VwGH vom 23.08.2012, 2009/05/0288

VwGH vom 23.08.2012, 2009/05/0288

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des E S und 2. der Er S, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Georg Döcker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Hoher Markt 8-9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1- BR-1049/002-2009, betreffend Kanalanschlussverpflichtung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu setzen.

Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

I.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer einer Liegenschaft mit der Grundstücksadresse M.-Gasse in K.

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom wurde ihnen gemäß § 17 Abs. 1 und 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 (KanalG) und gemäß § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) für ihre Liegenschaft der Anschluss an den in der M.-Gasse gelegten Schmutzwasserkanal aufgetragen.

Der von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Gemeinde vom keine Folge gegeben.

Auf Grund der von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Vorstellung wurde dieser Berufungsbescheid mit Bescheid der belangten Behörde vom behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat zurückverwiesen. Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass eine Anschlussmöglichkeit im Sinn des § 62 Abs. 2 BO erst dann zu bejahen sei, wenn der Kanalanschluss technisch durchführbar sei, was nicht mit der wirtschaftlichen Zumutbarkeit verwechselt werden dürfe. Obwohl die Beschwerdeführer in ihrer Berufung auch vorgebracht hätten, es sei technisch nicht machbar, ihre Liegenschaft an den bestehenden Schmutzwasserkanal anzuschließen, weil der Kanal unter ihrem Haus verlegt werden müsste, habe der Stadtrat auf Grund seiner verfehlten Rechtsansicht, dass die Frage der technischen Möglichkeit des Kanalanschlusses nicht zu prüfen sei, keine weiteren Ermittlungen in dieser Hinsicht angestellt. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass der Anschluss der Liegenschaft an den öffentlichen Schmutzwasserkanal technisch grundsätzlich möglich sei, dann stünden selbst hohe Anschlusskosten der Anschlussverpflichtung nicht im Wege.

Mit Bescheid des Stadtrates vom wurde der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 2 und 3 BO (neuerlich) keine Folge gegeben. Dazu führte der Stadtrat (u.a.) aus, bei der gemeinsamen Begehung am an Ort und Stelle sei festgestellt worden, dass der Anschluss an den öffentlichen Kanal mit einer Hebevorrichtung technisch möglich sei. Die Durchführbarkeit des gegenständlichen Kanalanschlusses gelte daher als festgestellt. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Kostenintensität und finanziellen Leistbarkeit sei nicht mehr näher einzugehen, weil die wirtschaftliche Zumutbarkeit der verfügten Maßnahme nicht zu prüfen sei und selbst hohe Kosten des Anschlusses der Anschlussverpflichtung nicht im Wege stünden. Eine Ausnahmegenehmigung liege ebenfalls nicht vor. Auch sei kein Antrag auf Ausnahme von der Anschlussverpflichtung aus dem Grunde einer gemäß § 62 Abs. 3 BO entsprechenden Kläranlage eingebracht worden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die von den Beschwerdeführern gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Dazu führte die belangte Behörde (u.a.) aus, dass ein Antrag gemäß § 62 Abs. 3 BO - offenbar mangels Bestehen einer Kläranlage, deren Reinigungsleistung dem Stand der Technik entspreche - nicht gestellt worden sei und die Schmutzwässer derzeit in eine Senkgrube geleitet würden. Aus der Stellungnahme des Sachverständigen nach der Begehung der Liegenschaft vom ergebe sich, dass der Anschluss an den öffentlichen Kanal technisch machbar sei. Diese grundsätzliche technische Machbarkeit werde in der Vorstellung auch nicht mehr bestritten. Darin werde ausschließlich die wirtschaftliche Unzumutbarkeit des Kanalanschlusses im Hinblick auf die monatlichen Einkünfte der Beschwerdeführer geltend gemacht. Dem sei entgegenzuhalten, dass im Verfahren betreffend die Kanalanschlussverpflichtung die wirtschaftliche Zumutbarkeit der verfügten Maßnahme nicht zu prüfen sei und selbst hohe Kosten des Anschlusses der Anschlussverpflichtung nicht im Wege stünden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom , B 1031/09).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragten die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei brachte mit Schreiben vom vor, keine Gegenschrift einzubringen und den allgemeinen Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz für die Vorlage der bezughabenden Akten zu stellen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Wasserversorgung und -entsorgung für Gebäude wird in § 62 BO (in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-15) geregelt, welche Bestimmung wie folgt (auszugsweise) lautet:

" § 62

Wasserver- und -entsorgung

"(…)

(2) Die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer sind, wenn eine Anschlußmöglichkeit besteht, grundsätzlich in den öffentlichen Kanal abzuleiten.

(3) Von dieser Anschlußverpflichtung sind Liegenschaften ausgenommen , wenn die anfallenden Schmutzwässer über eine Kläranlage abgeleitet werden, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, und

1. die Bewilligung dieser Kläranlage vor der Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde, die Schmutzwässer der Liegenschaften über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen (Grundsatzbeschluß), erfolgte und noch nicht erloschen ist und

2. die Reinigungsleistung dieser Kläranlage

* dem Stand der Technik entspricht und

* zumindest gleichwertig ist mit der Reinigungsleistung jener Kläranlage, in der die Schmutzwässer aus der öffentlichen Anlage gereinigt werden,

und

3. die Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Anlage nicht gefährdet.

Die Entscheidung der Gemeinde nach Z. 1 ist nach Beschlußfassung durch den Gemeinderat durch mindestens sechs Wochen an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen und den Haushalten, die sich im Anschlußbereich der geplanten Kanalisationsanlage befinden, durch eine ortsübliche Aussendung bekanntzugeben.

Innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist hat der Liegenschaftseigentümer einen Antrag um Ausnahme von der Anschlußverpflichtung bei der Baubehörde einzubringen. Diesem Antrag sind der Nachweis der wasserrechtlichen Bewilligung der Kläranlage und wenn diese schon betrieben wird, ein Befund über deren Reinigungsleistung , erstellt von einer hiezu befugten Stelle (staatlich autorisierte Anstalt, in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat akkreditierte Stelle, Sachverständiger), anzuschließen.

Wird die Ausnahme genehmigt, hat der Liegenschaftseigentümer, beginnend mit der Inbetriebnahme seiner Kläranlage bzw. der Rechtskraft des Ausnahmebescheids, in Zeitabständen von jeweils fünf Jahren unaufgefordert einen Befund über die aktuelle Reinigungsleistung der Baubehörde vorzulegen. Ist die Reinigungsleistung nicht mehr jener der Kläranlage der öffentlichen Kanalisation gleichwertig, ist der Ausnahmebescheid aufzuheben.

(…)"

§ 17 Abs. 1 KanalG (in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung LGBl. 8230-6) hat folgenden Wortlaut:

" § 17

Hauskanäle, Anschlußleitungen

(1) Die Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber, die zum Anschluß an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet sind, haben Gebäude mit Abwasseranfall mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen. Der Hauskanal mitsamt dem Anschluß an die Anschlußleitung (Absatz 2) ist auf Kosten des Liegenschaftseigentümers (Bauwerbers) nach den näheren Bestimmungen der NÖ Bauordnung herzustellen. Die Liegenschaftseigentümer der im Zeitpunkt des Eintrittes der Anschlußverpflichtung bereits bestehenden Gebäude sind verpflichtet, die Aborte und sonstigen Abwasseranlagen einschließlich der Regenwasserableitungen auf ihre Kosten nötigenfalls derart umzubauen, daß ein Anschluß an die Hausentwässerungsanlage (Hauskanal) möglich ist. Bei Neubauten ist im vorhinein auf die Anschlußmöglichkeit Bedacht zu nehmen."

§ 62 Abs. 2 BO geht von einer grundsätzlichen Anschlusspflicht an den öffentlichen Kanal aus, wenn eine Anschlussmöglichkeit besteht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0163, mwN).

Die Beschwerdeführer bringen vor, im "Recht auf Verhältnismäßigkeit" verletzt zu sein, weil sich die Anschlusskosten für den aufgetragenen Kanalanschluss laut vorliegendem Kostenvoranschlag auf EUR 48.482,45 beliefen, worin die Kosten der Pumpanlage, des Installateurs und eines Elektrikers noch nicht enthalten seien. Die Zweitbeschwerdeführerin beziehe eine monatliche Pension von EUR 410,42 und der Erstbeschwerdeführer eine solche von rund EUR 1.850,--. Nennenswerte Ersparnisse, die eine Finanzierung ermöglichten, lägen nicht vor. Die Behörden seien auf diese Kosten und ihr Einkommen nicht eingegangen und hätten keine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit vorgenommen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - deren sich die Beschwerdeführer laut ihrem Vorbringen in ihrem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerdeschriftsatz auch bewusst sind - ist im Verfahren betreffend die Verpflichtung zum Anschluss an einen öffentlichen Kanal, die gemäß § 62 BO grundsätzlich besteht, die wirtschaftliche Zumutbarkeit der verfügten Maßnahme nicht zu prüfen, weil das Gesetz auf dieses Kriterium nicht abstellt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0149, mwH auf die hg. Rechtsprechung). Diese gesetzliche Regelung erscheint in Anbetracht der Notwendigkeit eines umfassenden Grundwasserschutzes und des Zweckes des Schutzes der Umwelt vor vermeidbaren Belastungen nicht als unsachlich.

Die Beschwerde zeigt keine Argumente auf, die es geböten, diese Gesetzesbestimmung im Sinn der von den Beschwerdeführern vertretenen Meinung auszulegen. Mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0097, ist für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen, bot doch - wie in diesem Erkenntnis ausgeführt - der diesem zugrunde liegende Sachverhalt keinen Anlass für eine Auseinandersetzung mit dem von der Berufungsbehörde ins Spiel gebrachten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Der von der mitbeteiligten Partei in deren Schreiben vom gestellte Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz für die Vorlage der gemeindebehördlichen Verwaltungsakten war abzuweisen, weil die Vorlage dieser Akten an den Verwaltungsgerichtshof durch die belangte Behörde vorgenommen worden ist und der mitbeteiligten Partei gemäß § 48 Abs. 3 VwGG ein solcher Aufwandersatzanspruch nicht zusteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0144).

Wien, am