VwGH vom 30.09.2011, 2011/11/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des G H in W, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Gardegasse 2/5, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertreten durch Foidl Trappmaier Rechtsanwälte in 1030 Wien, Ungargasse 53) vom , Zl. B 222/10-26/110223, Arzt Nr. 18831, betreffend Beitrag zum Wohlfahrtsfonds für 2009, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom setzte der Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien den Beitrag des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 2009 mit EUR 6.574,12 fest.
Begründend wurde ausgeführt, der Fondsbeitrag des Beschwerdeführers sei nach folgender Formel zu berechnen:
Jahresbruttogrundgehalt - anteilige Werbungskosten + Gewinn + Beiträge für 2006. Im Falle des Beschwerdeführers ergäbe sich als Bemessungsgrundlage EUR 26.883,60 - 6.839,19 + 12.006,78 + 9.557,17 = EUR 41.608,36. 15,8 % der Bemessungsgrundlage ergäben EUR 6.574,12.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde (Berufung) geltend gemacht habe, bei der von ihm ausgeübten Lehrtätigkeit, hauptsächlich auf dem Gebiet der Osteopathie, handle es sich um keine ärztliche Tätigkeit, weshalb das daraus bezogene Einkommen nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden dürfe, sei ihm zu entgegnen, dass Vortragstätigkeit dann als ärztliche Tätigkeit zu qualifizieren sei, wenn der Vortrag auf medizinischwissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und die Tätigkeit im Interesse der Gesunderhaltung, Krankheitsverhütung, Besserung oder Heilung von Menschen erfolgt. Der Beschwerdeführer sei laut Ärzteliste der Schule für Osteopathie, an der er unterrichte, als Arzt für Allgemeine Medizin und Osteopath eingetragen. Sofern ein Arzt als Osteopath tätig werde, handle er dabei im Interesse der Gesunderhaltung, Krankheitsverhütung, Besserung oder Heilung von Menschen. Diese Tätigkeit sei daher als ärztliche Tätigkeit zu werten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des ÄrzteG 1998 lauten (auszugsweise):
"§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate sowie eine ärztliche Tätigkeit im Bereich einer anderen Ärztekammer oder im Ausland auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften (§ 68 Abs. 4 letzter Satz) gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.
(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie auf die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen. Die Höhe der Beiträge kann betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden. Als Bemessungsgrundlage können die Einnahmen, die Einkünfte oder beides herangezogen werden. Näheres ist in der Beitragsordnung zu regeln.
(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher oder zahnärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.
…"
1.2. Die einschlägigen Bestimmungen der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien lauten (auszugsweise):
"I. Fondsbeitrag
(1) Der Fondsbeitrag beträgt, soweit in dieser Beitragsordnung nicht anders festgelegt, 15,8 v.H. der Bemessungsgrundlage.
(2) Bei Fondsmitgliedern, die den ärztlichen Beruf ausschließlich im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ausüben, besteht die jährliche Bemessungsgrundlage aus der Summe der monatlichen Bruttogrundgehältern abzüglich der anteilig darauf entfallenden Werbungskosten. Der monatliche Bruttogrundgehalt ist der am Monatsgehaltszettel ausgewiesene Grundgehalt. Sofern die Gehaltszettel nicht oder nicht vollständig und zeitgerecht gemäß Abschnitt IV Abs. 5 übermittelt werden, erfolgt die Ermittlung des Bruttogrundgehalts aus dem Lohnzettel wie folgt: Bruttobezüge (Pos. 210) minus steuerfreie Bezüge (Pos. 215) minus sonstige Bezüge vor Abzug der SV-Beiträge (Pos. 220). Hiezu kommen Einkünfte (Anteile) aus der Behandlung von Pfleglingen der Sonderklasse einschließlich ambulanter Behandlung. Ferner sind die jährlich entrichteten Fondsbeiträge, die Beiträge für die Krankenunterstützung und die Beiträge für die Todesfallbeihilfe hinzuzurechnen.
(3) Bei allen übrigen Fondsmitgliedern ist Bemessungsgrundlage der Überschuß aus der selbständigen ärztlichen Tätigkeit, ermittelt nach den Bestimmungen des EStG 1988. Die Einkommen bzw. Lohnsteuer ist bei der Ermittlung des Überschusses nicht zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung des Überschusses sind jedenfalls die Einnahmen und Ausgaben aus der selbständigen ärztlichen Tätigkeit sowie jene aus der Behandlung von Pfleglingen der Sonderklasse einschließlich ambulanter Behandlung zu berücksichtigen. Zum Überschuß gehören auch Gewinnanteile aus Gruppenpraxen und Gewinnanteile aus Gesellschaften, deren Geschäftszweck nur unter der verantwortlichen Leitung eines zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arztes verwirklicht werden kann. Ferner sind die jährlich entrichteten Fondsbeiträge, die Beiträge für die Krankenunterstützung und die Beiträge für die Todesfallbeihilfe hinzuzurechnen.
(4) Wird der ärztliche Beruf gleichzeitig selbständig und unselbständig ausgeübt, sind die Bemessungsgrundlagen gemäß Abs. 2 und 3 zusammenzurechnen.
(5) Der Fondsbeitrag beträgt höchstens EUR 25.435,49 im Jahr. Auf die Bestimmung des § 109 Abs. 3 ÄG ist Bedacht zu nehmen.
…"
2. Die Beschwerde ist begründet.
2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0139, zur Frage, inwieweit Lehrtätigkeit eines Arztes für Zwecke der Ermittlung der Bemessungsgrundlage als ärztliche Tätigkeit zu qualifizieren ist, Folgendes ausgeführt:
"Aus der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lehre und Forschung auf medizinischen Gebieten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/11/0121, vom , Zl. 99/11/0280, und vom , Zl. 2003/11/0275) ist für den vorliegenden Fall schon deshalb nichts zu gewinnen, weil diesen Beschwerdefällen jeweils Lehr- bzw. Forschungstätigkeiten im klinischen Bereich (an Universitätskliniken bzw. in klinischen Fächern) zugrunde lagen. Universitätskliniken sind, worauf der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die einschlägigen Bestimmungen des damals maßgebenden UOG im erstzitierten Erkenntnis hingewiesen hat, jene Institute der Medizinischen Fakultäten, in denen im Rahmen einer Krankenanstalt auch ärztliche Leistungen unmittelbar am Menschen erbracht werden.
Damit nicht vergleichbar ist der vorliegende Beschwerdefall, in dem der Beschwerdeführer seine hauptsächliche Tätigkeit dahin beschrieben hat, dass er außerhalb einer Universitätsklinik Vorlesungen über medizinische Chemie und Biochemie, biochemische Laborkurse, Prüfungen aus Medizinischer Chemie und Biochemie abhalte und Forschung und Verwaltungstätigkeit wie die des Beauftragten für den nichtmedizinischen Strahlenschutz erbringe. Nach seinem Vorbringen sei dafür eine fachärztliche Ausbildung nicht erforderlich, auch Kollegen mit naturwissenschaftlicher Ausbildung übten die gleichen Tätigkeiten aus. Diesen Behauptungen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht entgegen getreten. Dennoch hat sie, wie eingangs dargestellt, in rechtlicher Hinsicht die Auffassung vertreten, dass die vom Beschwerdeführer genannten Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt würden und hat diese deshalb als ärztliche Tätigkeiten angesehen.
Diese Auffassung wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Der Gesetzgeber hat nämlich ärztliche Tätigkeiten in § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998 nicht nur verbal umschrieben, sondern auch demonstrativ aufgezählt. Zu den ärztlichen Tätigkeiten sind daher nur die in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 ÄrzteG 1998 genannten und die damit vergleichbaren Tätigkeiten zu zählen. Eine solche vergleichbare Tätigkeit läge in den Beschwerdefällen bei Zutreffen des Beschwerdevorbringens zur Lehrtätigkeit betreffend medizinische Chemie und Biochemie, die kein klinisches Fach betrifft, jedenfalls nicht vor. Sollte der Beschwerdeführer weder an einer Universitätsklinik noch an einem Klinischen Institut unterrichten, könnte auch unter Berufung auf § 62 Abs. 1 UOG 1993 keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die in Rede stehende Lehr- bzw. Forschungstätigkeit des Beschwerdeführers typischerweise mit der Erbringung ärztlicher Leistungen unmittelbar oder mittelbar am Menschen verbunden wäre."
Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid, der keine näheren Feststellungen über die Art der Vortrags- bzw. Lehrtätigkeit des Beschwerdeführers, der in der Beschwerde ausführt, dass das von ihm gelehrte Fach "Osteopathie" auch von Nichtärzten gelehrt und praktiziert wurde, enthält, bereits als mit einem auf Verkennung der Rechtslage beruhenden Verfahrensmangel behaftet.
2.2. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht überdies in Ansehung der Frage, ob die erstinstanzliche Erledigung des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds als Bescheid zu qualifizieren sind, jenen, über welche bereits mit den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2006/11/0058, und Zl. 2006/11/0108, und - was den Hinweis auf § 230 Abs. 7 ÄrzteG 1998 in der Fassung der 14. Ärztegesetz-Novelle durch die belangte Behörde anlangt - jenen, über welche mit den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 2008/11/0054, sowie vom , Zl. 2008/11/0006, entschieden wurde. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf diese Erkenntnisse hinzuweisen.
2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen, weil sich die Berufung des Beschwerdeführers gegen eine Erledigung richtete, die keinen Bescheid darstellt, und demnach unzulässig war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen (prävalierender) Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-88203