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VwGH vom 24.03.2022, Ra 2021/01/0409

VwGH vom 24.03.2022, Ra 2021/01/0409

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W240 2247646-1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M E), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Bescheid der belangten Behörde (des Amtsrevisionswerbers; in der Folge: BFA) vom wurde dem Mitbeteiligten, einem ägyptischen Staatsangehörigen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht erteilt (I.) sowie gegen ihn gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Deutschland festgestellt (II.).

2Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte sei zu einem unbekannten Zeitpunkt von Italien kommend illegal in das Bundesgebiet eingereist. Im Zuge einer Identitätsfeststellung habe sich herausgestellt, dass er bereits 2014 je einen Asylantrag in der Schweiz und in Deutschland gestellt habe. Die deutschen Asylbehörden hätten im Zuge des durchgeführten Konsultationsverfahrens - nachdem die Schweiz die Übernahme des Mitbeteiligten abgelehnt habe - am [ausweislich der vorgelegten Verwaltungsakten: gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung] der Übernahme des Mitbeteiligten zwecks Führung seines Asylverfahrens zugestimmt. In Österreich habe der Mitbeteiligte nicht um internationalen Schutz angesucht.

3Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Beschluss gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zugelassen und der angefochtene Bescheid behoben (A). Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen (B).

4Begründend führte das BVwG aus, der Mitbeteiligte habe sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er habe bereits am in der Schweiz und am in Deutschland jeweils einen Asylantrag gestellt. Es könne „mangels hinreichender Feststellungen laut Akteninhalt“ nicht festgestellt werden, ob Deutschland der für das Verfahren des Mitbeteiligten zuständige Mitgliedstaat sei. Es könne auch nicht festgestellt werden, ob der Mitbeteiligte im Falle seiner Überstellung nach Deutschland Gefahr liefe, in seinen von der EMRK eingeräumten Rechten verletzt zu sein.

5Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zur Zulässigkeit vorbringt, das BVwG weiche von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ab, weil es sich beim gegenständlichen Verfahren um ein amtswegig eingeleitetes Aufenthaltsbeendigungsverfahren - ohne Antrag auf internationalen Schutz - und um kein Zulassungsverfahren im Sinne des AsylG 2005 handle.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte keine Revisionsbeantwortung erstattete, in einen gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

8Gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

9Bei § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG handelt es sich um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Mit einer solchen Entscheidung geht die Rechtsfolge der Zulassung des Asylverfahrens einher (vgl. dazu grundlegend , mwN). Diese Sonderbestimmung gelangt für sämtliche Beschwerden im Zulassungsverfahren zur Anwendung (vgl. etwa , mwN).

10Der Mitbeteiligte hat im vorliegenden Fall in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die für die Anwendung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG erforderliche Voraussetzung - ein Zulassungsverfahren nach § 28 AsylG 2005 bzw. eine im Zulassungsverfahren erlassene Entscheidung des BFA - lag im gegenständlichen Beschwerdefall nicht vor.

11Das BVwG hat die Bestimmung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG daher zu Unrecht angewendet und den angefochtenen Beschluss dadurch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021010409.L01

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