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VwGH vom 19.02.2014, 2013/22/0016

VwGH vom 19.02.2014, 2013/22/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, Hofrat Dr. Robl, Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der Z, vertreten durch die Kocher Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 162.968/2- III/4/12, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, beantragte am bei der Österreichischen Botschaft in Ankara die Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" gemäß § 62 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG). Dem Antrag war u.a. eine Anzeigebestätigung des Arbeitsmarktservice betreffend ein "Au-pair-Verhältnis" für den Zeitraum vom bis zum beigeschlossen. Der Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes für die Steiermark vom abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (im Weiteren: bescheiderlassende Behörde) wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs. 1 und § 62 NAG abgewiesen.

In ihrer Begründung stellte die bescheiderlassende Behörde zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin - über Aufforderung - mit Schriftsatz vom ein "Goethe-Zertifikat A1"als Nachweis der Sprachkenntnisse, einen neuen "Aupair-Vertrag" (der allerdings keine Daten zu Beginn und Ende des Au-pair-Verhältnisses enthielt) und eine aktuelle Anzeigebestätigung des Arbeitsmarktservice G (ausgestellt für die Zeit vom bis zum ) vorgelegt habe. Eine telefonische Anfrage beim Arbeitsmarktservice G habe ergeben, dass eine Verlängerung der Anzeigebestätigung nicht mehr möglich sei, weil der Beschwerdeführerin bereits eine Anzeigebestätigung für die Dauer vom bis zum ausgestellt worden sei. Daran anschließend lautet es im angefochtenen Bescheid wie folgt:

"Da eine Verlängerung Ihres angestrebten Beschäftigungsverhältnisses nicht möglich ist, ist somit auch die besondere Erteilungsvoraussetzung für den von Ihnen beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 62 NAG nicht für die gesamte Dauer gegeben, zumal befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen sind (§ 20 Abs. 1 NAG). Da Sie aufgrund der vorliegenden Anzeigebestätigung des Arbeitsmarktservice G vom die Tätigkeit als Au-pair-Kraft maximal sechs Monate ausüben dürfen, findet das NAG (gemäß § 1 Abs. 1 NAG) auf Ihre Person keine Anwendung und war Ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung daher abzuweisen."

Ergänzend wurde noch auf die Möglichkeit hingewiesen, einen Antrag auf Erteilung eines Visums einzubringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, - wie vorliegend - nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.

Weiters ist im vorliegenden Beschwerdefall angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden.

§ 1 NAG lautet auszugsweise wie folgt:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, sowie die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.

..."

§ 62 NAG lautet wie folgt:

"Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit

§ 62. Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bei einem bestimmten Arbeitgeber ausgestellt werden, wenn


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1.
sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2.
eine Tätigkeit, die vom sachlichen Geltungsbereich
Gemäß § 8 Z 5 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005, ist einem Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" neben den in § 7 NAG-DV genannten Urkunden und Nachweisen auch der der Tätigkeit zugrunde liegende Dienstvertrag und erforderlichenfalls die Anzeigebestätigung des Arbeitsmarktservice nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) anzuschließen.
Die Beschwerdeführerin führt ins Treffen, dass sie die von der bescheiderlassenden Behörde im Berufungsverfahren angeforderten Unterlagen (nämlich einen aktuellen Au-pair-Vertrag sowie eine aktuelle Anzeigebestätigung des Arbeitsmarktservice) vorgelegt habe. Weiters macht sie die unterlassene Einräumung von Parteiengehör geltend.
Die Beschwerdeführerin hat den der beabsichtigten Tätigkeit zugrunde liegenden Dienstvertrag ("Au-pair-Vertrag") entsprechend der Vorgabe des § 8 Z 5 NAG-DV unstrittig vorgelegt. Zwar hat die bescheiderlassende Behörde dazu festgehalten, dass dieser Dienstvertrag keine Daten zum Beginn und zum Ende des (Dienst
)Verhältnisses enthält. Darauf ist aber schon deswegen nicht weiter einzugehen, weil sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen lässt, dass dieser Umstand - der in der Beschwerde damit begründet wird, dass sich die Dauer des Dienstverhältnisses nach dem zu erteilenden Aufenthaltstitel richten sollte - als Grundlage für die Abweisung des gegenständlichen Antrages herangezogen wurde.
Unstrittig ist weiters, dass die Beschwerdeführerin zunächst eine Anzeigebestätigung des Arbeitsmarktservice für den Zeitraum vom bis zum und im Berufungsverfahren - auf Grund einer darauf gerichteten Aufforderung durch die bescheiderlassende Behörde - eine aktualisierte Anzeigebestätigung (diesmal für den Zeitraum bis ) vorgelegt hat. Der Verpflichtung des § 8 Abs. 5 NAG-DV wurde somit entsprochen.
Insoweit der Abweisung des Antrags zugrunde gelegt wurde, dass "eine Verlängerung (des) angestrebten Beschäftigungsverhältnisses nicht möglich" sei, ist dem entgegenzuhalten, dass weder § 62 NAG noch § 8 Abs. 5 NAG-DV für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 62 NAG darauf abstellen, ob eine (durch das Arbeitsmarktservice vorzunehmende) Verlängerung der Anzeigebestätigung - über den in der vorgelegten Anzeigebestätigung angegebenen sechsmonatigen Zeitraum hinaus - nach Ansicht der Niederlassungsbehörde möglich erscheint. Schon deshalb ist der angefochtene Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet.
Sollte die bescheiderlassende Behörde hingegen zum Ausdruck bringen wollen, dass der zugrunde liegende Antrag der Beschwerdeführerin angesichts der auf sechs Monate befristeten Anzeigebestätigung nur darauf gerichtet ist, längstens sechs Monate (und somit kürzer als die in § 1 Abs. 1 NAG für die Anwendbarkeit des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes vorgesehene Mindestaufenthaltsdauer von mehr als sechs Monaten) im Bundesgebiet aufhältig zu sein, so mangelt es dem angefochtenen Bescheid an entsprechenden Feststellungen, die diese Annahme tragen können.
Ausgehend davon war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am