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VwGH vom 24.01.2012, 2011/11/0018

VwGH vom 24.01.2012, 2011/11/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard-Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid der Stellungskommission Tirol vom , Zl. P960941/2-MilKdo T/Erg/2010, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 9 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 des Wehrgesetzes 2001 (WehrG) die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst mit "tauglich" festgestellt.

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Die maßgebenden Bestimmungen des WehrG lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Aufnahmebedingungen

§ 9. (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen. ...

...

Aufgaben der Stellungskommission

§ 17. (1) Den Stellungskommissionen obliegt, soweit ihnen nicht in anderen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder in anderen Rechtsvorschriften weitere Aufgaben übertragen sind, die Feststellung der Eignung der Stellungspflichtigen und der Personen, die sich freiwillig der Stellung unterziehen, zum Wehrdienst. Hiebei haben die Stellungskommissionen auch Wünsche der angeführten Personen hinsichtlich der Zuteilung zu Waffen- und Truppengattungen und zu Truppenkörpern entgegenzunehmen sowie Erhebungen über die Ausbildung und besonderen Fachkenntnisse dieser Personen anzustellen.

(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der Personen nach Abs. 1 zum Wehrdienst auf Grund der zur Feststellung dieser Eignung durchgeführten ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen:

'Tauglich', 'Vorübergehend untauglich', 'Untauglich'. Erscheint für diese Feststellung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die Personen nach Abs. 1 von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder oder der nach § 16 Abs. 2 an ihre Stelle tretenden Ersatzmitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf 'Tauglich' lautender Beschluss bedarf jedoch der Zustimmung des Arztes.

(3) Stellungspflichtige, deren vorübergehende Untauglichkeit festgestellt wurde, sind nach Ablauf der von der Stellungskommission für die voraussichtliche Dauer ihrer vorübergehenden Untauglichkeit festgesetzten Frist vom Militärkommando aufzufordern, sich zu dem in der Aufforderung bestimmten Zeitpunkt einer neuen Stellung zu unterziehen. ...

...

(6) Gegen die Beschlüsse der Stellungskommission nach Abs. 2 ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Die Stellungskommissionen haben den Personen nach Abs. 1 über diese Beschlüsse eine Bescheinigung auszustellen.

..."

2. Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend damit auseinander gesetzt, welchen Einfluss die beim Beschwerdeführer vorliegende Wespengiftallergie auf seine Tauglichkeit habe. Entscheidend seien die Auswirkungen eines - bei Ausbildung oder Einsatz im Bundesheer nicht auszuschließenden - Wespenstichs. Nach Auffassung des Beschwerdeführers bestehe im Fall eines Wespenstichs für ihn Lebensgefahr, was er im Verfahren durch ärztliche Befunde dokumentiert habe; dem sei die belangte Behörde nicht entgegen getreten.

3. Dieses Vorbringen ist zielführend.

3.1. Hinsichtlich der Anforderungen an die Beurteilung eines über die Tauglichkeit eines Stellungspflichtigen entscheidenden Beschlusses der Stellungskommission wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0154, verwiesen.

3.2. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids liegt beim Beschwerdeführer eine Wespengiftallergie vor. Bei der Stellungsuntersuchung am wurde deshalb, so der angefochtene Bescheid einleitend, "zur Abklärung der RAST-Klasse eine weiterführende Facharztuntersuchung" angeordnet. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass seitens der Stellungskommission eine fachärztliche Kontrolluntersuchung durch einen Dermatologen zur Beantwortung der Frage "Ist mit allergischer Reaktion zu rechnen?" für erforderlich erachtet wurde.

In dem daraufhin vom Beschwerdeführer vorgelegten Befundbericht der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie vom heißt es über den Beschwerdeführer:

"Wir berichten über (den Beschwerdeführer)

Diagnose(n):

-Wespengiftallergie

Befunde:

siehe Anhang

Dekurs:

Vor 3 Jahren wurde der Patient von einer Wespe in die linke Hand gestochen, binnen 15 Minuten kam es zu Schwellungen an beiden Unterarmen und einem Angioödem cervikal, weiters Globusgefühl. Es bestand keine Urticaria, keine Übelkeit und kein Erbrechen. Nach Notfallversorgung war der Patient völlig beschwerdefrei. In weiterer Folge wurde bei Dr. G eine spezifische Immuntherapie auf Wespengift für 3 Jahre durchgeführt. Seither wurde der Patient von keiner Wespe mehr gestochen.

Mit dem Patienten wird die Beendigung der spezifischen Immuntherapie auf Wespengiftallergie besprochen, ein Notfallset wurde rezeptiert und dessen Handhabung erklärt."

In einer Bestätigung des Dr. G, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, vom wiederum wird ausgeführt:

"Betrifft: (Beschwerdeführer)

Diagnose: Wespengiftallergie, Z. n. Hyposensibilisierung;

Eine Austestung (Blutabnahme mittels RAST-Befund) ergibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage darüber ob der Patient auf einen erneuten Wespenstich allergisch reagiert oder nicht. Um zu einer gesicherten Aussage zu kommen, müsste der Patient unter kontrollierten Bedingungen von einer Wespe gestochen (Feldstich) werden. In Österreich ist dies unüblich, der Patient könnte sich allerdings an die Allergieabteilung der Hautklinik Innsbruck wenden, wo dies in Ausnahmefällen gemacht wird."

Der Beschwerdeführer machte im Rahmen des Parteiengehörs mit Schriftsatz vom geltend, es sei nicht festgestellt worden, welche Allergie gegen Wespen tatsächlich bei einem Stich derzeit bestehe; für die Eignung zum Bundesheer seien aber die tatsächlichen Auswirkungen eines Wespenstiches entscheidend. Falls im Zuge der Ausbildung ein Wespennest berührt werde, zeige die Lebenserfahrung, dass meistens eine Vielzahl von Wespen gleichzeitig stechen und er dadurch in Lebensgefahr kommen könne. Es sei beim Bundesheer nicht sichergestellt, dass in jeder Situation bei der Ausbildung oder im Einsatz das Notfallset mitgeführt und in der Praxis erfolgreich angewendet werden könne. Besonders problematisch sei die Tatsache, dass der Bluttest vom einen RAST-Wert von 3 ergeben habe, während er am bei 6 gelegen sei.

3.3. Vor dem Hintergrund, dass beim Beschwerdeführer unstrittig eine Wespengiftallergie vorliegt, wäre es - zumal nicht etwa notorisch ist, dass eine solche Allergie keine wesentlichen Auswirkungen auf den menschlichen Körper und daraus resultierende Einschränkungen haben kann - erforderlich gewesen, dass die belangte Behörde begründete Ausführungen zur Frage tätigt, ob und in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer auf Grund dieses Zustands in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (vgl. das - eine Bienengiftallergie betreffende - hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0061).

3.4. Dieser Verpflichtung ist die belangte Behörde nicht nachgekommen: Obwohl die anlässlich der Stellung aufgeworfene Frage, ob im Fall eines Wespenstiches mit einer allergischen Reaktion zu rechnen sei, ebenso unbeantwortet blieb wie die nach deren Auswirkungen, ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - ohne Begründung - davon aus, dass "diese Einschränkungen" nicht die Eignung im Sinne des § 9 WehrG in Frage stellten, sondern nur die Dienstfähigkeit. Darauf sei aber bei der Heranziehung zu den einzelnen Ausbildungsvorhaben während der Leistung des Präsenzdienstes Bedacht zu nehmen. Im Übrigen sei dem Zustand des Beschwerdeführers durch "Vergabe der Wertungsziffer Rechnung getragen" worden, "sowie auch in der Vergabe eines Einrückungstermins im Herbst, sodass die Gefahr eines Wespenstiches minimiert" sei.

3.5. Dem ist lediglich zu entgegnen, dass die Unterlassung von Feststellungen zur Frage der Auswirkungen der bestehenden Allergie nicht durch den Hinweis auf eine - im Übrigen nicht näher dargestellte - "Wertungsziffer" saniert werden kann. Soweit die belangte Behörde auf einen möglichen Einrückungstermin im Herbst verweist, hat sie offensichtlich auch verkannt, dass die Voraussetzungen für die Leistungsfähigkeit des Betreffenden, um den Wehrdienst leisten zu können, nicht nur eingeschränkt auf eine bestimmte Jahreszeit oder Außentemperatur vorliegen müssen, sondern bei jeder Witterung und das ganze Jahr über (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl 2004/11/0023).

4. Da die belangte Behörde - auf Basis einer unrichtigen Rechtsansicht - die erforderliche Ergänzung unterließ, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Das die Grenzen der erwähnten Pauschalierungsverordnung übersteigende Kostenmehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-88070