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VwGH vom 23.08.2012, 2009/05/0319

VwGH vom 23.08.2012, 2009/05/0319

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der Mag. B R in W, vertreten durch Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-253/09, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: D GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Monika Gillhofer und Dr. Maria-Luise Plank, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Herrengasse 6-8/3/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Juni 2008 suchte die Mitbeteiligte (im Folgenden: Bauwerberin) beim Magistrat der Stadt Wien, MA 37/14, um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für einen Dachgeschoßausbau und einen Lifteinbau auf einer Liegenschaft in 1140 Wien an. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, die hofseitig an das Grundstück der Bauwerberin grenzt.

Mit Bescheid vom erklärte es der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 14. Bezirk gemäß § 69 Abs. 1 lit. m BO für zulässig, bei dem gegenständlichen Bauvorhaben die nach den Bebauungsvorschriften zulässige Gebäudehöhe von 16 m in der Bauklasse III durch den Dachgeschoßzubau hofseitig um 1,65 m auf einer Länge von 6,40 m zu überschreiten.

Mit Bescheid vom erteilte die MA 37/14 nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildeten (u.a.) die baubehördliche Bewilligung für folgende Bauführung:

"Beim bestehenden dreistöckigen Wohngebäude wird, nach Abtragung des Dachstuhls, ein zweigeschossiger Dachgeschosszubau zwecks Schaffung zweier Wohnungen errichtet. Im Bereich rechts vom Stiegenhaus wird ein Aufzugsschacht hergestellt. Die Wohnungen Nr. 10 und Nr. 11 im 3. Stock werden zu einer Einheit zusammengelegt. Die Einlagerungsräume werden im Kellergeschoss angeordnet."

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an die belangte Behörde. Im Rahmen des Berufungsverfahrens holte diese eine amtssachverständige Stellungnahme der Magistratsabteilung 37 ein, welche mit Schreiben vom abgegeben wurde. Schließlich wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid ab.

Die belangte Behörde führte unter anderem aus, dass nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die vom verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben betroffene Liegenschaft die Widmung Wohngebiet, Bauklasse III (16,00 m) und die geschlossene Bauweise festgesetzt sei. In einem Abstand von 15,00 m von der Baulinie sei eine parallel verlaufende Baufluchtlinie festgesetzt. Im Anschluss an die Baufluchtlinie sei die besondere Bebauungsbestimmung BB2 festgesetzt, der zufolge innerhalb der mit G/BB2 bezeichneten Fläche die Errichtung von ober- und unterirdischen Bauten untersagt sei. Nach den weiteren maßgeblichen Bebauungsbestimmungen dürfe bei den zur Errichtung gelangenden Gebäuden der höchste Punkt des Daches nicht höher als 4,50 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen.

Für das gegenständliche Bauvorhaben sei - wegen der näher dargestellten Überschreitung der höchstzulässigen Gebäudehöhe - die Bewilligung einer unwesentlichen Abweichung von den Bebauungsvorschriften gemäß § 69 Abs. 1 lit. m BO erforderlich.

Eine solche sei auch zu erteilen gewesen:

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, die höchstzulässige Firsthöhe würde um 27 cm überschritten, sei auszuführen, dass im gegenständlichen Fall die Firsthöhe an der Hoffront von der mittleren tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe der Hoffront aus zu bemessen sei, da die Hoffront unterschiedliche tatsächlich ausgeführte Gebäudehöhen aufweise. Dem Einreichplan sei zu entnehmen, dass die mittlere Gebäudehöhe an der Hoffront 18,69 m betrage. Der zulässige Dachumriss ergebe sich daher, wie auch der Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen vom zu entnehmen sei, aus der Parallelverschiebung der Verbindung der unveränderten straßenseitigen Gebäudehöhe (17,65 m) und der mittleren Gebäudehöhe der Hoffront (18,69 m) um 4,50 m (zulässige Firsthöhe laut Bebauungsplan). Aus den in dem Einreichplan enthaltenen Schnitten sei erkennbar, dass der Dachumriss und somit auch die höchstzulässige Firsthöhe nicht überschritten werde.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet hat, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Darauf und auf die weitere Äußerung der mitbeteiligten Partei replizierte die Beschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lauten auszugsweise:

"Befangenheit von Verwaltungsorganen

§ 7. (1) Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen:

4. im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung (§ 64a) mitgewirkt haben.

Sachverständige

§ 53. (1) Auf Amtssachverständige ist § 7 anzuwenden …"

2. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin einer dem gegenständlichen Baugrundstück benachbarten Liegenschaft und hat rechtzeitig im Sinn des § 134 Abs. 3 dritter Satz BO Einwendungen erhoben. In der Beschwerde bringt sie unter anderem vor, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft, weil jene Person, die den erstinstanzlichen Bescheid verfasst habe, als Amtssachverständiger im Berufungsverfahren herangezogen worden sei. Dies sei relevant, weil die sachverständige Stellungnahme dadurch nicht die für das Verfahren notwendige Qualität einer von einem nicht involvierten Sachverständigen verfassten Stellungnahme besitze.

3. Die Beschwerde ist begründet.

3.1. Die belangte Behörde bestreitet dieses Beschwerdevorbringen nicht, sondern setzt der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin in ihrer Gegenschrift die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach "ein von der Berufungsbehörde beigezogener Amtssachverständiger nicht schon deshalb befangen ist, weil er bereits im erstinstanzlichen Verfahren mitgewirkt hat". Dem ist grundsätzlich beizupflichten, weil die Tatsache allein, dass ein Amtssachverständiger sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren zur Beurteilung bautechnischer Fragen herangezogen worden ist, sachliche Bedenken gegen den Bescheid der Berufungsbehörde nicht zu erwecken vermag, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen und vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet worden ist, dass bei der Tätigkeit dieses Sachverständigen unsachliche Motive eine Rolle gespielt hätten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0116, mwN).

Die belangte Behörde übersieht in ihrem Vorbringen aber, dass dem Beschwerdefall ein solcher Sachverhalt nicht zu Grunde liegt. Vielmehr wurde die Baubewilligung der MA 37/14 vom nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten von denselben Organwaltern ("Für den Abteilungsleiter" und "Der Sachbearbeiter") gefertigt, die auch als Verfasser der im angefochtenen Bescheid maßgeblich zur Begründung herangezogenen bautechnischen Stellungnahme vom aufscheinen.

Die angesprochenen Organwalter haben damit entgegen der Ansicht der belangten Behörde iSd § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG "an der Erlassung des angefochtenen Bescheides mitgewirkt" und hätten sich daher der Ausübung ihre Amtes als Amtssachverständige während des Berufungsverfahrens zu enthalten gehabt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0239, mit Hinweis auf Thienel/Schulev-Steindl , Verwaltungsverfahrensrecht5, 2009, 86, bzw. Hengstschläger/Leeb , AVG Rz 13 zu § 7 (2004), sowie die dort zitierte hg. Judikatur).

3.2. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde einzugehen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
EAAAE-88150