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VwGH vom 15.05.2012, 2009/05/0305

VwGH vom 15.05.2012, 2009/05/0305

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der I W-S in Wien, vertreten durch Mag. Klaus Kabelka, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Kleistgasse 21/8, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-157/09, betreffend eine Orientierungsnummer (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom richtete der Magistrat der Stadt Wien, MA 37, an die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Liegenschaft eine Mitteilung folgenden Inhalts:

"Gemäß § 49 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit dem Beschluss des Gemeinderates vom , PrZ. 241/01- GWS wird bekannt gegeben, dass für das auf der Liegenschaft EZ 382 der Kat. Gemeinde S im X. Bezirk, Grundstück Nr. 183/12 errichtete Gebäude die folgende Adresse mit folgender Orientierungsnummer festgesetzt wird:

Hauptadresse : Mgasse 11

Hinweis auf Rechtsvorschriften

Gemäß § 49 Abs. 1 der Bauordnung für Wien besteht seitens der Gebäudeeigentümer die Verpflichtung, die oben bekannt gegebene Orientierungsnummer nächst dem Hauseingang bzw. Liegenschaftszugang binnen 4 Wochen von der Verkehrsfläche aus lesbar anzubringen und stets lesbar zu erhalten. Alle anderen Orientierungsnummern sind zu entfernen.

Hinweis

Die Nummerntafeln sind gemäß Beschluss des Gemeinderates vom , 230 x 330 mm groß auszuführen, die Bezeichnung der Verkehrsfläche und der Orientierungsnummer hat in weißer Schrift auf blauem Grund zu erfolgen."

Nach mehrfacher Korrespondenz zwischen der Beschwerdeführerin, die sich gegen die Abänderung ihrer bisherigen Adresse Mgasse 3 in Mgasse 11 wandte, und dem Magistrat der Stadt Wien, MA 37, stellte die Beschwerdeführerin mit am bei der MA 37 eingelangtem Schreiben einen "Antrag auf bescheidmäßige Entscheidung über die Ordnungsnummer der Liegenschaft E.Z. 382 KG S Mgasse 3, Wien"; hilfsweise beantragte sie, bescheidmäßig festzustellen, "dass hinsichtlich der Zuweisung einer Ordnungsnummer oder der Änderung einer Ordnungsnummer kein Bescheid notwendig wäre".

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde sowohl den Hauptantrag als auch den Eventualantrag der Beschwerdeführerin zurück. Begründend führte sie nach Darstellung der Rechtslage aus, die Festsetzung von Orientierungsnummern von Gebäuden sei ein privatwirtschaftlicher Akt der Straßenverwaltung und kein Hoheitsakt. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei die neue Hausnummer aus sachlichen Erwägungen im allgemeinen Interesse zur Einhaltung einer geordneten Reihenfolge der Orientierungsnummern vergeben worden, zumal in der Mgasse vor den bestehenden Adressen mit den Nummern 1 bis 3 weitere Adressen hinzukommen würden. Die Änderung sei daher zur Wiederherstellung einer geordneten Reihenfolge und Hintanhaltung einer unmittelbar drohenden Verwechslungsgefahr geboten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 726/09-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die Beschwerdeführerin ergänzte die Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die vorliegend maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten (auszugsweise):

1.1. Bauordnung für Wien (BO):

"4. Teil

Andere Eigentumsbeschränkungen

Technische Vorarbeiten

§ 47. …

Duldung öffentlicher Einrichtungen an Gebäuden oder auf Grundstücken

§ 48. …

Bauwerks- und Wohnungsnummerierung

§ 49. (1) Jeder Eigentümer eines Bauwerkes ist verpflichtet, die ihm bekanntgegebene Orientierungsnummer samt der Bezeichnung der Verkehrsfläche in der vorgeschriebenen Ausführung anzuschaffen, an der von der Behörde bestimmten Stelle anzubringen und stets lesbar zu erhalten. Liegt das Bauwerk an mehreren Verkehrsflächen, so gelten diese Verpflichtungen für jede Verkehrsfläche. Durch Verordnung des Gemeinderates können nähere Vorschriften über die Ausführung der Tafeln für Orientierungsnummern erlassen werden.

(2) Beschließt die Gemeinde, die Bauwerke in einer neuen Art einheitlich zu nummerieren oder die Verkehrsfläche umzubenennen, sind die Eigentümer (alle Miteigentümer) bestehender Bauwerke verpflichtet, das Entfernen der vorhandenen Tafeln und das Anbringen der neuen Tafeln durch die Gemeinde zu dulden.

(3)…"

1.2. Beschluß des Wiener Gemeinderates über die einheitliche Numerierung der Gebäude vom , ABl. der Stadt Wien 1958/100:

"§ 1 Alle Gebäude sind einheitlich zu numerieren.

§ 2 Die Nummerntafeln sind wie folgt auszuführen: Die Tafeln

sind 230 x 330 mm groß und haben einen aufgestellten Rand. Auf blauem Grund ist eine weiße freistehende Randlinie angebracht. Die Bezeichnung der Verkehrsfläche und der Orientierungsnummer werden in weißer Schrift angeführt.

§ 3 Dieser Beschluß tritt am in Kraft."

1.3. Beschluss des Gemeinderates vom , PrZ 241/01-GWS, über die Vergabe von Orientierungsnummern für Straßen, Gassen und Plätze in Wien, vom , ABl. der Stadt Wien 2001/29:

"Der Gemeinderat hat beschlossen:

§ 1. Die Straßen, Gassen und Plätze in Wien sind wie folgt zu nummerieren:

1. Die Straßen und Gassen haben für sich abgeschlossen fortlaufende Nummern (Orientierungsnummern) zu erhalten, und zwar rechts die geraden und links die ungeraden. In jeder Straße oder Gasse hat demnach die Nummerierung mit der Orientierungsnummer 1 zu beginnen.

2. Die niederen Nummern haben in den Längsstraßen und -gassen bei der dem Stadtzentrum - das heißt dem Stephansplatz - zugekehrten Seite, in den Querstraßen und -gassen in der Regel an der linken Seite zu beginnen. Längsstraßen und -gassen sind jene, welche in radialer Richtung verlaufen; alle anderen sind Querstraßen und gassen.

3. Plätze sind im Kreise von links nach rechts mit fortlaufenden Zahlen, beginnend mit der Orientierungsnummer 1, zu versehen.

4. Jede Liegenschaft, die an eine öffentliche Verkehrsfläche, auch an eine Verkehrsfläche nach § 53 der Bauordnung für Wien, angebunden ist, erhält, jedenfalls im Falle einer Bebauung, eine oder mehrere Orientierungsnummern. Bei der Lage an mehreren Verkehrsflächen erhält die Liegenschaft an jeder Verkehrsfläche eine oder mehrere Orientierungsnummern. Bei Kleingartengebieten, Kleingartengebieten für ganzjähriges Wohnen und Gartensiedlungsgebieten kann jeder Zugang von der öffentlichen Verkehrsfläche eine Orientierungsnummer erhalten.

Orientierungsnummern können schon vor Benennung einer Verkehrsfläche vergeben werden; sie sind grundsätzlich bei Baubeginn zu vergeben. Eine Änderung einer einmal vergebenen oder derzeit bestehenden Orientierungsnummer ist nur im Falle von Gefahr in Verzug (z.B. Verwechslungsgefahr für Rettung, Feuerwehr und dergleichen) vorzunehmen.

§ 2. Dieser Beschluss tritt am in Kraft. Mit dem Inkrafttreten dieses Beschlusses tritt Punkt B. des Beschlusses des Stadtrathes der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien vom 7. Februar 1894, Amtsblatt der k.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien Nr 14/1894, außer Kraft."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Gegenstand der Beschwerde ist ein zurückweisender und somit verfahrensrechtlicher Bescheid, sodass nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Anträge der Beschwerdeführerin Thema des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein kann. Ob die belangte Behörde - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - inhaltlich zu Recht von einem Anwendungsfall des § 49 Abs. 1 BO ausgegangen ist, ist daher nicht zu prüfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/05/0204).

2.2. Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass die belangte Behörde keine "bescheidmäßige Entscheidung über die Ordnungsnummer der Liegenschaft E.Z. 382 KG S Mgasse 3, Wien" getroffen, sondern ihr lediglich die oben wiedergegebene "Mitteilung" zugestellt hat.

2.2.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus § 49 Abs. 1 und 2 BO weder eine Verpflichtung der Behörde ergibt, Orientierungsnummern bescheidförmig festzulegen (arg. "bekanntgegebene" Orientierungsnummer), noch ein subjektivesöffentliches Recht des Eigentümers eines Gebäudes auf Zuweisung oder Beibehaltung einer bestimmten Hausnummer (vgl. die zu den in dieser Hinsicht gleichgelagerten Bestimmungen des § 31 der NÖ Bauordnung und des § 18 des Salzburger Baupolizeigesetzes ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/05/0263, vom , Zl. 2005/05/0188, und vom , Zl. 2009/06/0235).

2.2.2. Laut der zitierten Mitteilung sollte die Beschwerdeführerin jedoch verpflichtet werden, die ihr bekannt gegebene Orientierungsnummer in einer bestimmten Form nächst dem Hauseingang bzw. Liegenschaftszugang binnen 4 Wochen von der Verkehrsfläche aus lesbar anzubringen und stets lesbar zu erhalten sowie alle anderen Orientierungsnummern zu entfernen. Dabei handelt es sich um eine die gesetzliche Verpflichtung des § 49 Abs. 1 BO konkretisierende hoheitliche Anordnung, welche jedenfalls im Streitfall mit vollstreckbarem Bescheid zu treffen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlgNF 4810 A, sowie Moritz , BauO für Wien4 (2009) Anm. zu § 49 Abs. 1; zum Bescheidbegriff vgl. etwa die bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 56 Rz 1 ff. zitierte Rechtsprechung).

Dies hat die belangte Behörde verkannt, indem sie den "Antrag auf bescheidmäßige Entscheidung über die Ordnungsnummer" zurückgewiesen hat.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am