VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0026

VwGH vom 26.06.2013, 2013/22/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der L, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 15/9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 322.231/2- III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführerin brachte am bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung einen Antrag auf Erteilung einer "'Aufenthaltsbewilligung - § 69a NAG' (besonderer Schutz)" ein und brachte vor, "Opfer von Gewalt" geworden zu sein.

Diesen Antrag wies die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit Bescheid vom gestützt auf § 69a Abs. 1 Z 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - darauf ab, die Behörde erster Instanz habe die Antragszurückweisung damit begründet, dass die Beschwerdeführerin in den letzten fünf Jahren nicht im österreichischen Bundesgebiet aufhältig gewesen wäre und somit ein entsprechender Anknüpfungspunkt hinsichtlich einer Bedrohung im Inland nicht bestünde. Des Weiteren wäre eine einstweilige Verfügung nach den §§ 382b bzw. 382e der Exekutionsordnung (EO) nicht erlassen worden. Eine solche hätte nach Ansicht der Behörde erster Instanz auch nicht erlassen werden können.

Ihren eigenen Erwägungen stellte die belangte Behörde voran, ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 69a Abs. 1 Z 3 NAG sei gemäß § 69a Abs. 4 NAG als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliege oder nicht hätte erlassen werden können.

Nach Ausführungen zu den der Beschwerdeführerin bisher erteilten Aufenthaltstiteln sowie zu ihrem Vorbringen zu den gegen sie gerichteten, zuletzt im Mai 2012 erfolgten Drohungen durch K führte die belangte Behörde weiter aus, zwischen der Beschwerdeführerin und K bestehe seit dem Jahr 2007 "kein Zusammenleben" mehr. Zwar habe sich ein "aktuelles Bedrohungsszenario", das zu einer Anzeige am geführt habe, ereignet. Jedoch sei keine einstweilige Verfügung nach § 382b oder § 382e EO erlassen worden. Aus der gesamten Aktenlage sei allerdings kein Hindernisgrund zu ersehen, weshalb eine einstweilige Verfügung nicht hätte erlassen werden können.

Im Weiteren tätigte die belangte Behörde Ausführungen dazu, weshalb sie davon ausgehe, eine Schutzwürdigkeit der Beschwerdeführerin im Sinn des § 69a Abs. 1 Z 3 NAG liege nicht vor. Eine "materielle Entscheidung" über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag sei aber nicht möglich, weil von der Berufungsbehörde lediglich zu prüfen sei, ob die in erster Instanz ausgesprochene Antragszurückweisung "rechtskonform" gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jänner 2013 nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 50/2012 richtet.

§ 69a Abs. 1 Z 3 und Abs. 4 NAG (samt Überschrift) lautet:

" Besonderer Schutz

§ 69a. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 bis 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine Aufenthaltsbewilligung für besonderen Schutz zu erteilen:

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet

nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist oder

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

(5) ..."

Die belangte Behörde begründete die Antragszurückweisung damit, dass im vorliegenden Fall eine "Schutzwürdigkeit" der Beschwerdeführerin im Sinn des § 69a Abs. 1 Z 3 NAG nicht gegeben sei. Allerdings führte sie im angefochtenen Bescheid des Weiteren ausdrücklich aus, es sei aus der gesamten Aktenlage kein Grund ersichtlich, warum eine einstweilige Verfügung nach § 382b oder § 382e EO nicht hätte erlassen werden können, zumal sich jene Personen, von denen die Bedrohung ausgehe, weder in Haft befänden noch abgeschoben worden oder flüchtig seien.

Demnach erweist sich eine auf § 69 Abs. 4 NAG gestützte Antragszurückweisung als nicht dem Gesetz entsprechend.

In Wahrheit geht die belangte Behörde aber vielmehr davon aus, es sei die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 69 Abs. 1 Z 3 NAG nicht möglich, weil die Beschwerdeführerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe, die Erteilung der beantragten Aufenthaltsbewilligung sei zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich. Dabei handelt es sich aber um eine besondere Erteilungsvoraussetzung. Für den Fall des Fehlens dieser Voraussetzung sieht das Gesetz eine Antragszurückweisung nicht vor.

Somit hat die belangte Behörde die in erster Instanz ergangene Zurückweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages zu Unrecht bestätigt. Ausgehend von ihrer eigenen Ansicht wäre sie vielmehr gehalten gewesen, den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid zu beheben, um die inhaltliche Prüfung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages (und in deren Rahmen auch der genannten besonderen Erteilungsvoraussetzung) zu ermöglichen.

Sohin war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am