VwGH vom 16.08.2022, Ra 2021/02/0029
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des S in O, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in 6460 Imst, Sirapuit 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , LVwG-2020/24/0284-4, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als Arbeitgeber nicht dafür Sorge getragen, dass die Bestimmungen nach der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) eingehalten worden seien. Es sei zu einem näher genannten Zeitpunkt am Tatort ein Kamin mit einem Gabelstapler transportiert worden, der auseinandergebrochen und zu Boden gestürzt sei. Ein näher genannter Arbeitnehmer sei dabei von Teilen des gebrochenen Kamins eingeklemmt und schwer verletzt worden. Der Revisionswerber habe dadurch § 18 Abs. 3 AM-VO iVm. § 130 Abs. 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verletzt, weshalb über ihn nach § 130 Abs. 1 ASchG eine Geldstrafe in Höhe von € 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 60,-- festgesetzt wurde.
2Das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) wies die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, nachdem der Revisionswerber den Betrieb verlassen habe, hätten die Arbeitnehmer S und F einen Kamin mit einem Gabelstapler vom Montagetisch zu einem Zwischenlagerplatz transportieren wollen. Dazu sei der Kamin mit grünen Hebebändern an den Gabelzinken des Staplers angehängt und vom Montagetisch, welcher ca. 90 bis 100 cm hoch sei, auf eine Höhe von 10 bis 20 cm über den Montagetisch gehoben worden. Als der Arbeitnehmer F gesehen habe, dass der Kamin nicht in der Waage gelegen sei, habe er sich mit seinem Körpergewicht auf den Kamin gestützt, um ihn in der Luft zu stabilisieren. Dadurch habe sich der Kamin zu drehen begonnen, sei auseinandergebrochen und zu Boden gestürzt. Der Arbeitnehmer F sei dabei von Teilen des gebrochenen Kamins eingeklemmt und schwer verletzt worden.
4Das Verwaltungsgericht bejahte das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Tatseite und begründete seine Strafbemessung.
5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung der Revision wergen Unzulässigkeit, in eventu die Abweisung der Revision als in der Sache unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision unter anderem vor, der gegenständliche Tatvorwurf sei nicht unter die Bestimmung des § 18 Abs. 3 AM-VO subsumierbar, sodass bereits der objektive Tatbestand nicht erfüllt sei.
8Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig und berechtigt.
9Gemäß § 18 Abs. 3 AM-VO ist dafür zu sorgen, dass sich keine ArbeitnehmerInnen unter hängenden Lasten aufhalten.
10Nach der Tatumschreibung im Spruch des verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisses und den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sich der Arbeitnehmer F jedoch zunächst neben dem Kamin aufgehalten und in der Folge auf den Kamin gestützt, um diesen in der Luft zu stabilisieren. Erst im Zuge des Unfalls, bei dem der Kamin auseinandergebrochen sei, sei der Arbeitnehmer F unter Teile des gebrochenen Kamins geraten. Dass sich der Arbeitnehmer F zu irgendeinem Zeitpunkt unter dem Kamin aufgehalten hätte, lässt sich den Feststellungen hingegen nicht entnehmen.
11Das Tatbild des vom Verwaltungsgericht herangezogenen § 18 Abs. 3 AM-VO ist nach seinem klaren Wortlaut demnach nicht erfüllt, weshalb dem Revisionswerber die Übertretung der genannten Bestimmung zu Unrecht vorgeworfen wurde.
12Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
13Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil der durch die Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch diese abdeckt (vgl. , mwN).
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021020029.L00 |
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