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VwGH vom 18.09.2012, 2011/11/0063

VwGH vom 18.09.2012, 2011/11/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der C M in S, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/28, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. 41.550/804- 9/09, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzten.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass mit (Berufungs)Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin mit gemäß § 3 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) mit 70 vH. (neu) festgesetzt wurde. Dem Gutachten eines Amtssachverständigen für Medizin des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom , dessen Beilage einen Bestandteil der Begründung des Bescheides bilde, sei, so die Begründung, Folgendes zu entnehmen gewesen:

"Rezidivierende Migräne mit Übelkeit und Erbrechen, chronisch rezidivierende Unterbauchbeschwerden in Form von Adnexitiden, chronische Bronchitis obstruktiven Charakters, chronische Gastritis, intermittierende Harnwegsinfekte und thoracovertebragenes Schmerzsyndrom sind hier (auch) als Psychosomatosen über den bloßen Tatbestand von organischen Krankheiten hinaus zu bewerten.

Jedenfalls sind Migräne und Adnexitiden um je 10% Grad der Behinderung höher als bisher einzuschätzen. Die psychovegetative Dystonie mit Ohnmachtsneigung sowie die larvierte depressive Störung mit höhergradiger Konversionsneigung und Erschöpfungszeichen fanden meines Erachtens bislang keine adäquate

Berücksichtigung und können so (im Sinne der allgemeinen Einschätzungsrichtlinien) als "seelische Begleiterscheinungen entsprechend der allgemein ärztlichen Erfahrung hinsichtlich Auswirkung bei der Einschätzung des Leidenszustandes" nun hinreichend einbezogen werden.

Im Zusammenwirken der genannten Leiden ergibt sich, daß die führenden Leiden (Adnexitiden, nunmehr 50%, Migräne 30%, Spondylose 30%) durch die übrigen Beeinträchtigungen gegenseitig so ungünstig beeinflusst werden, sodaß eine um zwei Stufen erhöhte Einschätzung über der höchsten Einzeleinstufung sinnvoll wird und gerechtfertigt ist.

Die im Bescheid des Bundessozialamtes vom getroffene Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung von 60% ist…neu mit 70% festzusetzen."

Mit Bescheid des Bundessozialamtes (Landesstelle Niederösterreich) vom wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung gemäß §§ 3 und 14 Abs. 2 BEinstG abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung weiterhin 70 vH. betrage.

Begründend wurde ausgeführt, nach dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom ergebe sich folgende Einschätzung der Gesundheitsschädigung nach festgesetzten Richtsätzen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"Lfd. Nr.
Art der Gesundheitsschädigung
Position in Richtsätzen
Grad der Behinderung
1/
Chronisch rezidivierende Eierstockentzündungen nach 3x-iger laparaskopischer Intervention, Belastungsinkontinenz Oberer Rahmensatz, da weiterhin vorliegendes, glaubhaft geschildertes Beschwerdebild.
g.Z. 707
50%
2/
Migraine Oberer Rahmensatz, da deutliche Beeinträchtigung jedoch mit herkömmlichen Analgetika gut behandelbar.
561
30%
3/
Länger dauernd depressive Reaktion mit Somatisierungstendenz und konversionsneurotischen Zeichen 3 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da eine deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität und führung und da eine regelmäßige Betreuung durch den niedergelassenen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie vorhanden ist.
g.Z. 585
30%
4/
Abnützungsbedingte Veränderung der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da glaubhafte Beschwerden, skoliotische Fehlhaltungen und radiologische Beweise vorliegen.
190
30%
5/
Chronische Bronchitis Oberer Rahmensatz, da rezidivierendes Auftreten.
283
20%

…"

Die im Zusammenwirken der oben angeführten Gesundheitsschädigungen verursachte Funktionsbeeinträchtigung betrage 70 v.H. Der führende Grad der Behinderung unter laufender Nr. 1 werde um zwei Stufen erhöht, da bei Überlagerung zwischen GdB 2 und 3 zwischen Leiden 1 und diese beiden Leiden und durch Leiden 4 eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe, welche die Erhöhung um zwei Stufen rechtfertige. Von einer weiteren Erhöhung durch Leiden 5 sei jedoch nicht auszugehen, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliege.

Weitere Gesundheitsschädigungen wie die Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes - Gebrauchsarm (Richtsatzposition 28, 10%, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da geringe Defizite) oder rezidivierende Gastritiden (Richtsatzposition 347, 10%, eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da schon lange vorhanden) würden auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit nunmehr im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom wurde der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin gemäß §§ 2 Abs. 1, 3, 14 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 12 sowie 27 Abs. 1 des BEinstG mit 60 vH. neu festgesetzt.

Begründend wurde ausgeführt, in den eingeholten Gutachten Dris. B, eines Amtssachverständigen für Medizin, Fachrichtung Urologie, Dris. S, eines Amtssachverständigen für Medizin, Fachrichtung Neurologie, und Dris. Ba, einer Amtssachversändigen für Medizin, Fachrichtung Innere Medizin, werde Folgendes festgestellt:

"


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr.
Art der Gesundheitsschädigung
Position in Richtsätzen
Grad der Behinderung
1
Zustand nach mehrfachen Eierstockentzündungen nach lapraskopischen Interventionen
g.Z. 707
30%
2
Belastungsinkontinenz Grad 1-11 (wohl gemeint I-II)
g.z. 251
30%
3
Depressives Syndrom
585
30%
4
Kopfschmerzen vom migränoiden Typ
561
30%
5
Abnützungsbedingte Veränderung der Wirbelsäule
190
30%
6
Chronische Bronchitis
283
20%
7
Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes (Gebrauchsarm)
28
10%
8
Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes (Gegenarm)
28
10%
9
Rezidivierende Gastritiden
347
10%
Gesamtgrad der Behinderung
60 %

Begründung)

Zu 1) Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da

aktuelle Rezidive nicht belegt.

Zu 2) Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mit

chronischen Harnwegsinfektionen vergesellschaftet.

Zu 3) Drei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da laufende Therapie.

Zu 4) Oberer Rahmensatz, da schwer coupierbar.

Zu 5) Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da

skoliotische Fehlhaltung und mäßige Funktionseinschränkung

nachweisbar.

Zu 6) Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da

rezidivierendes Auftreten.

Zu 7) Wahl dieser Position mit einer Stufe über dem unteren

Rahmensatz, da geringes Defizit.

Zu 8) Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da

nachgewiesene Funktionsstörung.

Zu 9) Wahl dieser Position mit einer Stufe über dem unteren

Rahmensatz, da länger bestehendes Leiden, jedoch keine

Ernährungsstörung nachweisbar.

Zu Gesamtgrad der Behinderung) Der Gesamt-GdB beträgt somit 60 v. H. (sechzig). Der führende GdB 1 wird durch die Leiden unter Nr. 3 - 5 um drei Stufen erhöht, da eine ungünstige, wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Das Leiden unter Nr. 2 erhöht nicht weiter, da Leidensüberschneidung mit Leiden 1. Leiden 6 erhöht ebenfalls nicht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken besteht. Bei den Leiden unter Nr. 7 - 9 handelt es sich um

Gesundheitsschädigungen mit einem GdB von weniger als 20

v. H., die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentlichen Funktionsbehinderungen verursachen. Der Gesamt-GdB ist ab anzunehmen.

Die rezidivierenden Entzündungen wurden nach der Position 707 mit dem unteren Rahmensatz eingestuft, da aktuelle Rezidive nicht belegt wurden. Die letzte Operation fand vor ca. 10 Jahren statt (laut Anamnese). Die Harninkontinenz wurde in der heutigen Begutachtung separat eingestuft. Eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Harninkontinenz ist nicht gegeben, da dieser Grad der Inkontinenz mit Vorlagen kompensierbar ist. Die Angaben bezüglich der neurologischen Beschwerden sind, soweit neurologisch-psychiatrisch bedingt, in der eigenen Beurteilung inkludiert. Die arterielle Hypertonie wird derzeit mit Monotherapie eingestellt. Endorganschäden sind nicht fassbar - daher auch keine Einschätzung nach Richtsätzen. Frau M. wiegt dzt. 89 kg bei 176 cm Körpergröße. Es handelt sich nicht um eine krankhafte Fettsucht. Daher ist auch eine Einschätzung nach Richtsätzen nicht erforderlich. Bei dem Arbeitsunfall am handelt es sich um "Contusio columnae vertebralislumb., Distorsio artic. talocrur. dex." Behandlungen:

,;Schonung, kühle Umschläge, Hochlagerung, Rezept für Parkemed Tabl. ausgestellt". "Nicht wiederbestellt". Es liegen keine Befunde vor, die eine Dauerschädigung bestätigen. Auch bei der Untersuchung am konnten solche nicht festgestellt werden.

Stellungnahme zu den in 1. Instanz vorgelegten Befunden:

Vorläufiger Patientenbrief vom und Bestätigung vom wurden im Gutachten berücksichtigt. Urologischerseits - "Hierbei Einstufung der Harninkontinenz als Nebendiagnose. Nähere Angaben über dem Grad der Inkontinenz nicht vorliegend". Befund Hartmannspital 7/08: Depressio - im Gutachten inkludiert. Fachärztlicher Befundbericht 2/09, Diagnose Depressio, Cephalea, Migräne - im Gutachten berücksichtigt.

Stellungnahme zu den in 2. Instanz vorgelegten Befunden:

Entlassungsbericht KH Tulln vom , Befund des Unfall KH Meidling vom , Protokoll Befund Dris. D vom , Auflistung der Krankenstände - wurden gelesen und im Gutachten berücksichtigt. LK Tulln/Interne: akute Belastungsreaktion, schwere chronische Depression - in Leiden 3 berücksichtigt. Protokoll über AV-Meeting vom : die schwierige Situation wird diskutiert, wurde eingesehen Befund Dr. D vom , Depression, Isomnie - in Leiden 3 berücksichtigt. Gegenüber dem Vergleichsgutachten wurde das Eierstockleiden nach der Pos. 707 mit dem unteren Rahmensatz eingestuft. Die Harninkontinenz wurde separat eingestuft. Neurologischerseits ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Gegenüber dem Gutachten erster Instanz ergibt sich zusammenfassend eine abweichende Beurteilung. Die Harninkontinenz wurde separat nach der Position g. Z. 251 mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz eingestuft. Dadurch ergibt sich aber keine abweichende Beurteilung des Gesamt-GdB."

Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden.

Mit Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin unter Vorlage medizinscher Beweismittel vorgebracht, dass sich ihr Gesundheitszustand nachweislich verschlechtert habe. Sie sei mittlerweile arbeitsunfähig. Weiters sei das Pflegegeld erhöht worden. Ihre Unterleibsentzündungen würden ständig vom Facharzt kontrolliert und mit Antibiotika behandelt werden. An ihrem Arbeitsplatz sei sie ständigem Mobbing und Bossing ausgesetzt gewesen. Sie habe einen schweren Unfall gehabt und leide seither an starken Schmerzen überwiegend im Lendenwirbelsäulenbereich.

Diese Stellungnahme, die neu vorgelegten Unterlagen sowie das vorliegende Aktenmaterial seien Dr. R, einem Amtssachverständigen für Medizin, Fachrichtung Innere Medizin, zur Überprüfung vorgelegt worden.

In der medizinischen Stellungnahme Dris. R vom seien die Einwendungen der Berufungswerberin wie folgt beurteilt worden:

"Letzte Einstufung ho. im Rahmen des BBK-Gutachtens am , Gesamt-GdB 60 v.H.

Folgende Befunden werden der Stellungnahme beigelegt:

Vorläufiger Patientenbrief über einen stat. KH-Aufenthalt vom 7.- im Hartmannspital - Behandlungskarte der Physiotherapie im Hartmannspital über die durchgeführten Therapien - Befundberichte der FÄA f. Orthopädie Dr. S, Dr. D vom und - Aufenthaltsbestätigung bzw. Befundbericht des St. Joseph KH über Behandlungen vom 10.3.-23.3. und am - Aufenthaltsbestätigung und Patientenbrief vom Hartmannspital über einen Aufenthalt vom 7.- - Befundbericht der FA f. Neurologie Dr. D vom - Zeitbestätigung über eine Behandlung der Psychosozialen Familienberatung Floridsdorf vom Befundbericht über den KH-Aufenthalt im Hartmannspital vom 7.- mit Einschluss eines psycholog. Befundes vom

Die zitierten Befundberichte belegen die Diagnose einer rez. depressiven Störung (ohne psychotische Symptome), eines chronischen Cervicalsyndroms, einer chronischen Lumbalgie, eines alten Deckplatteneinbruchs des 8. BWK, eines Fibromyalgiesyndroms, eines nicht therapiebedürftigen Asthma bronchiale, einer labilen arteriellen Hypertonie, einer Harninkontinenz und einer Adipositas.

Alle angeführten Gesundheitsschädigungen sind durch die im BBK-Gutachten vom getroffenen Einschätzung ausreichend berücksichtigt, insbesondere auch das depressive Syndrom mit einer Einstufung von 30%, die degenerativen WS-Veränderungen mit einer Einschätzung von 30% und der Zustand nach mehrfachen Eierstockentzündungen mit einer Einstufung von 30%. Befunde, die bezüglich dieser Gesundheitsschädigung eine höhere Einschätzung rechtfertigen liegen nicht vor. Die Einwendungen der BW und die neu vorgelegten Unterlagen bewirken jedenfalls keine Änderung am Ergebnis des Ermittlungsverfahrens."

Mit Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband (KOBV) für Wien, Niederösterreich und Burgenland, ihre bisherigen Einwendungen aufrecht erhalten.

Nach Darstellung der maßgebenden Vorschriften des BEinstG führte die Bundesberufungskommission aus, die eingeholten Sachverständigengutachten seien schlüssig, nachvollziehbar und wiesen keine Widersprüche auf. Ihrem Inhalt sei die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. In den Gutachten sei auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen worden, wobei die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befunden, den festgestellten Funktionseinschränkungen entsprächen. Alle einschätzungsrelevanten Aspekte seien berücksichtigt worden. Die vorgelegten Befunde dokumentierten keine neuen, bis dato unberücksichtigt gebliebenen -

einschätzungsrelevanten - Aspekte. Auch werde kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als anlässlich der Untersuchungen ermittelt worden sei. Die Angaben der Beschwerdeführerin hätten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde:

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die maßgebenden Bestimmungen des BEinstG (idF des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010) lauten (auszugsweise):

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. … .

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

Übergangsbestimmungen

§ 27. (1) In am noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Dies gilt bis auch für Verfahren nach § 14, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem über die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgesprochen wurde oder ein rechtskräftiger Bescheid nach den Bestimmungen der §§ 40ff des Bundesbehindertengesetzes vorliegt.

…"

1.2. Da das Verfahren im Beschwerdefall am noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, ist der Grad der Behinderung auf Grund der gemäß § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957), BGBl. Nr. 152/1957, ergangenen Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150/1965, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und den in der Anlage zu dieser Verordnung enthaltenen Ansätzen einzuschätzen, welche (auszugsweise) wie folgt lauten:

"Anlage

Richtsätze

für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit

(MdE.) gemäß § 7 KOVG.

ABSCHNITT I

Chirurgische und orthopädische Krankheiten

f) Wirbelsäule:

190. Veränderungen der Wirbelsäule (posttraumatisch,

entzündlich, degenerativ) mit röntgenologisch

nachweisbaren geringgradigen Veränderungen und geringgradiger

Funktionseinschränkung …………….............. 20-30

ABSCHNITT II

Urologische Krankheiten

b) Harnblase und Harnröhre:

Blasenverletzung:

251. Mit nur gelegentlicher oder leichter Inkontinenz

(imperativer Harndrang) ........... 20-40

ABSCHNITT III

Innere Krankheiten

a) Bronchien und Lunge (unspezifische Erkrankungen und

Verletzungen):

Chronische Bronchitis:

283. Leichte chronische Bronchitis ohne cardiopulmonale

Funktionsstörung .................. 0-20

ABSCHNITT IV

Nervenkrankheiten

s) Gefäßerkrankungen:

Migräne:

561. Leichtere Anfälle von kurzer Dauer je nach Häufigkeit

........................................ 10-30

ABSCHNITT V

Geisteskrankheiten

e) Psychosen des manisch-depressiven und schizophrenen

Formenkreises einschließlich der Paranoia sowie der in den letzten

Jahren vorläufig als "bionegativer Persönlichkeitswandel'',

"Entwurzelungsdepression'' usw. bezeichneten Zustandsbilder:

585. Defektzustände nach akuten Schüben ................ 0-100

ABSCHNITT X

Frauenkrankheiten

a) Entzündungen:

Chronische Entzündung der Eileiter und Eierstöcke

(entzündlicher Adnextumor):

707. Je nach Ausdehnung und Entzündungsgrad ............ 30-50

…"


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2.
Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken dagegen hegt, dass in den von der belangten Behörde verwerteten Gutachten eine getrennte Einschätzung und Bewertung der Leiden Nr. 1 und Nr. 2 erfolgte. Die Einschätzung des führenden Leidens im Gutachten vom auf 50% erfolgte nicht unmittelbar im Zusammenwirken mit der Belastungsinkontinenz, sondern es wurden die Adnexitiden damals als chronisch rezidivierend eingestuft, wohingegen sie in den nunmehr eingeholten Gutachten nicht mehr als rezidivierend eingestuft werden. Das daraus resultierende geringere Behinderungsausmaß beim Zusammenwirken der Leiden Nr. 1 und 2 wurde von der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht konkret bestritten.

2.2. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, ein konkretes sich mit der Inkontinenzproblematik auseinandersetzendes Sachverständigengutachten sei nicht eingeholt worden und die Schwere der Inkontinenz sei trotz berechtigter Einwände nicht noch einmal objektiviert worden, so ist ihr zu entgegnen, dass sie nach der Aktenlage am durch Dr. B, einen Amtssachverständigen für Medizin, Fachrichtung Urologie, untersucht wurde. Dessen Gutachten wurde der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt. Zudem wurde die Belastungsinkontinenz als eigenständige Gesundheitsschädigung separat eingestuft.

In ihrer Stellungnahme vom hat die Beschwerdeführerin keine Einwände gegen das genannte Gutachten vorgebracht, sie hat auch im weiteren Verwaltungsverfahren keine neue Befunde vorgelegt, die eine höhere Einschätzung rechtfertigen würden. Die in der Beschwerde angeführte Prüfung der Unzumutbarkeit oder Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht Gegenstand eines Verfahrens auf (Neu)Festsetzung des Grades der Behinderung.

Der Beschwerde gelingt es sohin durch ihre Ausführungen nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

2.3. Mit ihrem Vorbringen, die belangte Behörde hätte aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin (unter Vorlage medizinischer Beweismittel im Verwaltungsverfahren), ihr Gesundheitszustand habe sich nachweislich verschlechtert, sie sei mittlerweile arbeitsunfähig, das Pflegegeld sei erhöht worden und ihre Unterleibsentzündungen würden ständig vom Facharzt kontrolliert und mit Antibiotika behandelt werden, erneut die entsprechenden Fachärzte mit einer weiteren Begutachtung beauftragen müssen, zeigt sie ebenfalls keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Die Beschwerde behauptet nicht einmal konkret, dass die von ihr vorgelegten medizinischen Befunde von Dr. Ba, einer Amtssachverständigen für Medizin, Fachrichtung Innere Medizin, unrichtig oder unzureichend berücksichtigt worden wären.

Die Beschwerdeführerin hatte außerdem im Verwaltungsverfahren die Gelegenheit, die von der belangten Behörde verwerteten, ausführlich begründeten gutachterlichen Ausführungen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gutachten zu widerlegen. Dies hat sie jedoch unterlassen. Weder auf Grund der Beschwerdeausführungen noch sonst vor dem Hintergrund des Inhaltes der Verwaltungsakten ist es vom Verwaltungsgerichtshof zu beanstanden, wenn sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf diese amtsärztlichen Sachverständigengutachten gestützt hat.

2.4. Sofern die Beschwerdeführerin schließlich einen Verfahrensmangel darin erblicken will, dass zwar ein Facharzt für Neurologie, aber kein Facharzt für Psychiatrie beigezogen worden sei, genügt der Hinweis, dass Dr. S als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in die Gerichtssachverständigenliste des Bundesministeriums für Justiz eingetragen ist. Dass im angefochtenen Bescheid nur die Fachrichtung Neurologie angeführt ist, vermag daran nichts zu ändern.

Der von der Beschwerdeführerin behauptete Verfahrensmangel liegt sohin auch in dieser Hinsicht nicht vor.

2.5. Die sich aus diesen Erwägungen als unbegründet erweisende Beschwerde demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am