VwGH vom 19.03.2014, 2013/21/0181

VwGH vom 19.03.2014, 2013/21/0181

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SN in W, vertreten durch Mag. Dr. Walter Mühlbacher, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Lampigasse 33/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 01/60/9430/2013-4, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, gemäß seinen Angaben ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, reiste spätestens am in das Bundesgebiet ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde zugelassen, der Antrag des Beschwerdeführers wurde aber schon mit Bescheid des Bundesasylamtes vom vollinhaltlich abgewiesen; außerdem wurde der Beschwerdeführer "nach China" ausgewiesen.

Der genannte Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Ausfolgung am zugestellt. Er erhob dagegen aber erst am Beschwerde, die er mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist verband.

Mittlerweile hatte der Beschwerdeführer die Erstaufnahmestelle Ost, wo er zunächst untergebracht war, verlassen. Ab existierte allerdings an einer Wiener Adresse eine Obdachlosenmeldung, die dem Bundesasylamt spätestens am - so jedenfalls die entsprechende Eintragung im Asylwerberinformationssystem (AIS) - zur Kenntnis gebracht wurde.

Am wurde der Beschwerdeführer in Wien von einer Polizeistreife kontrolliert und in der Folge festgenommen. Noch am selben Tag verhängte die Landespolizeidirektion Wien dann gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

Der Beschwerdeführer erhob Schubhaftbeschwerde. In dieser verwies er ua. auf seine seit bestehende Obdachlosenmeldung und machte insbesondere geltend, dass er sich regelmäßig an der Kontaktstelle melde, dort nach Post frage und dass über seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom "bis dato" noch nicht entschieden sei. Der genannte Antrag könne zwar am rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens vorläufig nichts ändern, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Asylsachen wäre diesem Antrag jedoch auch von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (gewesen), was bei der Verhängung von Schubhaft im Rahmen der dabei vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) diese Beschwerde gemäß § 83 Abs. 4 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab und stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlägen. Außerdem verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer zum Kostenersatz an den Bund.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF des BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdesachen - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind. Weiters ist vorweg darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung (im August 2013) zu überprüfen hat.

Das vom Beschwerdeführer angestrengte - und zunächst zugelassene - Asylverfahren war mit ungenütztem Verstreichen der zur Erhebung einer Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom offenstehenden Frist rechtskräftig abgeschlossen. Der dann gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist änderte daran nichts. Das Bundesasylamt hätte diesem Antrag allerdings gemäß § 71 Abs. 6 AVG - auch von Amts wegen - die aufschiebende Wirkung zuerkennen müssen (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/20/0078, VwSlg. 16.129). Dies hätte zur Folge gehabt, dass die (bis dahin formell rechtskräftige) erstinstanzliche Entscheidung des Bundesasylamtes ihre Rechtswirkungen nicht entfalten könnte und der Beschwerdeführer sohin bis zum Abschluss des Wiedereinsetzungsverfahrens sich wieder in jener Position befunden hätte, in der er sich zuvor befunden hat. Er würde demnach als Asylwerber gelten, dessen Asylverfahren zugelassen wurde und der über ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 verfügt, was der Verhängung von Schubhaft entgegengestanden wäre (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0022).

Das Bundesasylamt hat im vorliegenden Fall dem Wiedereinsetzungsantrag zwar - in Nichtbeachtung der dargestellten verwaltungsgerichtlichen Judikatur - die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Gleichwohl wäre im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auf die zuvor beschriebenen Konsequenzen rechtmäßiger Vorgangsweise Bedacht zu nehmen gewesen (vgl. dazu ebenfalls das eben genannte Erkenntnis 2007/21/0022; siehe auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0304).

Schon in der Administrativbeschwerde war auf das eben Gesagte Bezug genommen worden. Die belangte Behörde hielt dem jedoch entgegen, dass der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers bereits mit Bescheid vom , zugestellt durch Hinterlegung (nach § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG) noch am selben Tag, abgewiesen worden sei. Insofern könne dem Vorbringen in der Administrativbeschwerde, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei "bis dato" nicht entschieden worden, nicht gefolgt werden. Da das Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag somit mit rechtskräftig abgeschlossen worden sei, sei "eine Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrags als Vorfrage

zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ... daher nicht

vorzunehmen".

An diesen Ausführungen ist richtig, dass es nach den Eintragungen im AIS zu der von der belangten Behörde beschriebenen rechtskräftigen Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages gekommen ist. Den Eintragungen im AIS ist aber auch zu entnehmen (siehe schon eingangs), dass dem Bundesasylamt bereits mit die "Obdachlosenmeldung" des Beschwerdeführers bekannt gegeben worden war. Warum dessen ungeachtet am seitens des Bundesasylamtes die Zustellung des den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden Bescheides nach § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG durch Hinterlegung bei der Behörde ohne vorangehenden Zustellversuch angeordnet wurde, ist davon ausgehend nicht nachvollziehbar. Es ist dann aber auch, wie von der vorliegenden Beschwerde richtig geltend gemacht wird, nicht zu sehen, dass diese "Zustellung" Rechtswirksamkeit entfaltet hätte, weshalb die belangte Behörde nicht von bereits rechtskräftiger Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages hätte ausgehen dürfen. Dass das im AIS so festgehalten war, ist unerheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0120; allgemeiner in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0009).

Im Hinblick darauf wären bei Behandlung der Administrativbeschwerde die oben dargestellten Erwägungen vorzunehmen gewesen. Der unterlassende bekämpfte Bescheid ist mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am