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VwGH vom 19.03.2014, 2013/21/0189

VwGH vom 19.03.2014, 2013/21/0189

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der R H (vormals: R) in B, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Beirut vom , betreffend Verweigerung eines Visums, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

Die 1984 geborene Beschwerdeführerin ist libanesische Staatsangehörige. Sie ist seit mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet.

Am stellte die Beschwerdeführerin bei der österreichischen Botschaft Beirut (der belangten Behörde) den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für einen beabsichtigten Aufenthalt von 6 Monaten, nämlich vom bis . Als Zweck der Reise war "Study" und "Visiting family or friends" angekreuzt. Als Einlader war ihr Ehemann angeführt worden, der die Reise- und Aufenthaltskosten tragen sollte und der bereits am eine elektronische Verpflichtungserklärung abgegeben hatte. Dieser Erklärung lässt sich als "Reisegrund" der von der Beschwerdeführerin beabsichtigte Besuch eines Sprachkurses in einer Volkshochschule am Wohnort ihres Ehemannes entnehmen. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes der Beschwerdeführerin als selbständiger Unternehmer wurde - entsprechend einer angeschlossenen, auf Basis des Jahresabschlusses zum erstellten Bestätigung vom - mit EUR 1.710,-- angegeben; laut einer weiteren, auf Basis des vorläufigen Jahresabschlusses zum erstellten, im Verwaltungsakt befindlichen Bestätigung vom betragen die monatlichen Nettoeinkünfte des Ehemannes der Beschwerdeführerin gerundet EUR 2.595.--. Die monatlichen Gesamtkosten für die Mietwohnung wurden mit EUR 850,-- angegeben. Weiters wurden Nachweise betreffend Flugreservierungen für den 30./ bzw. für den 26./ und eine Krankenversicherungspolizze vorgelegt.

Am erhielt die Beschwerdeführerin die formularmäßige Mitteilung, wonach seitens der Österreichischen Botschaft Beirut keine weiteren Dokumente mehr benötigt würden. Eine Prüfung habe aber ergeben, dass dem Antrag gemäß den Bestimmungen des Visakodex bzw. des österreichischen Fremdenpolizeigesetzes nicht stattgegeben werden könne. Zur Begründung wurden - soweit noch relevant - folgende Textbausteine angekreuzt:

"Sie haben nicht den Nachweis erbracht, dass Sie über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts oder für die Rückkehr in Ihren Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat verfügen, in dem Ihre Zulassung gewährleistet ist, oder Sie sind nicht in der Lage, diese Mittel rechtmäßig zu

erlangen. ... Da keine tragfähige Verpflichtungserklärung

nachgewiesen werden konnte.

...

Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, konnte nicht festgestellt werden."

Unter einem wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, vor einer endgültigen Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung eines Visums innerhalb von sieben Kalendertagen eine abschließende Stellungnahme einzubringen.

Eine solche Stellungnahme gab die Beschwerdeführerin in der Folge - anwaltlich vertreten - mit Schriftsatz vom ab. Insbesondere wurde dort unter Hinweis auf die Verpflichtungserklärung des Ehemannes der Beschwerdeführerin und die dazu übermittelten Unterlagen vorgebracht, er führe in V. ein Technologieunternehmen mit einem jährlichen Umsatz von rund EUR 150.000,--; er verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. EUR 2.600,--. Er habe keine weiteren Sorgepflichten, sodass er über ausreichende Mittel verfüge, die Kosten des Aufenthalts der Beschwerdeführerin, für die auch eine entsprechende Krankenversicherung abgeschlossen worden sei, zu finanzieren. Aus dem bereits vorgelegten "Rückreiseticket" ergebe sich die Absicht der Beschwerdeführerin, vor Ablauf des Visums Österreich wieder zu verlassen. Sie wolle nur ihren Ehemann in Österreich besuchen und diese Zeit nützen, sich entsprechende Deutschkenntnisse anzueignen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom verweigerte die belangte Behörde ungeachtet dieser Stellungnahme und ohne weiteres Verfahren die Ausstellung des beantragten Visums. Sie bediente sich dabei eines formularmäßigen Vordrucks, in dem durch Ankreuzen einzelner Ziffern des § 21 Abs. 1 und 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) zum Ausdruck gebracht wurde, dass die dort normierten Voraussetzungen für eine Visumserteilung - nämlich, dass die Wiederausreise der Beschwerdeführerin gesichert erscheine, dass sie über ausreichende Mittel für den Unterhalt und die Wiederausreise verfüge und dass ihr Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte - nicht vorlägen. Aufgrund dieser Bestimmungen des FPG habe der Antrag abgelehnt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift absah, erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung des BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Die Beschwerdeführerin hat der Sache nach die Ausstellung eines Aufenthaltsvisums ("Visum D") nach § 20 Abs. 1 Z 4 FPG (idF des FrÄG 2011) für einen Zeitraum von sechs Monaten beantragt. Von daher waren - wie bei der Erlassung des bekämpften Bescheides von der belangten Behörde dann auch erkannt wurde - ausschließlich die Vorschriften des FPG maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0045, mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0028; vgl. idS auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0008).

Der vorliegende Fall war daher an Hand der nachstehenden Anordnungen des mit "Erteilung von Visa" überschriebenen § 21 FPG (idF des FrÄG 2009) zu prüfen; diese Bestimmung lautete auszugsweise wie folgt:

"§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn


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1.
...
2.
die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;
3.
öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und
...

(4) Die Behörde hat bei der Beurteilung der nach Abs. 1 Z 3 zu treffenden Interessensabwägung jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthalts des Fremden ausgehend

1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und gegebenenfalls die Dauer seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet und

2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange und die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen.

(5) Öffentliche Interessen stehen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn


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1.
...
2.
der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel für seinen Unterhalt und für die Wiederausreise verfügt;
3.
der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;
...

(6) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens von Tatsachen gemäß Abs. 5 Z 1, 2 oder 3 ein Visum erteilen, wenn … auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten.

..."

Den vorgelegte Verwaltungsakten lässt sich entnehmen, dass die belangte Behörde offenbar von einem beabsichtigten "Familiennachzug" ausgegangen ist, zumal sie die Beschwerdeführerin bei der Bescheidzustellung an ihren Rechtsvertreter darauf hingewiesen hat, es wäre "gem. § 21/1 NAG" - somit vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus - ein Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung einzubringen. In diesem Zusammenhang ist im Akt vermerkt, es würden gravierende Zweifel am gesicherten Unterhalt ("fehlende Geldmittel") und damit an der Tragfähigkeit der Verpflichtungserklärung des Ehemannes der Beschwerdeführerin bestehen.

Dazu ist noch einmal klarzustellen, dass für die Frage des Vorliegens ausreichender Mittel iSd § 21 Abs. 5 Z 2 iVm Abs. 6 FPG die Regelungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), nämlich § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG, die im Wesentlichen auf die Richtsätze des § 293 ASVG abstellen, keine Anwendung finden (vgl. das schon genannte Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0045). Ausgehend von dem von der belangten Behörde nicht bestrittenen monatlichen Nettoeinkommen des Ehemanns der Beschwerdeführerin zuletzt in der Höhe von ca. EUR 2.600,-- ist dann aber auch unter Bedachtnahme auf die monatlichen Wohnungskosten in der Höhe von EUR 850,-- nicht zu sehen, weshalb der beabsichtigte 6-monatige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann und ihre Wiederausreise nicht zu finanzieren seien. Die gegenteilige, dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Auffassung der belangten Behörde ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wurde von ihr auch die nach § 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 4 FPG gebotene Interessenabwägung, die angesichts des beabsichtigten Besuchs des in Österreich lebenden Ehemanns indiziert gewesen wäre, nicht durchgeführt (vgl. zum Ganzen noch einmal das schon erwähnte Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0045, mwN).

Auf dieses Erkenntnis kann schließlich gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auch zu der von der belangten Behörde als iSd § 21 Abs. 1 Z 2 FPG nicht gesichert angesehenen rechtzeitigen Wiederausreise verwiesen werden. Nach der dort dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist, wenn nicht gegenteilige Indizien bekannt sind, davon auszugehen, dass der Fremde vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums wieder ausreisen werde. Solche gegenteiligen Indizien - insbesondere ein bisheriges fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten der Beschwerdeführerin oder konkrete Anhaltspunkte für ein solches in der Zukunft - sind aber im vorliegenden Fall der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Davon ausgehend ist es nicht mehr von Relevanz, dass der Beschwerdeführerin vor der Abweisung ihres Antrages auch kein genügend konkretisierter Vorhalt in Bezug auf die herangezogenen Abweisungsgründe gemacht wurde (siehe zu dieser Pflicht das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0043, mwN; vgl. daran anschließend für den Bereich des Visakodex das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0158, Punkt 3.; siehe dazu noch das auch die belangte Behörde und einen ähnlichen Fall wie den vorliegenden betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0064). Der angefochtene Bescheid war nämlich schon nach dem davor Gesagten - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-88037