VwGH vom 12.10.2010, 2009/05/0317
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Dr. R M in Rom, Italien, vertreten durch Dr. Martin Alt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6-8, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-444/09, betreffend Zurückweisung eines Abänderungsantrages nach § 68 Abs. 1 AVG in einer Bauangelegenheit (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 933/83 der Liegenschaft EZ 2952, KG Dornbach.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde der Beschwerdeführerin die Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem gegenständlichen Grundstück erteilt. Mit Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom und wurden Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben genehmigt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom , BOB - 286/08, wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien der Bauauftrag erteilt, das von der Baubewilligung vom und von der Planwechselbewilligung vom abweichende Kleinhaus abtragen zu lassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom , Zl. BOB - 129 bis 131/08, wurde die Bewilligung einer Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben und die Errichtung eines Zubaus versagt. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom selben Tag, Zl. BOB - 318 und 319/08, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Abweisung ihres Antrages auf Duldung von Arbeiten durch ihre Grundstücksnachbarn gemäß § 126 Bauordnung für Wien abgewiesen.
Mit dem Schreiben "Meldung über die eingetroffene Gegenstandslosigkeit des durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens BOB - 286/08 und aller davon abhängigen Verfahren BOB - 318 und 319/08 und BOB - 129 bis 131/08 und Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG aller o.a. Verfahren" vom legte die Beschwerdeführerin dar, dass sich wesentliche Sachverhaltselemente geändert hätten, das Gebäude nunmehr zulässig und die bezughabenden Bescheide daher gegenstandslos seien. Ausdrücklich führte die Beschwerdeführerin auch an, dass sie eine neue Entscheidung erwarte.
Am richtete die Beschwerdeführerin eine e-mail-Nachricht (gesendet 21:04 Uhr, bei der belangten Behörde eingelangt am ) an die belangte Behörde mit nachstehendem (auszugsweise wiedergegebenem) Inhalt:
"Nachtrag zur Meldung und zum Antrag vom (...) Im Fall meines Hauses handelt es sich um (am bereits gemeldete) entscheidungsrelevante Änderungen der sachlichen Identität der entschiedenen Verwaltungssache ('nova producta'), denn u.a. wurden alle Abweichungen des Hauses von den Bebauungsbestimmungen beseitigt (die nicht bewilligungsfähige Unterschreitung der Mindestabstände und die Überschreitung der höchstzulässigen Gebäudehöhe).
Es bleiben nur mehr viel weniger entscheidungsrelevante Abänderungen übrig, und zwar keine Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen, sondern nur Abänderungen vom bewilligten Projekt, die durchaus bewilligungsfähig sind, d.h. die geringfügig erhöhten Geländeanschüttungen an beiden nordseitigen Ecken, wobei der Gesetzgeber den Ausmaß von Anschüttungen nicht normiert (...), und das geringfügig umgeänderte Breite/ Länge- Verhältnis (minus/plus 40cm) des Hauses, das die MA 41-Stadtvermessung am im Zuge des Berufungsverfahrens schon als nicht relevant begutachtet hat. ...
(...)
Ich darf noch einmal festhalten, im Berufungsbescheid BOB-
286/08 ist Folgendes auf Seite 90 zu lesen:
Zwar führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass Einzelfälle denkbar sind, in denen durch eine geringfügige Verschiebung eines Bauwerkes nicht vom Vorliegen eines rechtlichen 'aliud' auszugehen ist, doch weist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0072, darauf hin, dass zu beachten ist, dass es im Beschwerdefall nicht allein auf eine Verschiebung der Lage des Gebäudes um einige Zentimeter, sondern dass gerade durch diese Abweichung vom genehmigten Plan eine Unterschreitung der Mindestabstände eingetreten ist. Die Nichteinhaltung der Abstandsvorschriften ist jedenfalls als wesentliche Änderung anzusehen.
Da die Unterschreitung der Mindestabstände nach dem Erlassen des Berufungsbescheides beseitigt wurde, wie im schon angegebenen beeideten Vermessungsplan vom nachgewiesen ist, darf der gegenständliche Fall unter den von der Bauoberbehörde oben erwähnten 'denkbaren' Einzelfällen, in denen nicht vom Vorliegen eines rechtlichen 'aliud' auszugehen ist, betrachtet werden.
'Nova producta' müssen die Bauoberbehörde zu notwendigen amtswegigen Ermittlungen zwecks neuer Sachentscheidung gem. § 68 Abs. 1 AVG bewegen, ohne von einer Partei aufgefordert zu werden, bzw. ohne abzuwarten, ob eine Partei im Antrag den richtigen Paragraphen errät oder nicht.
Damit es aber am eindeutigsten wird, beantrage ich hiermit eine neue Sachentscheidung gem. § 68 Abs. 1 AVG und gem. allen anderen eventuellen Paragraphen, die im gegenständlichen Fall einzuziehen wären.
Ich beantrage näher hiermit, dass das Haus in seinem neuen Zustand NICHT IDENT mit demjenigen des Bescheides 286/08 und aller davon abhängigen Bescheiden erkannt wird.
(...)
Ob das Haus in seinem neuen Zustand den drei erteilten Bewilligungen im Wesentlichen entspricht oder die erfolgten Projektmodifikationen (geringfügige Erhöhung der Geländeanschüttungen an den nordseitigen Ecken und um minus/plus 40 cm abgeändertes Breite/Länge Verhältnis des Hauses) eine Bewilligung von der Bauoberbehörde gem. § 66 Abs. 4 AVG benötigen, muss daher neuerlich entschieden werden. Ich werde umgehend einen Änderungsplan an die Bauoberbehörde vorlegen, der die drei am 25. Mai schon abgegebenen Geometerpläne zusammenfassen und ergänzen soll, in eventu, dass die Bauoberbehörde über eine Bewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu entscheiden hat.
(...)
In Erwartung Ihrer neuerlichen Entscheidung beantrage ich hiermit auch aufschiebende Wirkung bezüglich Bescheid BOB 286/08 und aller davon abhängigen Bescheiden mit der Bitte um umgehende Antwort dies betreffend."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom "um Abänderung der rechtskräftigen Bescheide der belangten Behörde vom zu den Zahlen BOB - 286/08, BOB - 129 bis 131/08 und BOB - 318 und 319/08 gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) zurückgewiesen".
Begründend führte die belangte Behörde aus, entgegen dem Titel "Nachtrag zur Meldung und zum Antrag vom " handle es sich bei dem nunmehr vorliegenden Schreiben der Beschwerdeführerin um einen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG, womit eine neue Sachentscheidung in der mit dem rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde erledigten Verwaltungssache (BOB - 286/08) sowie "aller davon abhängiger Bescheide" - damit seien die Berufungsbescheide der belangten Behörde zu den Zahlen BOB - 129 bis 131/08 und BOB - 318 und 319/08 gemeint - beantragt werde. Die beantragte "aufschiebende Wirkung" bezüglich des Abbruchsbescheides werde von der belangten Behörde als Antrag auf Erstreckung der Leistungsfrist gedeutet, sohin ebenfalls als Antrag auf Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides. Die belangte Behörde führte weiters aus, sie sehe sich nicht veranlasst, von ihrem Recht gemäß § 68 Abs. 2 AVG Gebrauch zu machen. Die Leistungsfrist sei mit Berufungsbescheid der belangten Behörde von ursprünglich drei auf nunmehr neun Monate verlängert worden und es sei noch darauf hinzuweisen, dass dann, wenn ein Verfahren betreffend eine nachträgliche Baubewilligung anhängig sei, ein Beseitigungsauftrag nicht vollstreckt werden dürfe. Die Voraussetzungen für eine Verfügung gemäß § 68 Abs. 3 oder 4 AVG lägen nicht vor und es würden auch von der Beschwerdeführerin keine derartigen Tatsachen behauptet. Die Beschwerdeführerin sei hinsichtlich ihres Begehrens, die belangte Behörde möge "aufgrund mittlerweile geänderter Eigenschaften des Gebäudes neue Sachentscheidungen treffen", darauf hinzuweisen, dass die Erteilung einer Baubewilligung einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt darstelle und daher die Beschwerdeführerin einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung bei der Baubehörde erster Instanz einzubringen habe.
Dagegen richtet sich die nunmehr vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, - in eventu - Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Es lasse sich aus der Entscheidung der belangten Behörde nicht entnehmen, ob diese überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen habe, bzw. ließen sich auch die dafür allfällig herangezogenen Kriterien nicht nachvollziehen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall beantragte die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde möge in rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren eine Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG treffen.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen kann in Wahrung des öffentlichen Wohles die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde andere Bescheide insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Missständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist.
Gemäß Abs. 7 des § 68 leg. cit. steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 AVG zu ahnden.
Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann wegen "res iudicata" zurückzuweisen, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahin lautet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0097).
Nach § 68 Abs. 7 AVG kann somit die Ausübung der behördlichen Abänderungsbefugnis zwar angeregt werden, ein Rechtsanspruch darauf besteht aber nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/05/0002, und vom , Zl. 2006/05/0152). Schon aus diesem Grund konnte die Beschwerdeführerin durch die Zurückweisung ihres Antrages vom in keinen Rechten verletzt sein.
Als wesentliche Begründung für ihren "Antrag" auf Abänderung der rechtskräftigen Bescheide führt die Beschwerdeführerin ins Treffen, dass sie nunmehr alle wesentlichen Abweichungen ihres Hauses von der ursprünglichen Bewilligung beseitigt habe und sie dadurch den nach Erfüllung des Bauauftrages vorgesehenen ordnungsgemäßen Zustand hergestellt habe. Lediglich "weniger entscheidungsrelevante Abänderungen" seien noch vorzunehmen. Auch dieses Vorbringen kann die Beschwerdeführerin nicht zum Erfolg führen.
Nach der hg. Rechtsprechung ist in der Herstellung des in einem Bescheid geforderten Zustandes keine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu erblicken, die eine neuerliche Sachentscheidung zuließe. Daher führt die Befolgung der im Bescheid getroffenen normativen Anordnung nach Eintritt seiner Rechtskraft auch nicht zur Aufhebung oder Abänderung des ursprünglichen Bescheides; ein darauf gerichteter Antrag ist gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. dazu Hengstschläger-Leeb AVG (2009), 4. Teilband, Seite 1168, Rz 28, und die dort referierte hg. Judikatur).
Da die Beschwerdeführerin keine sonstigen wesentlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage vorbringt, außer, dass sie die "wesentlichen Abweichungen" des Gebäudes von der Baubewilligung nunmehr beseitigt hat, erfolgte die Zurückweisung der Abänderung des Bauauftrages zu Recht.
Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin geforderten "Feststellung" mit dem Inhalt, "dass das Haus in seinem neuen Zustand nicht ident mit demjenigen des Bescheides BOB-286/08 und aller davon abhängigen Bescheide" erkannt werden möge, ist darauf hinzuweisen, dass sich für einen derartigen Feststellungsbescheid keine Rechtsgrundlage findet.
Der Antrag, dem Bauauftrag und allen damit zusammenhängenden Entscheidungen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde von der belangten Behörde im gegebenen Sachzusammenhang zutreffend als Antrag auf neuerliche Erstreckung der Leistungsfrist gedeutet.
Diesbezüglich hat die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Rechtslage ausgeführt, dass die Bauordnung für Wien eine Verlängerung der bescheidmäßig festgesetzten Frist für die Behebung von Konsenswidrigkeiten nicht normiert. Die gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien in einem Bescheid festgesetzte Erfüllungsfrist stellt - als eine Frist gemäß § 59 Abs. 2 AVG - einen Bestandteil des Spruches des baupolizeilichen Auftrages dar und ist von dessen Rechtskraft erfasst. Ein Antrag auf Verlängerung der Erfüllungsfrist kann daher nur als Antrag auf Abänderung des rechtskräftigen baupolizeilichen Auftrages angesehen werden. Einem Ansuchen um Verlängerung der Erfüllungsfrist eines baupolizeilichen Auftrages steht daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG res iudicata entgegen. Die Beschwerdeführerin hat keinen Rechtsanspruch auf die neuerliche Erstreckung der Erfüllungsfrist eines in Rechtskraft erwachsenen Bauauftrages (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0209, mit weiteren Nachweisen).
Es erweist sich sohin die zurückweisende Entscheidung der belangten Behörde als rechtmäßig. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am