VwGH vom 23.08.2012, 2009/05/0332
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der E D in W, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-290/09, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (weitere Partei:
Wiener Landesregierung, mitbeteiligte Partei: W GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Clemens Gärner, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Mit erstinstanzlichem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37) vom wurde der mitbeteiligten Partei unter anderem die Bewilligung erteilt, auf einer näher bezeichneten Liegenschaft "gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) (…) nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen und der Baubeschreibung, ein cirka 1.265 m2 großes Konzerthaus (…) zu errichten".
Begründend führte die Behörde aus, auf dem gegenständlichen Gelände gälten die Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes des Wiener Gemeinderates (Plandokument 7053) vom . Dieses Plandokument weise im Bereich des zu errichtenden Konzertsaales "Grünland-Parkschutzgebiet" sowie eine Schutzzone aus. An der zu bebauenden Stelle lägen Grenzlinien und Straßenfluchtlinien vor, innerhalb derer die Errichtung von Gebäuden im Zusammenhang mit religiösen, kulturellen oder sozialen Zwecken zulässig sei, wobei die maximal zulässige Gebäudehöhe 5,00 m betrage und maximal 30 % dieser Teilfläche bebaut werden dürfe. Diesen Vorgaben entspreche das Bauvorhaben.
In der dagegen erhobenen Berufung erachtete sich die Beschwerdeführerin, welche als Miteigentümerin einer benachbarten Liegenschaft nach Erheben von Einwendungen unbestritten Parteistellung erlangt hatte, unter anderem in einem subjektivöffentlichen Recht dadurch verletzt, dass der Spruch "ein cirka 1.265 m2 großes Konzerthaus" laute und die Größe des zu errichtenden Bauwerks somit nicht exakt bezeichnet worden sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Zum Einwand der Ungenauigkeit der Flächenangabe verwies die belangte Behörde auf den im Akt befindlichen Plan eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen, in welchem die mit bestehenden Gebäuden bereits bebaute Fläche sowie die durch das Bauvorhaben neu zu bebauende Fläche dargestellt und ausgewiesen seien. Im Anschluss stellte die belangte Behörde die darauf basierenden Berechnungen in Worte gefasst dar. Insgesamt weise die Fläche des gegenständlichen Bauvorhabens 1.264,80 m2 auf, aufgerundet somit 1.265 m2. Eine Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin in ihren Rechten durch die Anführung des gerundeten Betrages bzw. durch die Fläche des gegenständlichen Bauvorhabens liege nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, verbesserte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Folgende Bestimmungen sind für den Beschwerdefall relevant:
1.1. Die Bauordnung für Wien (BO) lautet auszugsweise:
"§ 134a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
…
c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;"
1.2. Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan des Wiener Gemeinderates für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft lautet auszugsweise:
"Plandokument 7053
Festsetzung
des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes
Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am , Pr. Zl. 2626/2002-GSV , den folgenden Beschluss gefasst:
In Festsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes für das im Antragsplan Nr. 7053 mit der rot strichpunktierten Linie umschriebene Gebiet zwischen
Obere Augartenstraße, Gaußplatz, Wasnergasse, Rauscherstraße, Lampigasse, Scherzergasse, Castellezgasse, Linienzug a-b und Taborstraße im 2. Bezirk, Kat. G. Leopoldstadt und Brigittenau sowie in Festsetzung einer Schutzzone gemäß § 7 Abs. 1 und einer Wohnzone gemäß § 7a Abs. 1 der BO für Wien für Teile dieses Gebietes
werden unter Anwendung des § 1 der BO für Wien folgende Bestimmungen getroffen:
I.
Soweit ein gültiger Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan besteht, verliert er seine weitere Rechtskraft.
II.
…
4. Besondere Bestimmungen gemäß § 5 Abs. 4 der BO für Wien mit Plandarstellung:
…
4.4. Auf den als Grünland/Parkschutzgebiet bezeichneten Flächen sind Gebäude nur innerhalb der mit Grenzlinien umgrenzten Bereiche zulässig.
...
4.4.4. In folgend gekennzeichneten Bereichen sind nur Gebäude in Zusammenhang mit Nutzung gemäß § 6 Abs. 6 der BO für Wien mit jeweils folgender maximaler Gebäudehöhe zulässig:
Spk/BB6 5,00 m
maximale Gebäudehöhe
…"
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.1. Zunächst wiederholt die Beschwerdeführerin das Berufungsvorbringen zur Angabe der Fläche des Bauvorhabens mit "cirka 1.265 m2" im Spruch des bestätigten erstinstanzlichen Bescheides. Der angefochtene Bescheid verstoße daher gegen § 134a Abs. 1 lit. c BO und verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, "dass in einem Bescheid, in dem ein Bauvorhaben für eine zur BF benachbarte Grundfläche bewilligt wird, die Fläche der höchst zulässigen Bebauung exakt bezeichnet wird".
Mit diesem Vorbringen legt die Beschwerdeführerin nicht dar, welche der "Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten" dadurch verletzt worden sein sollte (vgl. die diesbezügliche Darstellung in Moritz , BauO für Wien4, Anm. zu § 134a Abs. 1 BO). Sie wendet sich auch nicht gegen die - exakte und nachvollziehbare - Berechnung der Fläche, welche sich sowohl aus den im Verwaltungsakt einliegenden Einreichunterlagen als auch aus dem "Lageplan 1 - Flächenwidmung, Flächennachweis zur verbauten Fläche" ergibt und für die Beschwerdeführerin im Rahmen der Akteneinsicht auch einsehbar war.
Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, wurde überdies lediglich die Flächenangabe von 1.264,80 m2 auf die nächste ganze Zahl, nämlich 1.265 m2, aufgerundet. Aus dem unbestrittenen Akteninhalt (Lageplan 1 - Flächenwidmung, Flächennachweis zur verbauten Fläche) ist eine zulässige bebaubare Fläche von 1.266 m2 ersichtlich. Schon vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung der Beschwerdeführerin im geltend gemachten Nachbarrecht nach § 134a Abs. 1 lit. c BO nicht erkennbar, zumal die zu bebauende Fläche jedenfalls kleiner ist als 1.266 m2.
2.2. Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, dass der der Baugenehmigung zu Grunde liegende Flächenwidmungsplan keine ausreichende Grundstücksspezifikation aufweise und als Grundlage für die Baugenehmigung nicht geeignet sei. Die die verfahrensgegenständliche Fläche betreffende Regelung des Plandokuments Nr. 7053, welche die Nutzung gemäß § 6 Abs. 6 BO vorschreibe, sei unzulässig, weil dadurch "die eigentliche Widmungskategorie (Parkschutzgebiet) schlichtweg außer Kraft gesetzt" werde. Dies stelle eine "Umwidmung des gegenständlichen Gebiets" von einem Parkschutzgebiet in ein Wohngebiet dar.
Zu diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin auf die durch § 5 Abs. 4 lit. e BO gedeckte Festlegung in Punkt II. 4.4. des von ihr zitierten Flächenwidmungs- und Bebauungsplans zu verweisen, welcher bestimmt, dass "auf den als Grünland/Parkschutzgebiet bezeichneten Flächen (…) Gebäude nur innerhalb der mit Grenzlinien umgrenzten Bereiche zulässig (sind)". Somit ist der Bereich, in welchem eine bestimmte Bebauung innerhalb des Parkschutzgebiets zulässig sein soll, klar umfasst. Das Plandokument 7053 weist diesbezüglich - im Vergleich zur Gesamtgröße des verfahrensgegenständlichen Parks - auch lediglich eine geringe Teilfläche mit der Festlegung "BB6" aus, von welcher überdies maximal 30 % bebaut werden dürfen. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass eine de facto-Umwidmung des gegenständlichen Gebiets vorliege, kann daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden.
2.3. Außerdem - so das weitere Beschwerdevorbringen - sei durch die dynamische Verweisung auf § 6 Abs. 6 BO die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Flächenwidmung unbestimmt, weil das Baurecht "bekanntermaßen" regelmäßig Novellierungen und Änderungen erfahre.
Abgesehen davon, dass sich schon aus der Textierung des in der Beschwerde kritisierten (und oben wiedergegebenen) Punktes II. 4.4.4. des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes keinerlei Hinweis auf eine dynamische Verweisung ergibt (insbesondere wird nicht auf § 6 Abs. 6 BO "in der jeweils geltenden Fassung" verwiesen), geht der Beschwerdevorwurf auch deshalb ins Leere, weil § 6 Abs. 6 BO seit der Beschlussfassung über den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (abgesehen von der Auswechslung der Worte "Bauten" und "Geschäftshäuser" durch die Worte "Bauwerke" und "Geschäftsgebäude" mit der Techniknovelle LGBl. Nr. 24/2008) keine Änderung erfahren hat.
3. Da somit die von der Beschwerdeführerin angeführten Gründe für eine Gesetzwidrigkeit des gegenständlichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplans nicht erkennbar sind, sieht der Verwaltungsgerichtshof auch keine Veranlassung zur Einleitung des von der Beschwerdeführerin angeregten Normenprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof.
4. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am