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VwGH vom 27.03.2007, 2006/21/0280

VwGH vom 27.03.2007, 2006/21/0280

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Gertraude Carli, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Raimund-Obendrauf-Straße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 26.20-14/2006-7, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten Bescheid wies der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 125 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gegen den auf § 33 Abs. 1 des (bis zum in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 gestützten erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid ab. Sie legte ihrer Entscheidung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am illegal in das Bundesgebiet eingereist und sein Asylantrag mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Behandlung einer dagegen eingebrachten Beschwerde sei mit (hg. Zl. 2003/20/0009) abgelehnt worden.

Der Beschwerdeführer verfüge über eine am ausgestellte Arbeitserlaubnis. Dem Antrag auf Gewährung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen habe die Bundesministerin für Inneres nicht zugestimmt.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass dem Beschwerdeführer als türkischen Staatsangehörigen die Rechtsstellung nach dem Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 zukomme, weil er seit vier Jahren dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich angehöre. Ab dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages sei dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung mehr zugekommen, weshalb er sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

§ 9 Abs. 1 FPG regelt (als Verfassungsbestimmung) die Zuständigkeit für Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, somit u. a. für eine Ausweisung, und lautet folgendermaßen:

"Über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem

Bundesgesetz entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist,

1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und

begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen

Verwaltungssenate in den Ländern und

2. in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen

in letzter Instanz."

In Anbetracht des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts ist es geboten, für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei vom , Nr. 1/80, zukommt, den Instanzenzug zu einem Tribunal einzurichten und somit § 9 Abs. 1 Z 1 FPG auf solche Fälle anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0138, und diesem folgend etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0217, sowie den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , G 26/06 u.a.).

Die belangte Behörde befindet sich aber in einem Rechtsirrtum, wenn sie dem Beschwerdeführer eine Berechtigung nach dem ARB beimisst. Es ist ständige hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2001/19/0001, und vom , Zl. 2004/21/0153, dies auch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes etwa im Urteil vom , Rs. C-434/93, "Bozkurt"), dass Fremde, die eine - wenn auch allenfalls in Einklang mit den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes stehende - Beschäftigung ausüben, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB (nur diese käme fallbezogen in Betracht) nicht erfüllen, wenn ihr Aufenthalt im Bundesgebiet bloß auf Grund einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung beruht, weil die letztgenannte Berechtigung keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige Position des Betroffenen am Arbeitsmarkt vermittelt.

Da der Beschwerdeführer unbestritten nur über eine vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung verfügt hat, war die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers nicht zuständig.

Diese Unzuständigkeit war von Amts wegen aufzugreifen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0142) und der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-88156