VwGH vom 19.07.2021, Ra 2021/02/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Mag.G in E, vertreten durch Mag. Christian Unger, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Hauptstraße 22a, dieser vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom , E 003/07/2020.066/003, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i.A. einer Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Burgenland), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
11.1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Burgenland (LPD) vom wurde über den Revisionswerber wegen einer näher umschriebenen Übertretung des § 102 Abs. 1 KFG iVm. § 101 Abs. 1 lit. e KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber nach dem im Akt befindlichen RSb-Rückschein am durch persönliche Übernahme zugestellt. Mit am zur Post gegebenem und am bei der LPD eingelangtem Schreiben beantragte der Revisionswerber mit näherer Begründung „vollumfängliche Verfahrenshilfe“ zur GZ des Straferkenntnisses; u.a. führte er aus, dass der „Gesamtbetrag im Bescheid gesetzwidrig errechnet“ sei.
21.2. Mit Bescheid der LPD vom wurde das Straferkenntnis der LPD gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm. § 24 VStG von Amts wegen dahingehend berichtigt, dass der zu zahlende Gesamtbetrag neu festgesetzt wurde; begründend wurde ausgeführt, es liege ein Rechenfehler vor.
32.1. In der Folge wies das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) mit Beschluss vom den am bei der LPD eingelangten Antrag des Revisionswerbers auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 13 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück, weil der Revisionswerber innerhalb der gesetzten Frist kein Vermögensbekenntnis beigebracht habe.
42.2. Mit Beschluss des LVwG vom wurde ein Antrag des Revisionswerbers auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers abgewiesen. Nach der Begründung habe der Revisionswerber mit am beim LVwG eingelangtem Schreiben mitgeteilt, dass er auf eine Aufforderung zur Mängelbehebung gegen den „neuen, angeblich berichtigten Bescheid“ warte. Weiters führte das LVwG aus, der Revisionswerber habe mit am zur Post gegebenem Schreiben erneut die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers beantragt. Der Revisionswerber habe über Aufforderung durch das LVwG ein Vermögensbekenntnis vorgelegt. Nach dem „eindeutigen Willen“ des Revisionswerbers beziehe sich der am eingelangte Antrag auf das Straferkenntnis, der am eingelangte Antrag auf den Berichtigungsbescheid. Über den ersten Antrag sei bereits entschieden worden; im vorliegenden Fall sei der Berichtigungsbescheid zu beurteilen, wobei die „Sachverhaltsfrage“, ob ein Rechenfehler im Spruch des Straferkenntnisses vorgelegen sei, der die Behörde zur Berichtigung ermächtige, sehr einfach sei. Der Antrag sei daher mangels Vorliegen der Voraussetzungen abzuweisen.
53.1. Daraufhin erhob der Revisionswerber mit E-Mail vom „Beschwerde gegen Schriftstück, bzw. Verfahren VStV/[...] der LPD-BGLD“ und beantragte die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einstellung des Verfahrens, weil der Bescheid nach wie vor fehlerhaft sei.
63.2. Das LVwG erteilte dem Revisionswerber mit E-Mail vom den Auftrag, die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm. § 17 VwGVG binnen 10 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens bei sonstiger Zurückweisung der Beschwerde ohne weiteres Verfahren zu verbessern, weil diese keine Gründe enthalte, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze.
73.3. Mit Beschluss vom wies das LVwG die gegen den Berichtigungsbescheid der LPD vom gerichtete „Eingabe“ des Revisionswerbers vom gemäß § 13 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
8Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht habe nach § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG die Gründe zu enthalten, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze. Das Fehlen eines begründeten Beschwerdeantrages sei einer Verbesserung zugänglich. Der Revisionswerber sei daher mit E-Mail des LVwG vom darauf hingewiesen worden, dass seine Beschwerde mangelhaft sei, zumal aus dieser keinerlei konkrete Gründe zu entnehmen seien, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze. Unter einem sei der Revisionswerber aufgefordert worden, seine Beschwerde binnen 10 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens zu verbessern und dass - sollte er diesem Verbesserungsauftrag nicht vollständig fristgerecht nachkommen - seine Beschwerde ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen sei. Der Revisionswerber sei dem Auftrag vom bis dato nicht nachgekommen, sodass die Beschwerde aus den genannten Gründen zurückzuweisen gewesen sei.
94.1. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und eine inhaltliche Entscheidung über das Anbringen fällen, in eventu den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben, „dies weil bei Beachtung von Verfahrensvorschriften und rechtsrichtiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage das Landesverwaltungsgericht Burgenland zu einer anders lautenden Entscheidung hätte kommen müssen“, sowie dem Revisionswerber Aufwandersatz zusprechen.
104.2. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
11Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
125.1. Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Vorbringen, der angefochtene Beschluss weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das LVwG keine Feststellungen dazu getroffen habe, dass der per E-Mail vom erteilte Verbesserungsauftrag, den der Revisionswerber im Übrigen nicht erhalten habe, diesem auch tatsächlich zugekommen sei, sodass der Revisionswerber niemals nachweislich zur Verbesserung seines Anbringens aufgefordert worden sei, als zulässig und begründet.
135.2.1. Gemäß § 37 Abs. 1 ZustG können Zustellungen ohne Zustellnachweis unter anderem auch an einer elektronischen Zustelladresse erfolgen. Das Dokument gilt mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt. Bestehen Zweifel darüber, ob bzw. wann das Dokument beim Empfänger eingelangt ist, hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen.
145.2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. ; ; , jeweils mwN).
155.2.3. Der Revisionswerber bestreitet, den Verbesserungsauftrag des LVwG vom betreffend seine Beschwerde vom erhalten zu haben. Das LVwG hat keine Feststellungen zur Zustellung des Verbesserungsauftrages vom an den Revisionswerber getroffen; vielmehr führt das LVwG lediglich aus, dass der Revisionswerber per E-Mail vom darauf hingewiesen worden sei, dass seine Beschwerde aus näher genannten Gründen mangelhaft sei. Im Akt befindet sich ein Ausdruck der versendeten E-Mail vom . Ein entsprechender Nachweis dafür, dass der Revisionswerber den Verbesserungsauftrag auch tatsächlich erhalten hat, findet sich im Akt hingegen nicht. Erst durch die Zustellung des Verbesserungsauftrages wäre jedoch der Lauf der zehntägigen Frist zur Behebung der vom LVwG beanstandeten Mängel ausgelöst worden.
16Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass auch die von der belangten Behörde in der Revisionsbeantwortung beantragte Anforderung der „elektronischen Übermittlungsbestätigung“ vom nicht geeignet wäre nachzuweisen, dass die Nachricht dem Empfänger auch tatsächlich zugekommen ist, weil dadurch lediglich das Absenden der E-Mail und noch nicht die vollständige Durchführung des zur Übermittlung der Nachricht erforderlichen Vorganges insbesonders nicht das Einlagen des Verbesserungsauftrags belegt wird.
175.2.4. Das LVwG ist jedoch bloß aufgrund seiner Ausführungen, den Revisionswerber mit E-Mail darauf hingewiesen zu haben, dass seine Beschwerde mangelhaft sei, von einer wirksamen Zustellung des Verbesserungsauftrages ausgegangen und hat daher ausgehend von dieser unzutreffenden Rechtsansicht die für die Beurteilung des Revisionsfalls erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Damit liegt ein sekundärer Feststellungsmangel (vgl. ) vor, der den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
185.3. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
195.4. Der vom Revisionswerber gestellte Hauptantrag an den Verwaltungsgerichtshof, in der Sache selbst zu entscheiden, umfasst einen Antrag auf Aufhebung des bekämpften verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Die Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst ist nicht antragsbedürftig (vgl. , mwN). Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes liegen jedoch aufgrund der im fortgesetzten Verfahren vom LVwG zu treffenden Feststellungen nicht vor.
206. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020020.L00 |
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