anderen Auskunftsperson angeboten worden seien (z.B. die Verfügbarkeit eines nahegelegenen Parkplatzes). Auch wenn diese Maßnahmen nicht ausdrücklich der Revisionswerberin angeboten worden sein dürften, so vermöge das Bundesverwaltungsgericht nicht anzunehmen, dass ähnliche Schutzvorkehrungen nicht auch noch getroffen worden wären, wenn die Revisionswerberin Derartiges gewünscht hätte. Angesichts aller dieser Schutzmaßnahmen in ihrer Gesamtheit habe das Bundesverwaltungsgericht im erwähnten Erkenntnis (richtig: Beschluss) vom den Standpunkt eingenommen, dass die attestierte Zugehörigkeit einer geladenen Auskunftsperson zur COVID-19-Risikogruppe keine genügende Entschuldigung für ihr Fernbleiben darstelle. Im vorliegenden Fall sei hervorzuheben, dass die Revisionswerberin selbst nicht zur COVID-19-Risikogruppe gehöre, sondern ihr Ehemann.

Doch selbst wenn man die Ansicht vertreten würde, dass die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen im Untersuchungsausschuss betreffend COVID-19, die das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom beurteilt habe, durch das veränderte Infektionsgeschehen im November 2020 einer Neubewertung zu unterziehen gewesen wäre, ließe sich daraus für die Revisionswerberin nichts gewinnen. Im vorliegenden Fall sei der Revisionswerberin - über die oben erwähnten Schutzvorkehrungen hinaus - überdies eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb des Parlamentsgebäudes in Aussicht gestellt worden, die wohl mit einer weiteren Reduzierung der erforderlichen persönlichen Kontakte oder zumindest der Zahl der Personen, mit denen sich die Revisionswerberin über einen längeren Zeitraum hindurch in einem Raum befunden hätte, verbunden gewesen wäre. Diese Vorgangsweise hätte nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - zusätzlich zu den übrigen Maßnahmen - eine weitere Minderung des Infektionsrisikos bedeuten können. Unter diesen Voraussetzungen erscheine das Infektionsrisiko nicht derart, dass ein Erscheinen der Revisionswerberin am unzumutbar gewesen wäre.

Den Feststellungen zufolge habe die von der Revisionswerberin vorgebrachte monatelange Quarantäne und Selbstisolation insbesondere einen persönlichen Kontakt ihres Ehemannes mit anderen Personen nicht vollkommen und zur Gänze ausgeschlossen, sondern - soweit dies unbedingt erforderlich gewesen sei - auch geschäftliche Zusammentreffen des Ehemannes mit einzelnen Personen erlaubt. Wenn auch diese Kontakte unter strengen Sicherheits- bzw. Schutzvorkehrungen stattgefunden hätten, so lege dies dennoch den Schluss nahe, dass ein zeitlich begrenzter Kontakt der Revisionswerberin mit einer beschränkten Zahl an Personen unter Anwendung entsprechender Schutzmaßnahmen möglich sein werde, wenn ein solcher Kontakt erforderlich sein sollte. Dabei übersehe das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass mit der Ladung der Revisionswerberin in den Untersuchungsausschuss ein zusätzlicher Aufwand für diverse Vorkehrungen für den Zeitraum vor und nach dem Erscheinen im Untersuchungsausschuss verbunden sein könne, wenn die Möglichkeit der COVID-19-Infektion weitgehend ausgeschlossen und das von der Revisionswerberin geschilderte Sicherheitskonzept zum Schutz der Gesundheit ihres Ehemannes beibehalten werden solle.

Auch der Umstand, dass die Revisionswerberin für die fortlaufende Unterstützung ihres Ehemannes im Alltag für den Zeitraum während ihrer Abwesenheit Vorsorge treffen müsste, vermöge das Fernbleiben der Revisionswerberin im Untersuchungsausschuss nicht schlechthin zu rechtfertigen.

Zum Vorschlag der Revisionswerberin, als Alternative zur Befragung vor Ort im Wege einer Videokonferenz, die ihr den Verbleib am Wohnort ermöglichen würde, befragt zu werden, könne dahingestellt bleiben, inwieweit § 17 Abs. 1 VO-UA einer Befragung über Video in der von der Revisionswerberin gewünschten Form entgegenstehe. Das Bundesverwaltungsgericht könne dem Untersuchungsausschuss jedenfalls nicht entgegentreten, wenn er in Ermangelung einer speziellen Regelung zur Befragung über Videotelefonie und vor dem Hintergrund der Bedeutung des Befragungsinhaltes für seine Ermittlungstätigkeit eine Befragung der Revisionswerberin an ihrem Wohnort via Videokonferenz abgelehnt und eine Anwesenheit der Revisionswerberin zumindest im Parlamentsgebäude als erforderlich angesehen habe.

Die von der Revisionswerberin für ihr Fernbleiben am ins Treffen geführte Entschuldigung, nämlich dass die Infektionsgefahr vor dem Hintergrund der Zugehörigkeit ihres Ehemannes zur COVID-19-Risikogruppe zu hoch sei, könne daher nicht als genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA qualifiziert werden.

Da insoweit sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 36 Abs. 1 VO-UA erfüllt seien, lägen die Voraussetzungen für die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 Abs. 1 in Verbindung mit § 56 VO-UA über die Revisionswerberin vor.

Nach Ausführungen zur - im Revisionsverfahren nicht strittigen - Bemessung der Beugestrafe und zum Absehen von der mündlichen Verhandlung führt das Bundesverwaltungsgericht zur Nichtzulassung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof aus, dass sich der Beschluss im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bewege (Hinweis auf ; , Ra 2017/04/0120), wobei die maßgeblichen Rechtsfragen in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bislang nicht uneinheitlich beantwortet worden seien. Auch seien keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich, zumal die Rechtslage eindeutig sei.

5Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision der Revisionswerberin, in der - jeweils mit näheren Ausführungen - sieben Gründe zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht werden: es fehle Rechtsprechung zum Pandemiegeschehen als Entschuldigungsgrund (1), zur Möglichkeit der Einvernahme per Videokonferenz (2), zur Frage, ob die COVID-19-Regelungen des 1. COVID-JuBG und des COVID-19-VwBG zur Einvernahme mittels Videokonferenz auch auf die VO-UA anzuwenden seien (3), zur Frage, ob das Verlassen des privaten Wohnbereichs zur Aussage als Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuss nach der COVID-19-NotMV zulässig sei (4) und zur Frage, welche Verfahrensgrundsätze für die Ladung und Befragung von Auskunftspersonen anzuwenden seien (5); weiters wird ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 Abs. 3 AVG (6) sowie eine unvertretbare Beweiswürdigung (7) behauptet.

Mit ergänzender Stellungnahme vom brachte die Revisionswerberin vor, dass die „vom Untersuchungsausschuss über die beantragte Beugestrafe und angedrohte Vorführung durchgesetzte persönliche Befragung in Wien“ am stattgefunden habe, wobei sie nähere Begleitumstände der Befragung schildert, unter anderem dass sie in einem separaten Raum in der Hofburg gesessen sei, begleitet von ihrer Vertrauensperson, dem Verfahrensanwalt, seiner Stellvertreterin und einem Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, während der Untersuchungsausschuss im Camineum gesessen sei. Sie habe mit dem Untersuchungsausschuss via Bildschirmübertragung kommuniziert, ihre Aussage habe damit „per Videokonferenz stattgefunden“.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

6Da eine Ausgangsbeschränkung, die der Revisionswerberin untersagt hätte, zum Zweck ihrer Aussage als Auskunftsperson die Tagungsräumlichkeiten des parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufzusuchen, als genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA anzusehen wäre, erweist sich die außerordentliche Revision im Hinblick auf das mit dem vierten Zulässigkeitsgrund geltend gemachte Fehlen von Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Verlassens des privaten Wohnbereichs zum Zweck der Aussage als Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuss als zulässig.

Vorverfahren

7Die Durchführung eines Vorverfahrens über die außerordentliche Revision nach § 36 Abs. 1 VwGG konnte unterbleiben, da dem vor dem Bundesverwaltungsgericht antragstellenden Untersuchungsausschuss im Verfahren über die Revision einer Auskunftsperson gegen eine vom Bundesverwaltungsgericht verhängte Beugestrafe keine Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zukommt () und auch kein Fall des § 29 VwGG vorliegt, in dem eine Zustellung der Revision an einen Bundesminister oder eine Landesregierung vorzunehmen wäre.

Rechtslage

8Gemäß Art. 130 Abs. 1a B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Auskunftspersonen eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates nach Maßgabe des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates.

9Die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) ist in Anlage 1 zum Geschäftsordnungsgesetz 1975, BGBl. Nr. 410/1975, geregelt und vorliegend in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 99/2014 anzuwenden. Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen der VO-UA lauten auszugsweise:

Sitzungen des Untersuchungsausschusses

§ 16. (1) Der Untersuchungsausschuss legt auf Vorschlag des Vorsitzenden und nach Beratung mit dem Verfahrensrichter unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß § 24 einen Arbeitsplan fest. Nach Möglichkeit sollen mindestens vier Sitzungen des Untersuchungsausschusses pro Monat stattfinden.

[...]

Beweisaufnahme

§ 22. (1) Der Untersuchungsausschuss erhebt die Beweise im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes. Beweise werden aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses, der ergänzenden Beweisanforderungen, der Ladung von Auskunftspersonen und Sachverständigen sowie durch Augenschein erhoben.

(2) Die Beweisaufnahme endet unter Beachtung der Fristen gemäß § 51 und 53 mit Feststellung des Vorsitzenden. Diese ist sowohl im Amtlichen Protokoll über die Ausschusssitzung als auch im schriftlichen Bericht des Untersuchungsausschusses an den Nationalrat festzuhalten.
[...]

Ladung von Auskunftspersonen mit Beschluss

§ 28. Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds die Ladung von Auskunftspersonen beschließen. Der Antrag hat die Auskunftspersonen und die Themen der Rechte und Pflichten von Auskunftspersonen Befragung zu benennen und kann einen Vorschlag für den Zeitpunkt der Befragung enthalten. Er ist unter Bedachtnahme auf den Untersuchungsgegenstand zu begründen.

[...]

Inhalt der Ladung und Festlegung der Reihenfolge der Befragungen

§ 30. (1) Die Ladung hat den Untersuchungsgegenstand und die Themen der Befragung, Ort und Zeit derselben sowie einen Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Auskunftspersonen und den Kostenersatz sowie allfällige Folgen des Ausbleibens zu enthalten.

(2) Der Vorsitzende hat nach Beratung mit dem Verfahrensrichter im Interesse der Zweckmäßigkeit und unter Bedachtnahme auf die Angaben gemäß Abs. 1 und den Arbeitsplan gemäß § 16 Abs. 1 den Zeitpunkt und die Reihenfolge der Befragung von Auskunftspersonen zu bestimmen. Davon sind die Mitglieder des Untersuchungsausschusses unverzüglich zu informieren.

(3) Ist die zu ladende Person ein öffentlich Bediensteter, so ist gleichzeitig die zuständige Dienstbehörde von der Ladung zu benachrichtigen.

[...]

Ausfertigung der Ladung

§ 32. (1) Ladungen sind vom Vorsitzenden ohne unnötigen Aufschub auszufertigen.

(2) Die erstmalige Ladung kann ohne Zustellnachweis erfolgen. Jede weitere Ladung ist dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellen.

Rechte und Pflichten von Auskunftspersonen

§ 33. (1) Die Auskunftsperson hat der Ladung Folge zu leisten und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten. Davon unberührt bleiben die Aussageverweigerungsgründe gemäß § 43 und 44. [...]

Folgen des Ausbleibens von Auskunftspersonen

§ 36. (1) Wenn eine Auskunftsperson der ihr gemäß § 32 Abs. 2 zu eigenen Handen zugestellten Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet, kann der Untersuchungsausschuss beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 beantragen. Der Antrag ist zu begründen.

[...]

Beugemittel

§ 55. (1) Als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson kommt eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall in der Höhe von 2 000 Euro bis 10 000 Euro in Betracht.

(2) Als Beugestrafe wegen ungerechtfertigter Verweigerung der Aussage kommt eine Geldstrafe bis zu 1 000 Euro in Betracht.

Zuständigkeit und Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts

§ 56. (1) In den Fällen der § 36 Abs. 1 und 4 und 45 Abs. 2 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senat.

(2) In den Fällen der § 36 Abs. 1 und 45 Abs. 2 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen vierzehn Tagen zu entscheiden.

(3) Jeder Beschluss gemäß Abs. 1 hat eine Belehrung über die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und einer ordentlichen oder außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu enthalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner hinzuweisen:

1.auf die bei der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision einzuhaltenden Fristen;

2.auf die gesetzlichen Erfordernisse der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt;

3.auf die für eine solche Beschwerde bzw. Revision zu entrichtenden Eingabengebühren.

(4) Für die Bemessung der Beugestrafe gemäß § 55 hat das Bundesverwaltungsgericht § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, sinngemäß anzuwenden.“

Zu den Revisionsgründen: Allgemeines

10Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Revisionswerberin ordnungsgemäß - unter Einhaltung der Bestimmungen der VO-UA - als Auskunftsperson für den geladen wurde; insbesondere wurde die Ladung zu eigenen Handen zugestellt und enthielt den nach § 30 Abs. 1 VO-UA notwendigen Inhalt. Unstrittig ist auch, dass die Revisionswerberin der Ladung nicht Folge geleistet hat.

11Die Revisionswerberin macht jedoch geltend, dass die Nichtbefolgung der Ladung durch eine „genügende Entschuldigung“ gerechtfertigt gewesen sei, sodass sich die Verhängung der Beugestrafe durch das Bundesverwaltungsgericht als nicht rechtmäßig erweise. Dazu stützt sich die Revisionswerberin auf fünf näher ausgeführte Revisionsgründe.

Zum zweiten Revisionsgrund: Zulässigkeit einer Videokonferenz

12Zunächst ist auf den zweiten Revisionsgrund einzugehen, in dem die Revisionswerberin geltend macht, es wäre auch eine Einvernahme per Videokonferenz zulässig gewesen (was sie umfassend unter Hinweis auch auf die Zulässigkeit von Videokonferenzen in anderen Verfahren ausführt); ihre physische Anwesenheit wäre daher nicht erforderlich gewesen.

13Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass das Untersuchungsausschussverfahren der Information des Parlaments im Sinne einer Selbstinformation dient und Art. 53 B-VG dazu dem Nationalrat besondere Möglichkeiten gibt, Informationen zu erlangen, die zur Wahrnehmung seiner Kontroll- und Gesetzgebungsfunktion notwendig sind (vgl. die Materialien zur B-VG-Novelle BGBl. I Nr. 101/2014, 718/A BlgNR 25. GP S. 14). Untersuchungsausschüsse dienen der Erfüllung der Kontrollbefugnisse des Nationalrates und werden als Kontrollorgane der gesetzgebenden Körperschaft tätig; sie sind sowohl organisatorisch als auch funktionell der gesetzgebenden Gewalt zuzuordnen. Akte, die von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen bzw. in deren Auftrag gesetzt werden, gehören daher zur Staatsfunktion Gesetzgebung (vgl. , VfSlg 18.406/2008); solche Akte können daher - wie der Verfassungsgerichtshof im eben zitierten Erkenntnis weiter ausgeführt hat - als solche weder von den Unabhängigen Verwaltungssenaten (nun: Verwaltungsgerichten) noch vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden. Diese - noch zur Rechtslage vor der Reform des Rechts der Untersuchungsausschüsse durch die B-VG-Novelle BGBl. I Nr. 101/2104 und die GOG 1975-Novelle BGBl. I Nr. 99/2014 ergangene - Rechtsprechung ist im Hinblick auf die Verwaltungsgerichte auch auf die nunmehrige Rechtslage zu übertragen.

14Das Bundesverwaltungsgericht, das nun - anstelle des zuvor zuständigen Bezirksgerichts Innere Stadt Wien (§ 22 Abs. 1 VO-UA in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 99/2014) - für die Verhängung von Beugestrafen (unter anderem) wegen des Ausbleibens einer Auskunftsperson nach § 36 Abs. 1 VO-UA auf Antrag eines Untersuchungsausschusses zuständig ist, hat daher bei der Entscheidung über diesen Antrag lediglich zu prüfen, ob die betroffene Person der Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge geleistet hat. Eine - auch nur inzidente - Beurteilung, ob die Ladung der Auskunftsperson durch den Untersuchungsausschuss überhaupt oder allenfalls zum konkreten Zeitpunkt oder zu einem bestimmten Beweisthema erforderlich war, bzw. ob der Untersuchungsausschuss allenfalls die Befragung auch mittels Videokonferenz hätte durchführen können, kommt dem Bundesverwaltungsgericht bzw. im Revisionsweg dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu.

15Fest steht, dass die Revisionswerberin als Auskunftsperson geladen war und dieser Ladung nicht Folge geleistet hat; auf die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob ihre physische Anwesenheit bei der Befragung erforderlich gewesen sei bzw. ob eine Videokonferenz möglich und zulässig gewesen wäre, kommt es für die allein zu beurteilende Frage, ob die Revisionswerberin der Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge geleistet hat, nicht an.

Zum vierten Revisionsgrund: Verfahrensfehler wegen Annahme der Dringlichkeit der Befragung der Revisionswerberin

16Aus den bereits zum zweiten Revisionsgrund dargelegten Erwägungen ist für die Revisionswerberin auch mit ihrem vierten Revisionsgrund, auf den im systematischen Zusammenhang hier einzugehen ist, nichts zu gewinnen. Die Revisionswerberin macht mit diesem Revisionsgrund einen nach ihrer Ansicht vorliegenden Verfahrensfehler geltend, da das Bundesverwaltungsgericht die rechtliche Beurteilung der von ihr vorgebrachten Entschuldigungsgründe auch darauf gestützt habe, dass ihre Einvernahme gerade zu dem in der Ladung genannten Zeitpunkt notwendig gewesen wäre; für diese angenommene Dringlichkeit ihrer Aussage gebe es jedoch kein Vorbringen und keine Beweisergebnisse.

17Wie bereits dargelegt, hatte das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionswerberin allerdings nicht darüber zu entscheiden, ob die Ladung der Revisionswerberin gerade für den in der Ladung angegebenen konkreten Termin erforderlich war oder ob die Einvernahme, wie die Revisionswerberin meint, auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen wäre.

18Die Festlegung des Arbeitsplans (§ 16 VO-UA) und die Beweiserhebung (§ 22 VO-UA) aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (§ 24 VO-UA) sind Akte des Untersuchungsausschusses, die nicht der Kontrolle des Bundesverwaltungsgerichtes unterliegen, ebenso wenig wie der vom Vorsitzenden unter Bedachtnahme unter anderem auf den Arbeitsplan zu bestimmende Zeitpunkt der Befragung von Auskunftspersonen (§ 30 Abs. 2 VO-UA; vgl. zur Zurechnung auch der Akte des Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses zur Staatsfunktion Gesetzgebung und B 669/92, VfSlg 13.450/1933, dort zu einem Untersuchungsausschuss des Tiroler Landtages).

Zum ersten Revisionsgrund: Gefährdung der Gesundheit

19Mit ihrem ersten Revisionsgrund macht die Revisionswerberin eine „Gefährdung der Gesundheit und des Lebens durch Befolgung der Ladung“ geltend. Das Bundesverwaltungsgericht habe festgestellt, dass die im März 2020 in Österreich aufgetretene COVID-19-Pandemie eine allgemeine gesundheitsgefährdende Lage nach sich gezogen habe, deren Intensität sich im zeitlichen Verlauf sehr unterschiedlich bzw. schwankend gestalte. Das Bundesverwaltungsgericht räume auch ein, dass die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene Situation eine komplexe (und sich zeitlich verändernde) Gefährdungslage geschaffen habe. Es habe festgehalten, dass es lebensnah und nachvollziehbar sei, dass sich die Revisionswerberin aufgrund ihrer familiären Situation zu besonderer Vorsicht veranlasst gesehen habe. Die Sorge der Revisionswerberin hinsichtlich einer Infektion (und vor allem der Möglichkeit einer weiteren Übertragung des Virus auf ihren Ehemann) sei vom Bundesverwaltungsgericht ebenso wenig in Zweifel gezogen worden wie die fortlaufenden Bemühungen der Revisionswerberin im Alltag, das Infektionsrisiko durch umfangreiche Vorsichts- und Schutzmaßnahmen zu reduzieren.

20Die Revisionswerberin meint, dass das Bundesverwaltungsgericht in rechtsrichtiger Beurteilung dieses Sachverhalts zum Ergebnis hätte gelangen müssen, dass ihre Entschuldigung „gerade mitten im Lockdown wegen der außer Kontrolle geratenen Entwicklung der Pandemie“ als ausreichend angesehen werden müsse. Stattdessen habe sich das Bundesverwaltungsgericht mit den Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften für den Bereich der Parlamentsräumlichkeiten beschäftigt, die eine Infektion mit COVID-19 - soweit dies nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand gesagt werden könne - weitgehend hintanhalten, jedenfalls aber das Risiko erheblich minimieren würden. Die Revisionswerberin bringt dazu vor, dass damit das Infektionsrisiko nicht so weit reduziert werden könne, wie sie es durch die von ihr und ihrem Mann gesetzten Maßnahmen der Selbstisolation erfolgreich reduziert habe.

21Es gebe noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu, wie das Virus übertragen werde. wie lange es in der Luft überlebe und welche Schutzmaßnahmen tatsächlich in welchem Ausmaß ein Infektionsrisiko senken bzw. ausschließen könnten. Im Parlament und im Untersuchungsausschuss sei sogar eine Partei vertreten, die sich gegen das Tragen von Masken ausspreche, weil es angeblich keine gesicherten Beweise zur Nützlichkeit dieser Maßnahme gebe. Immer wieder höre und lese man von Personen, die trotz Ergreifung zahlreicher Vorsichtsmaßnahmen an COVID-19 erkrankt seien und nicht nachvollziehen könnten, wo sie sich infiziert haben könnten. Beim Kontakt mit anderen Menschen sei immer ein Restrisiko vorhanden. Selbst bei der Befragung in einem eigenen Raum würde ein Kontakt zu anderen - wenn auch weniger - Menschen stattfinden. Dies würde schon bei ihrer Anreise nach Wien beginnen, für die sie „aufgrund der besonderen Exponiertheit“ ihrer Person und insbesondere der Person ihres Ehemanns Personenschutz benötige. Dazu komme, dass sich aufgrund ihrer Reise nach Wien andere Personen um ihren Ehemann kümmern müssten, die naturgemäß keine vergleichbare Quarantäne eingehalten hätten.

22Dabei sei besonders der Zeitpunkt ihrer Befragung zu berücksichtigen. Im November 2020 sei die Pandemie gerade „am Höchstpunkt“ (sowohl hinsichtlich der täglichen Neuinfektionen als auch der Todesopfer) angekommen gewesen; die Regierung habe das Land in einen weiteren „harten Lockdown“ geschickt. Es könne ihr kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie ihren extrem gefährdeten Mann „mit allen Mitteln vor einer Infektion schützen“ wolle.

23Hinzu komme, dass ihr selbst vom Untersuchungsausschuss vor der Sitzung am nicht habe gesagt werden können, dass ihre Entschuldigung „unzureichend“ wäre. Ihr sei nur die Auskunft erteilt worden, dass die Entscheidung darüber, ob der angegebene Entschuldigungsgrund als ausreichend erachtet werde, erst in der Sitzung am ergehen könne. Es könne aber nicht von ihr verlangt werden, dass sie für eine Befragung vor Ort zur Verfügung stehe und damit die Gesundheit und das Leben ihres Mannes aufs Spiel setze, wenn nicht einmal der Untersuchungsausschuss wisse, ob eine Ladungsbefolgungspflicht oder eine ausreichende Entschuldigung vorliege.

24Die Betreuung ihres Mannes erfordere Nähe und körperlichen Kontakt mit ihm. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sie die - auch medizinisch erforderliche - Unterstützung und Betreuung ihres Ehemanns alleine wahrnehme, sei es „ein besonderer Hohn und menschenunwürdig“, wenn sie vom Untersuchungsausschuss darauf verwiesen werde, sie könne für einen Zeitraum von wenigen Tagen im auf die Befragung folgenden Zeitraum durch geeignete Maßnahmen wie Selbstquarantäne eine Infektion ihres Mannes ausschließen. Das hätte wiederum zur Folge, dass ihr Mann auf externe Hilfe angewiesen wäre und der Kontakt mit anderen Menschen entgegen der bisherigen Vorgangsweise nicht ausreichend reduziert würde. Sie betreue ihren Ehemann ausschließlich allein, um ihn vor einer Infektion zu schützen. Die meisten tödlich verlaufenden Infektionen in Österreich kämen bei Pflegemaßnahmen zustande. Sie könne sich selbst ausreichend vertrauen, um zu wissen, dass sie aufgrund ihres sorgsamen Verhaltens kein Risiko für ihren Ehemann darstelle. Umgekehrt könne sie das zum Beispiel von außenstehenden Betreuungskräften nicht wissen. Ein Verhalten dieser Betreuungskräfte, das mit ihren Vorsichtsmaßnahmen in den letzten mehr als sechs Monaten vergleichbar wäre, sei ausgeschlossen. Ihre Entschuldigung hätte daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung als ausreichend erachtet werden müssen.

25Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass die Befragung von Auskunftspersonen ein wesentliches Mittel der Beweisaufnahme durch den Untersuchungsausschuss ist (vgl. § 22 Abs. 1 VO-UA); sie dient dem Ziel des Untersuchungsausschusses, nämlich der „Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken“ (vgl. die Materialien zur B-VG-Novelle BGBl. I Nr. 101/2014, 718/A BlgNR 25. GP S. 14).

26Vor diesem Hintergrund kommt der in § 33 Abs. 1 VO-UA festgelegten Pflicht von Auskunftspersonen, der Ladung Folge zu leisten (und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten) wesentliche Bedeutung für die Erlangung von Informationen zu, die zur Wahrnehmung der demokratiepolitisch wesentlichen Kontrollfunktion des Untersuchungsausschusses notwendig sind.

27An die Pflicht der Auskunftsperson, der Ladung Folge zu leisten, sind daher schon aufgrund der Bedeutung des Untersuchungsausschusses als parlamentarisches Kontrollinstrument sowie im Hinblick auf die gesetzlich beschränkte Dauer der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses (vgl. insbesondere § 53 VO-UA) strenge Anforderungen zu stellen, die jedenfalls jene Anforderungen nicht unterschreiten können, die für die Befolgung der Ladung von Verwaltungsbehörden (vgl. § 19 Abs. 3 AVG) oder Gerichten (vgl. etwa § 333 oder § 381 ZPO) gelten.

28Eine „genügende Entschuldigung“ im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA setzt voraus, dass die geladene Auskunftsperson durch den geltend gemachten Hinderungsgrund tatsächlich abgehalten wurde, der Ladung nachzukommen und dass sie durch ihr zumutbare Vorkehrungen diesen Hinderungsgrund auch nicht (rechtzeitig) beseitigen konnte. Die Auskunftsperson hat daher darzutun, dass der Nichtbefolgung der Ladung zwingende Gründe entgegenstehen.

29Ob eine im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA genügende Entschuldigung vorliegt, erfordert eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Umstände. Eine Fehlbeurteilung ist vorliegend nicht zu erkennen.

30Die Revisionswerberin war unstrittig nicht selbst aus Krankheitsgründen tatsächlich verhindert, der Ladung Folge zu leisten. Sie meinte jedoch, dass durch die Befolgung der Ladung eine Gesundheitsgefährdung für sie, vor allem aber für ihren Ehemann eintreten könne. Damit brachte sie eine allgemeine Sorge um ihre Gesundheit und die Gesundheit ihres Ehemannes zum Ausdruck, die vor dem Hintergrund der damals gegebenen Pandemie-Situation zwar als solche nachvollziehbar ist, sie aber nicht gegenüber anderen Personen hervorhebt, die etwa als Auskunftspersonen zur Befragung durch den Untersuchungsausschuss geladen waren oder die unter den zum damaligen Zeitpunkt gegebenen Pandemie-Bedingungen zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen - nur beispielhaft genannt seien etwa Dienstpflichten im Sanitäts- oder Polizeidienst - Reisebewegungen durchführen und (unter Einhaltung von Hygieneregeln) mit anderen Personen zusammenkommen mussten.

31Das Bundesverwaltungsgericht hat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass durch die im Untersuchungsausschuss getroffenen Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften für den Bereich der Parlamentsräumlichkeiten eine Infektion mit COVID-19 weitgehend hintangehalten, jedenfalls aber das Risiko erheblich minimiert worden sei, und dass das Infektionsrisiko nicht derart erscheine, dass der Revisionswerberin das Erscheinen zur Befolgung durch den Untersuchungsausschuss am unzumutbar gewesen wäre. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht unter anderem auch berücksichtigt, dass die von der Revisionswerberin bisher im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie getroffenen besonderen Schutzmaßnahmen ein Zusammentreffen auch ihres Ehemannes mit anderen Personen nicht vollkommen und zur Gänze ausgeschlossen hatten.

32Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die Befolgung der Ladung durch die Revisionswerberin zu einem solchen Risiko für ihre Gesundheit (und - bei Beachtung zumutbarer Schutzmaßnahmen - mittelbar für die Gesundheit ihres Ehemannes) geführt hätte, das jenes allgemeine Risiko einer möglichen Infektion überschritten hätte, wie es bei einer generalisierenden Betrachtung von der Allgemeinheit im täglichen Leben - etwa im Erwerbsleben oder auch zur Wahrnehmung unaufschiebbarer behördlicher Wege - zu jenem Zeitpunkt ebenso zu tragen war.

33So ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach der zum Zeitpunkt der geplanten Befragung der Revisionswerberin am geltenden COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (COVID-19-NotMV), BGBl. II Nr. 479/2020, das Verlassen des privaten Wohnbereichs „zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen“ ebenso wie zu beruflichen Zwecken zulässig war; diese Verordnung erlaubte unter anderem auch den Aufenthalt an Arbeitsorten (§ 6 COVID-19-NotMV), wobei die dabei nach der genannten Verordnung einzuhaltenden Schutzmaßnahmen hinter jenen zurückblieben, wie sie der Revisionswerberin für ihre Befragung angeboten worden waren (etwa die Befragung in einem gesonderten Raum); auch die Nutzung von Massenbeförderungsmitteln war nach der damals geltenden Rechtslage unter Beachtung einfacher Schutzmaßnahmen ebenso zulässig (§ 3 COVID-19-NotMV) wie die gemeinsame Benützung von Kraftfahrzeugen durch Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben (§ 4 Abs. 1 COVID-19-NotMV).

34Die Rechtsordnung ist zum maßgeblichen Zeitpunkt somit davon ausgegangen, dass zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 zwar wesentliche Einschränkungen unter anderem der allgemeinen Bewegungsfreiheit erforderlich waren, dass aber das Verlassen des privaten Wohnbereichs zu beruflichen Zwecken (sofern erforderlich) oder zur Wahrnehmung unaufschiebbarer behördlicher oder gerichtlicher Wege - ebenso wie die zu diesen Zwecken erforderliche An- und Abreise auch mit Massenbeförderungsmitteln oder in Fahrgemeinschaften - unter Einhaltung der in der COVID-19-NotMV festgelegten Schutzmaßnahmen kein unvertretbares Risiko für die betroffenen Personen und deren Haushaltsangehörige mit sich brachte.

35Bei der auch unter Einhaltung aller Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen sowie unter Befolgung der maßgeblichen gesundheitsrechtlichen Vorschriften nicht gänzlich auszuschließenden Gefahr einer Infektion - wie die Revisionswerberin selbst vorbringt, ist „beim Kontakt mit anderen Menschen immer ein Restrisiko vorhanden“ - handelt es sich um einen Umstand, der dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist. Die Sorge, dass sich dieses allgemeine Lebensrisiko verwirklichen könnte, ist jedoch keine genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA für die Nichtbefolgung einer Ladung zur Befragung als Auskunftsperson durch den Untersuchungsausschuss.

36Daran ändert es auch nichts, dass die Revisionswerberin gegebenenfalls aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände außerhalb der Befragung durch den Untersuchungsausschuss in der Lage sein mag, das allgemeine Lebensrisiko durch aufwändige Vorkehrungen in einem weit überdurchschnittlichen Maße zu verringern. So wie andere Auskunftspersonen, die zu derartigen außerordentlichen Vorkehrungen nicht in der Lage sind, trifft auch die Revisionswerberin gleichermaßen die Rechtspflicht, der Ladung des Untersuchungsausschusses Folge zu leisten; diese Pflicht besteht nur dann nicht, wenn dem Erscheinen vor dem Untersuchungsausschuss zwingende - jedenfalls über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende - Hindernisse entgegenstehen.

37Auch dass das Bundesverwaltungsgericht den Umstand, dass die Revisionswerberin für die fortlaufende Unterstützung ihres Ehemannes im Alltag für den Zeitraum während ihrer Abwesenheit Vorsorge treffen müsste, nicht als genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA beurteilt hat, kann nicht als rechtswidrig angesehen werden. Auch der Wunsch, derartige Vorsorge nicht treffen zu müssen, war nach dem Vorbringen der Revisionswerberin geleitet von der allgemeinen Sorge um die weitestmögliche Minimierung jeglichen Infektionsrisikos; die Revisionswerberin hat aber nicht dargelegt, dass ihr eine entsprechende Vorsorge - unter Einschluss weitgehender Schutzmaßnahmen zur Hintanthaltung des Infektionsrisikos - tatsächlich unmöglich gewesen wäre.

38Schließlich ist auch aus dem Umstand, dass eine Entscheidung des Untersuchungsausschusses über die Frage, ob er die von der Revisionswerberin vorgebrachten Gründe, aus denen sie die Ladung nicht befolgen wollte, erst am Tag der geplanten Befragung getroffen hat, für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Zur Beurteilung dieser Frage kommt es nämlich darauf an, ob zwingende Gründe für das Nichterscheinen gerade an dem in der Ladung genannten Termin gegeben waren.

39Zusammenfassend ist daher nicht zu erkennen, dass zwingende gesundheitliche Gründe vorgelegen wären, die dem Erscheinen der Revisionswerberin zur Befragung durch den Untersuchungsausschuss am entgegengestanden wären.

Zum dritten Revisionsgrund: rechtswidrige Bezugnahme auf § 19 Abs. 3 AVG

40Als dritten Revisionsgrund macht die Revisionswerberin eine „rechtswidrige Bezugnahme auf Judikatur zu § 19 Abs. AVG“ (und, wenn die Grundsätze des § 19 Abs. 3 AVG und die Rechtsprechung dazu gelten würden, auch eine falsche Auslegung dieser Rechtsprechung) geltend. Sie führt dazu im Wesentlichen aus, dass das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung in Verkennung der Rechtslage die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 Abs. 3 AVG herangezogen und diese auch falsch ausgelegt habe. Das AVG sei weder auf das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss noch auf die Beurteilung des Vorliegens eines Entschuldigungsgrundes nach § 36 Abs. 1 VO-UA anzuwenden. Aus den Gesetzesmaterialien (Hinweis auf 507/A BlgNR 20. GP, S. 16f) ergebe sich, dass die Befragung von Auskunftspersonen bewusst stark an die ZPO angelehnt sei.

41Die Frage, ob auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 19 Abs. 3 AVG oder auf jene des Obersten Gerichtshofes (zu § 333 ZPO) zurückgegriffen werden könne, sei vor allem deshalb von Relevanz, weil an das Vorliegen einer ausreichenden Entschuldigung unterschiedlich strenge Anforderungen gestellt würden. Im Sinne des § 333 ZPO sei ein Zeuge bereits dann genügend entschuldigt, wenn er durch die Erfüllung seiner Erscheinenspflicht zum vorgesehenen Zeitpunkt einen erheblichen oder unverhältnismäßig großen Nachteil erlitten hätte, den er abzuwehren nicht im Stande gewesen wäre und der auch durch die Zeugengebühr nicht abgedeckt hätte werden können. Nach den im Zivilverfahren geltenden Grundsätzen würde jedenfalls eine genügende Entschuldigung vorliegen.

42Dazu ist festzuhalten, dass - wie die Revision zutreffend ausführt - das AVG auf das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss ebenso wie auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht über einen Antrag eines Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe nicht anzuwenden ist. Die VO-UA regelt das Verfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse abschließend (und enthält auf Grundlage des Art. 136 Abs. 3a B-VG auch Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts). Das Vorliegen einer „genügenden Entschuldigung“ im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA ist daher autonom nach dieser Verfahrensordnung auszulegen, wobei - wie bereits oben (Rn. 27) dargelegt - an die Pflicht der Auskunftsperson, der Ladung Folge zu leisten, schon aufgrund der Bedeutung des Untersuchungsausschusses als parlamentarisches Kontrollinstrument sowie im Hinblick auf die gesetzlich beschränkte Dauer der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses strenge Anforderungen zu stellen sind, die jedenfalls jene Anforderungen nicht unterschreiten können, die für die Befolgung der Ladung von Verwaltungsbehörden oder Gerichten gelten.

43Auch wenn, wie die Revision darlegt, die Bestimmungen über die Befragung von Auskunftspersonen (in ihrem Wortlaut) an jene über die Befragung von Zeugen nach der ZPO angelehnt sind, ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA vorliegt, das besondere öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Untersuchungsausschusses als parlamentarisches Kontrollinstrument zu berücksichtigen.

44Es kann im vorliegenden Fall auch dahingestellt bleiben, ob dabei - wie die Revisionswerberin meint - die für die Auslegung des § 333 ZPO maßgeblichen Grundsätze heranzuziehen sind, da auch diese zu keinem anderen Ergebnis führen (die Revision bezieht sich zwar auf Judikatur des Obersten Gerichtshofes, vermag aber keine konkrete Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu benennen). Zwar behauptet die Revisionswerberin, dass nach den im Zivilverfahren geltenden Grundsätzen eine genügende Entschuldigung vorliegen würde, begründet dies aber nicht näher, sondern verweist in diesem Zusammenhang lediglich auf die im Zivilverfahren bestehende Möglichkeit einer Videoeinvernahme (siehe dazu jedoch bereits oben Rn. 12 bis 15) sowie auf Rechtsprechung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, wonach etwa eine gebuchte Urlaubsreise oder eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit eine genügende Entschuldigung im Sinne des § 333 ZPO wären. Derartige Verhinderungsgründe hat die Revisionswerberin aber hier nicht geltend gemacht.

45Auch unter Zugrundelegung der in der Revision zitierten Literaturmeinungen, wonach ein Zeuge im Zivilverfahren genügend entschuldigt ist, wenn er durch die Erfüllung seiner Erscheinenspflicht zum vorgesehenen Zeitpunkt einen erheblichen oder unverhältnismäßig großen Nachteil erlitten hätte, den er abzuwehren nicht im Stande gewesen wäre und der auch durch die Zeugengebühr nicht abgedeckt hätte werden können (Frauenberger in Konecny (Hg.), Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Rn. 2 zu § 333 ZPO, mwH), ist für die Revisionswerberin im vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, da nach den obigen Ausführungen zum ersten Revisionsgrund (Rn. 19 bis 39) die Befolgung der Ladung keinen erheblichen oder unverhältnismäßig großen Nachteil für die Revisionswerberin mit sich gebracht hätte.

46Auch soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang - für den Fall, dass die Grundsätze des § 19 Abs. 3 AVG heranzuziehen wären - eine unrichtige Auslegung dieser Bestimmung geltend macht und dazu auf das „Risiko der Ansteckung mit einer potentiell lebensbedrohlichen Erkrankung“ hinweist und ausführt, dass das Infektionsrisiko „nicht gänzlich beseitigt“ werden könne, ist auf die Ausführungen zum ersten Revisionsgrund (oben Rn. 19 bis 39) zu verweisen.

Zum fünften Revisionsgrund: Verstoß gegen COVID-19-Vorgaben

47Als fünften und letzten Revisionsgrund nennt die Revisionswerberin schließlich einen „Verstoß gegen gesetzliche COVID-19-Vorgaben“.

48Dem Bundesverwaltungsgericht seien bei der Erlassung des angefochtenen Beschlusses Fehler bei der Auslegung der COVID-19-NotMV unterlaufen. Die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Aussage der Revisionswerberin vor dem Untersuchungsausschuss „durch diese gesetzlichen COVID-19-Vorgaben“ nicht verboten gewesen sei, weshalb sie daraus keinen Entschuldigungsgrund ableiten könne, sei verfehlt.

49Von den Ausgangsbeschränkungen seien „unaufschiebbare behördliche und gerichtliche Wege“ ausgenommen. Die Aussage vor einem Untersuchungsausschuss, der weder eine Behörde noch ein Gericht sei, sei jedoch nicht als „behördlicher“ oder „gerichtlicher“ Weg zu beurteilen. Abgesehen davon sei ihre Aussage jedenfalls nicht unaufschiebbar gewesen, sondern hätte aufgrund der zahlreichen weiteren Sitzungstermine auch zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden können. Auch der Hinweis auf die Ausnahme für „Tätigkeiten der Organe der Gesetzgebung und Vollziehung“ sei sinnwidrig, da die Revisionswerberin nicht Teil des Untersuchungsausschusses sei, sondern sie solle vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.

50Das Bundesverwaltungsgericht nenne als relevante Ausnahmebestimmung der COVID-19-NotMV auch die „Teilnahme an öffentlichen Sitzungen der allgemeinen Vertretungskörper“. Dabei übersehe das Bundesverwaltungsgericht, dass dieser Ausnahmegrund erst durch eine Novellierung Eingang in die COVID-19-NotMV gefunden habe und diese Änderung erst am und somit nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses am in Kraft getreten sei. Abgesehen davon sei eine Untersuchungsausschussbefragung keine öffentliche Sitzung eines (vollständigen) allgemeinen Vertretungskörpers.

51Die auf die § 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 12/2020, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2020, sowie auf § 15 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2020, gestützte COVID-19-NotMV, BGBl. II Nr. 479/2020, lautete - soweit hier relevant - am (dem in der nicht befolgten Ladung genannten Termin der Befragung der Revisionswerberin als Auskunftsperson) wie folgt:

Ausgangsregelung

§ 1. (1) Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und zur Verhinderung eines Zusammenbruchs der medizinischen Versorgung ist das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs nur zu folgenden Zwecken zulässig:

1.Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum,

2.Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten,

3.Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere [...]

4.berufliche Zwecke und Ausbildungszwecke, sofern dies erforderlich ist,

5.Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung,

6.zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen,

7.zur Teilnahme an gesetzlich vorgesehenen Wahlen und zum Gebrauch von gesetzlich vorgesehenen Instrumenten der direkten Demokratie,

8.zum Zweck des zulässigen Betretens von Kundenbereichen von Betriebsstätten gemäß den § 5, 7 und 8 sowie bestimmten Orten gemäß den § 9, 10 und 11, und

9.zur Teilnahme an Veranstaltungen gemäß den § 12 und 13.

[...]

Öffentliche Orte

§ 2. (1) Beim Betreten öffentlicher Orte im Freien ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.

(2) Beim Betreten öffentlicher Orte in geschlossenen Räumen ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

Massenbeförderungsmittel

§ 3. In Massenbeförderungsmitteln und den dazugehörigen U-Bahn-Stationen, Bahnsteigen, Haltestellen, Bahnhöfen und Flughäfen zuzüglich deren Verbindungsbauwerke ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten und eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Ist auf Grund der Anzahl der Fahrgäste sowie beim Ein- und Aussteigen die Einhaltung des Abstands von mindestens einem Meter nicht möglich, kann davon ausnahmsweise abgewichen werden.

Fahrgemeinschaften, Gelegenheitsverkehr, Seil- und Zahnradbahnen

§ 4. (1) Die gemeinsame Benützung von Kraftfahrzeugen durch Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ist nur zulässig, wenn in jeder Sitzreihe einschließlich dem Lenker nur zwei Personen befördert werden. Gleiches gilt auch für Taxis und taxiähnliche Betriebe sowie an Bord von Luftfahrzeugen, welche nicht als Massenbeförderungsmittel gelten. Zusätzlich ist eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

[...]

Arbeitsorte und Orte der beruflichen Tätigkeit

§ 6. (1) Beim Betreten von Arbeitsorten ist darauf zu achten, dass die berufliche Tätigkeit vorzugsweise außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll, sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Arbeitsverrichtung außerhalb der Arbeitsstätte ein Einvernehmen finden.

(2) Am Ort der beruflichen Tätigkeit ist zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, sofern nicht durch geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

(3) Kann der Abstand von mindestens einem Meter zwischen den Personen nicht eingehalten werden, ist eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen oder durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko zu minimieren, etwa durch technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen, wie das Bilden von festen Teams oder die Anbringung von Trennwänden oder Plexiglaswänden. Darüber hinaus können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer strengere Vereinbarungen zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung getroffen werden.

(4) Die Abs. 2 und 3 sind sinngemäß auf Fahrzeuge des Arbeitgebers anzuwenden, wenn diese zu beruflichen Zwecken verwendet werden.

[...]

Ausnahmen

§ 15. (1) Diese Verordnung gilt nicht für

[...]

3.Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung und Vollziehung mit Ausnahme des Parteienverkehrs in Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten, sofern keine anderslautenden Regelungen im Bereich der Hausordnung bestehen.

[...]“

52Der Revisionswerberin ist darin zu folgen, dass die Anreise zur Befragung durch den Untersuchungsausschuss nicht als Tätigkeit im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung (und Vollziehung) zu verstehen ist, die als solche nicht unter die COVID-19-NotMV fallen würde. Einem derartigen Verständnis steht schon entgegen, dass in § 1 Abs. 1 Z 6 COVID-19-NotMV das Verlassen des privaten Wohnbereichs ausdrücklich auch „zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen“ als zulässig erklärt wurde, was nicht erforderlich wäre, würde auch die Anreise zu einer Befragung als Zeuge etwa vor einer Verwaltungsbehörde oder vor Gericht als Tätigkeit im Wirkungsbereich der Organe der Vollziehung im Sinne des § 15 Abs. 1 Z 3 COVID-19-NotMV anzusehen sein.

53Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist jedoch das Verlassen ihres privaten Wohnbereichs zur Befolgung der Ladung des Untersuchungsausschusses als zum Zweck der Wahrnehmung eines unaufschiebbaren behördlichen Weges im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 6 COVID-19-NotMV anzusehen.

54Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, ob ein Weg „unaufschiebbar“ im Sinne dieser Bestimmung ist, aus dem Blickwinkel der betroffenen Person zu erfolgen hat: kann sie selbst festlegen, wann sie den behördlichen oder gerichtlichen Termin wahrnimmt, zum Beispiel wenn es um die Beantragung eines nicht kurzfristig benötigten Reisepasses geht, so ist der Weg nicht unaufschiebbar. Wurde der Termin hingegen in einer Ladung festgelegt, liegt es in der Regel nicht in der Gestaltungsmacht der geladenen Person, diesen Termin zu verschieben, insbesondere wenn es Verfahren betrifft, an denen mehrere Parteien oder amtliche Organe teilzunehmen haben. Dass die geladene Person gehalten wäre, erst nach einer erfolglosen Vertagungsbitte von einem „unaufschiebbaren“ Weg auszugehen, kann der COVID-19-NotMV nicht entnommen werden. Wurde durch Zustellung der Ladung wie im vorliegenden Fall daher die Pflicht ausgelöst, zu einem bestimmten in der Ladung genannten Termin vor dem Untersuchungsausschuss zu erscheinen, so liegt jedenfalls ein „unaufschiebbarer Weg“ vor.

55Soweit die Revisionswerberin meint, dass der Untersuchungsausschuss weder eine Behörde noch ein Gericht sei, sodass der Ausnahmegrund für das Verlassen ihres privaten Wohnbereichs nach § 1 Abs. 1 Z 6 COVID-19-NotMV nicht zum Tragen komme, ist ihr einzuräumen, dass es sich beim Untersuchungsausschuss nicht um eine Verwaltungsbehörde (und auch nicht um ein Gericht) handelt, sondern um ein parlamentarisches Kontrollorgan, das organisatorisch und funktionell der gesetzgebenden Gewalt - in Abgrenzung zur Verwaltung - zuzuordnen ist (siehe dazu bereits oben Rn. 13). Dem Untersuchungsausschuss kommt jedoch die Befugnis zu, Auskunftspersonen zu laden, womit für die betroffenen Personen die Rechtspflicht ausgelöst wird, dieser Ladung Folge zu leisten und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten (§ 33 Abs. 1 VO-UA). Die Nichtbefolgung der Ladung ohne genügende Entschuldigung kann auf Antrag des Untersuchungsausschusses mit der Verhängung einer Beugestrafe sanktioniert werden und auch zu einer neuerlichen Ladung unter Androhung der Vorführung (§ 36 Abs. 2 erster Satz VO-UA) führen. Schließlich kann der Untersuchungsausschuss die Vorführung nach § 36 Abs. 2 zweiter Satz VO-UA beschließen und damit unmittelbar ein Zwangsmittel verhängen (vgl. die Erläuterungen zu § 55 VO-UA im Initiativantrag 719/A BlgNR 25. GP, S. 38). Der Untersuchungsausschuss wird daher bei der Ladung von Auskunftspersonen zwar nicht als Verwaltungsbehörde, aber hoheitlich (und in diesem Sinne „behördlich“) tätig.

56Die Ausnahmebestimmungen in § 1 COVID-19-NotMV sollen sicherstellen, dass der private Wohnbereich zu gewissen Mindestvoraussetzungen verlassen werden darf (vgl. die Erläuterungen zum Initiativantrag, mit dem § 5 COVID-MG die hier maßgebliche Fassung erhielt: 826/A BlgNR 27. GP, S. 11). Die Ausnahme für die Wahrnehmung unaufschiebbarer behördlicher und gerichtlicher Wege trägt nicht nur dazu bei, dass Verwaltung und Rechtspflege auch unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie im Wesentlichen funktionsfähig bleiben können, sondern vermeidet auch Pflichtenkollisionen, wie sie sich etwa aus behördlichen und gerichtlichen Ladungen ergeben könnten, wenn den geladenen Personen zugleich nicht erlaubt wäre, ihren privaten Wohnbereich zur Befolgung der Ladung zu verlassen.

57Diese Überlegungen gelten gleichermaßen für Ladungen eines Untersuchungsausschusses; auch hier muss der weiterhin zeitlich befristete Untersuchungsausschuss in der Lage sein, Auskunftspersonen zu laden, ohne damit die geladenen Personen in eine Situation zu bringen, in denen sie aufgrund der COVID-19-NotMV ihren Wohnbereich zur Befolgung der Ladung nicht verlassen dürften. Bei verständiger Würdigung kann daher dem Verordnungsgesetzgeber, der ohne nähere Differenzierung auf die „Wahrnehmung von behördlichen und gerichtlichen Wegen“ (und damit insbesondere nicht allein auf „verwaltungsbehördliche Wege“) abstellt, nicht zugesonnen werden, dass er das Verlassen des privaten Wohnbereichs zum Zweck der Befolgung der Ladung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nicht unter diesem Ausnahmetatbestand erfassen wollte, zumal auch diese Ladungen hoheitlich ergehen und bei ihrer Nichtbefolgung Rechtsfolgen bis hin (im Wiederholungsfall) zur Vorführung auslösen können. Im Übrigen legt die Revisionswerberin - die die Befolgung der Ladung aus anderen, wie oben dargelegt nicht triftigen Gründen verweigerte - auch nicht dar, dass sie Zweifel gehabt hätte, ob sie zum Zweck der Befolgung der Ladung ihren privaten Wohnbereich hätte verlassen dürfen oder dass sie dazu eine Auskunft bei der zuständigen Behörde eingeholt hätte.

58Die zum hier relevanten Zeitpunkt, dem in der Ladung genannten Termin für die Befragung der Revisionswerberin vor dem Untersuchungsausschuss, geltende Fassung der COVID-19-NotMV stand daher aufgrund der in § 1 Abs. 1 Z 6 leg. cit. enthaltenen Ausnahme dem Verlassen des privaten Wohnbereichs zum Zweck der Befolgung der Ladung des Untersuchungsausschusses nicht entgegen.

Zur ergänzenden Stellungnahme der Revisionswerberin

59Die Revisionswerberin hat mit einer ergänzenden Stellungnahme vom auf die Umstände ihrer schließlich am erfolgten Befragung durch den Untersuchungsausschuss hingewiesen und insbesondere darauf verwiesen, dass diese Befragung in einem separaten Raum, getrennt von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses (allerdings gemeinsam mit ihrer Vertrauensperson, dem Verfahrensanwalt, dessen Stellvertreterin und einem Mitarbeiter der Parlamentsdirektion) stattgefunden habe. Sie meint, diese Vorgangsweise sei angesichts ihrer Bereitschaft, per Videokonferenz von ihrem Wohnort aus „zur Verfügung zu stehen, rechtlich geradezu absurd“ und zeige, dass es rechtswidrig sei, eine Beugestrafe über sie zu verhängen.

Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass es zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine Auskunftsperson einer Ladung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA ohne genügende Entschuldigung nicht Folge geleistet hat, darauf ankommt, ob - wie bereits in Rn. 38 ausgeführt - zwingende Gründe für das Nichterscheinen gerade an dem in der Ladung angegebenen Tag vorgelegen haben. Auf Umstände, die erst nach diesem Termin eintreten, kommt es daher nicht an, sodass das Vorbringen in der ergänzenden Stellungnahme schon aus diesem Grunde ins Leere geht.

Ergebnis

60Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030001.L00

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