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VwGH vom 15.06.2010, 2009/05/0328

VwGH vom 15.06.2010, 2009/05/0328

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der R J in Wien, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 04/A/30/2984/2008-11, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist zur Hälfte Miteigentümerin des Grundstückes Nr. der Liegenschaft EZ, KG K. (Die Beschwerdeführerin hat das Miteigentum an dieser Liegenschaft durch Erbfolge nach ihrem Ehemann aufgrund der Einantwortungsurkunde vom erworben.) Auf dieser Liegenschaft ist ein Fruchtgenussrecht zu Gunsten des Vaters des verstorbenen Ehemannes der Beschwerdeführerin einverleibt.

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37- Baupolizei (MA 37), erteilte mit Bescheid vom den Eigentümern des Gebäudes auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft gemäß § 129 Abs. 2 und 4 Bauordnung für Wien (BO) den Auftrag:

"1.) Die schadhaften Wand- und Dachstuhlkonstruktionen in Holzriegelbauweise, der Reinigungsbox und des Büros, sind tragfähig, dem Konsens entsprechend, wieder herstellen zu lassen.

2.) Die schadhafte Dachhaut, an der unter Punkt 1.) definierten Baulichkeit aus Holz, ist niederschlagsdicht instand zu setzen.

3.) Sämtliche schadhaften bzw. fehlenden Verglasungen an der unter Punkt 1). definierten Baulichkeit sind dem Konsens entsprechend instandzusetzen.

4.) Die schadhafte Türverglasung des unter Punkt 1.) definierten Büros ist instand zu setzen.

Die Maßnahmen nach Punkt 1, 2, 3 und 4 sind binnen 2 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen".

Die Erfüllungsfrist wurde in der Folge bis zum erstreckt.

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 11. Bezirk, forderte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom zur Rechtfertigung auf. Sie habe als Miteigentümerin des auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft errichteten Hauses in der Zeit vom bis insofern nicht dafür gesorgt, dass das Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung entsprechendem Zustand erhalten wurden; sie habe näher genannte (mit dem obgenannten Bauauftrag übereinstimmende) Instandsetzungsarbeiten nicht durchgeführt. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 129 Abs. 2 und Abs. 4 BO begangen.

Die Beschwerdeführerin gab dazu im Zuge ihrer mündlichen Vernehmung als Beschuldigte vor der erstinstanzlichen Behörde an, ihr Schwiegervater habe einen Pachtvertrag mit der Firma H. geschlossen. Die Pächterin habe einen Brand verursacht, der ursächlich für die nunmehr bestehenden Schäden an der Baulichkeit gewesen sei. Auch sei ihr Schwiegervater Fruchtgenussberechtigter am gegenständlichen Grundstück. Ihr Neffe, der ebenfalls Miteigentümer der Liegenschaft sei, kümmere sich um die Angelegenheiten mit der Firma H.

Mit Straferkenntnis vom erkannte die Strafbehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin gemäß § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 129 Abs. 2 BO der vorgeworfenen Tat für schuldig; es wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.890,-, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von einer Woche, 6 Tagen und 12 Stunden verhängt.

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin nicht habe darlegen können, dass sie im ihr angelasteten Tatzeitraum alles in ihren Kräften Stehende, unter Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten, unternommen habe, um die gegenständlichen Baugebrechen ehest möglich zu beseitigen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin unter anderem erneut aus, sie sei zwar Miteigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft, es bestehe aber ein Fruchtgenussrecht zugunsten ihres Schwiegervaters.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insofern Folge, als die Geldstrafe auf EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) herabsetzt wurde.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe das Vorliegen der festgestellten Schäden an ihrem Haus nicht bestritten. Sie habe sich zum Vorwurf der unterlassenen Instandsetzungsverpflichtung damit verantwortet, dass das gegenständliche Objekt Opfer eines Brandes gewesen sei; sie sei zwar Miteigentümerin, jedoch nicht "Fruchtgenussnehmerin" der Liegenschaft, da das ausschließliche Fruchtgenussrecht zu Gunsten ihres Schwiegervaters im Grundbuch einverleibt sei. Nach der Wiener Bauordnung sei aber jedenfalls der grundbücherliche Eigentümer für die Instandsetzung des Hauses verantwortlich. "Allfällige darüber hinausgehende Rückbindungen an Dritte, wie etwa die gewählte Fruchtgenusskonstruktion, sind von der Behörde jedenfalls nicht zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführerin bleibt es unbenommen, allfällige Ansprüche gegen Dritte im Zivilrechtsweg rückzufordern". Es stehe daher die Verantwortung der Beschwerdeführerin fest. Weiters wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt (wörtlich):

"Die Berufungswerber(in) hat sich in ihren Ausführungen im wesentlichen darauf gestützt, zivilrechtlich aus einer von ihr abgeschlossenen Fruchtgenussvereinbarung gebunden zu sein und aus diesem Grund die Sanierung nicht eigenberechtigt durchführen zu können. Sie hat aber keinerlei Vorbringen erstattet, demzufolge sie aus eigener Initiativen gesetzt habe, das Gebäude einer Sanierung zuzuführen, weshalb schon aus diesem Grund das gesamte Vorbringen nicht geeignet ist, ihre Schuld im Sinn der herangezogenen Rechts- und Entscheidungslage auszuschließen.

Selbst wenn das Vorbringen der Berufungswerberin dahingehend zu verstehen ist, dass sie als Fruchtgenussveräußerer in ihrem Tun gänzlich fremdbestimmt gewesen sei, so wäre dadurch für ihren Rechtsstandpunkt nichts zu gewinnen, da er (gemeint offenbar: sie) damit typischerweise das Delikt der Schuldform bewusster Einlassungsfahrlässigkeit begangen hätte".

Jedenfalls aber hätten, nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, vertragliche Verpflichtungen keinen Einfluss auf die Schuld, "wenn es dem Täter oblag, die Verpflichtung nicht einzugehen". Es sei daher vom Verschulden der Beschwerdeführerin auszugehen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Nichtbestrafung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 135 Bauordnung für Wien (BO) hat folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"(1) Übertretungen dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen werden, unbeschadet der Abs. 2 und 3, mit Geld bis zu 21 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, bestraft.

(...)

(5) Wer die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, ist für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Der Eigentümer ist neben dem Verwalter verantwortlich, wenn er es bei dessen Auswahl oder Beaufsichtigung an der nötigen Sorgfalt fehlen ließ."

Im vorliegenden Fall wird der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde vorgeworfen, sie habe als Miteigentümerin gegen die Bestimmung des § 129 Abs. 2 BO verstoßen. Diese Bestimmung lautet:

"(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten".

Unstrittig ist im vorliegenden Fall, dass die Beschwerdeführerin den Verpflichtungen, welche ihr auch mit Bauauftrag bescheidmäßig vorgeschrieben wurden, nicht nachgekommen ist.

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde, wie schon im Zuge des gesamten durchgeführten Verwaltungsverfahrens, vor, es sei auf der gegenständlichen Liegenschaft ein Fruchtgenussrecht zugunsten ihres Schwiegervaters im Grundbuch eingetragen.

Adressat der Strafnorm des § 135 Abs. 1 BO ist derjenige, der die Bestimmung der Bauordnung übertritt, im Fall der Übertretung des § 129 Abs. 2 leg. cit. der Eigentümer (jeder Miteigentümer) des Bauwerks.

An die Stelle des Eigentümers (der Miteigentümer) tritt nach § 135 Abs. 5 BO unter den dort genannten Voraussetzungen der Verwalter.

Nach § 135 Abs. 5 zweiter Satz leg. cit. kann es trotz der Verantwortlichkeit des Verwalters zu einer zusätzlichen Verantwortung des Eigentümers kommen.

Die Verpflichtung zur Instandhaltung von Gebäuden gemäß § 129 Abs. 2 BO trifft den Eigentümer (jeden Miteigentümer) kraft Gesetzes. Das strafbare Verhalten liegt nicht in der Nichterfüllung eines auf die Beseitigung des Baugebrechens gerichteten baupolizeilichen Auftrages, sondern in der Verletzung der dem Eigentümer kraft Gesetz obliegenden Instandhaltungspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/05/0033, VwSlg Nr. 16.481/A, m.w.N.).

Die Beschwerdeführerin ist zwar Miteigentümerin des hier interessierenden Gebäudes. Ihr (Mit )Eigentum ist aber durch ein ihrem Schwiegervater eingeräumtes Fruchtgenussrecht grundbücherlich belastet.

Die belangte Behörde ging davon aus, dass sie die "gewählte Fruchtgenusskonstruktion jedenfalls nicht zu berücksichtigen" habe.

Diese Rechtsansicht der belangten Behörde erweist sich jedoch als unzutreffend.

Die Strafbehörden hatten im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihre Liegenschaft sei mit einem Fruchtgenussrecht eines Dritten belastet, jedenfalls näher zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin ihre Verantwortung für die nicht vorgenommenen Instandsetzungsarbeiten auf einen Verwalter iSd § 135 Abs. 5 BO überwälzt hat. Dazu ist es erforderlich, sich mit der Stellung des Fruchtgenussberechtigten auseinander zu setzen.

Im oben bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof näher begründet ausgeführt, dass der Fruchtnießer in Ansehung der Verpflichtung nach § 129 Abs. 2 BO zwar nicht an die Stelle des Eigentümers tritt. Dem Fruchtnießer kommt aber das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse der mit dem Fruchtgenussrecht belasteten Liegenschaft zu, sodass der Eigentümer des belasteten Anteils von dessen Verwaltung ausgeschlossen ist.

In Anbetracht dessen hätten die Strafbehörden wie in dem der zitierten Entscheidung zu Grunde liegenden Beschwerdefall prüfen müssen, von wem im Tatzeitraum die (Haus )Verwaltung tatsächlich durchgeführt wurde.

Zu den von der belangten Behörde vorgenommenen Ausführungen hinsichtlich der Eigenschaft der Beschwerdeführerin als "Fruchtgenussveräußerin" genügt der Verweis auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe das Miteigentum durch Erbfolge nach ihrem Ehemann erlangt. In diesem Zusammenhang ist aus dem zitierten hg. Erkenntnis vom hervorzuheben, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verwalters nicht aufgehoben wird, wenn er den Hauseigentümer vom Vorhandensein der Baugebrechen und der Notwendigkeit ihrer Beseitigung in Kenntnis setzt. Die umfassende Verwaltungsbefugnis des Fruchtnießers schließt auch die in der Rechtsprechung sonst geforderte Beaufsichtigung des Verwalters durch den Eigentümer aus, weshalb in einem solchen Fall eine Sorgfaltsverletzung des Eigentümers bei der Beaufsichtigung des Verwalters nicht in Betracht kommt.

Unberücksichtigt blieb im Strafverfahren auch die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Vereinbarung zwischen allen Eigentümern der betroffenen Liegenschaft und dem Fruchtnießer, auf Grund der dieser mit auf das ihm eingeräumte Fruchtnießungsrecht verzichtet haben soll. Diese Vereinbarung ist allenfalls für die Festsetzung der Tatzeit maßgeblich.

Entscheidungswesentlich ist daher im vorliegenden Strafverfahren, wer im Tatzeitraum die Verwaltung des im Miteigentum der Beschwerdeführerin stehenden Gebäudes tatsächlich ausgeübt hat. Schon dadurch, dass die belange Behörde sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht auseinander gesetzt hat und diesbezügliche Sachverhaltsfeststellungen unterlassen hat, hat sie ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am