VwGH vom 20.11.2008, 2006/21/0130
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-06-1055, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde einer vom Beschwerdeführer, einem afghanischen Staatsangehörigen, eingebrachten Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG keine Folge und stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass im Zeitpunkt ihrer Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen würden. Unter einem wies sie den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Kostenersatz ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am in der Slowakei einen Asylantrag gestellt. Am sei er von dort aus unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe hier Asyl beantragt. Dieser Antrag sei vom Bundesasylamt mit Bescheid vom gemäß § 5 Asylgesetz 1997 (AsylG) zurückgewiesen worden, nachdem zuvor am die Zustimmung der Slowakei "hinsichtlich der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens" eingelangt gewesen wäre. Eine vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobene Berufung sei bislang noch nicht erledigt. Die Bezirkshauptmannschaft Baden habe mit Bescheid vom , der noch am selben Tag in Vollzug gesetzt worden sei, die Anhaltung des Beschwerdeführers gemäß § 76 Abs. 2) Z 4 FPG iVm § 34b Abs. 1 AsylG zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, im Hinblick auf den vorliegenden "Eurodac-Treffer" sowie die Zustimmungserklärung der Slowakei sei eine Zuständigkeit Österreichs für die Durchführung des den Beschwerdeführer betreffenden Asylverfahrens nicht gegeben, weshalb - auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Bescheides des Bundesasylamtes - die Annahme im Sinne des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG begründet und der Bescheid der Fremdenpolizeibehörde "auf Basis dieser Gesetzesbestimmung zu Recht ergangen" sei. Der Beschwerdeführer sei unrechtmäßig eingereist, besitze kein Reisedokument und sei mittellos. Er verfüge in Österreich weder über Familienangehörige noch Bekannte oder Verwandte. Er habe anlässlich seiner Befragung am ausgeführt, nicht in die Slowakei zu wollen, sondern habe ersucht, ihm einen Pass zu organisieren, damit er nach Afghanistan fahren könne. Auf Grund dieser Äußerung sowie der Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers sei die Annahme, er werde sich seiner Abschiebung durch "Untertauchen" entziehen, nicht lebensfremd. Desweiteren ging die belangte Behörde davon aus, dass der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu keiner Haftunfähigkeit geführt habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt (unter anderem) vor, es habe sich bei seinem Asylverfahren um ein "Altverfahren" gehandelt, welches bereits vor dem anhängig gewesen sei. Daher sei § 76 Abs. 2 FPG nicht anwendbar gewesen; die Schubhaft hätte nur auf § 34b AsylG gestützt werden dürfen. Er ist mit diesem Vorbringen im Recht.
Aus den (oben wiedergegebenen) Feststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seinen Asylantrag am stellte und das Asylverfahren am bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides () noch nicht abgeschlossen war.
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) sind alle am anhängigen (Asyl-)Verfahren nach den Bestimmungen des AsylG (1997) zu Ende zu führen. Das AsylG sah in der Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, die Zulässigkeit einer Schubhaft unter den Voraussetzungen seines § 34b vor. Hingegen fanden gemäß § 21 Abs. 1 AsylG auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz im Sinne des § 19 Abs. 1 AsylG genießen oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, u.a. die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 (FrG) über die Schubhaft keine Anwendung. In diesen asylrechtlichen "Altfällen" kommt die Verweisungsnorm des § 124 Abs. 2 FPG zum Tragen, so dass an die Stelle der von der Anwendung auf Asylwerber ausgenommenen Bestimmungen des FrG diejenigen des FPG treten. Somit sind die Bestimmungen des FPG über die Schubhaft auf Asylwerber, deren Verfahren nach dem AsylG in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 zu Ende zu führen sind, grundsätzlich nicht anwendbar.
Mit diesem Ergebnis im Einklang stehen die in § 76 Abs. 2 FPG normierten Voraussetzungen für die Verhängung von Schubhaft gegen Asylwerber, die inhaltlich mehrfach ausdrücklich auf das AsylG 2005 verweisen und schon vom Begriff "Asylwerber" her (§ 1 Abs. 2 FPG) nur solche nach dem AsylG 2005 ansprechen. Während somit gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 die Bestimmung des § 34b AsylG auf "Altfälle" nach der AsylG-Novelle 2003 weiter anwendbar ist, enthält das FPG keine Norm, die seine Bestimmung über die Schubhaft (§ 76) auch auf Asylwerber, deren Verfahren nach dem AsylG zu Ende zu führen sind, für anwendbar erklärt (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/21/0360, und vom , Zl. 2006/21/0328).
Nach dem Gesagten - das Verfahren über den vom Beschwerdeführer am gestellten Asylantrag war am und auch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (damals im Berufungsstadium) anhängig - war der angefochtene Bescheid, in dem eine nicht anwendbare Norm zur Beurteilung herangezogen wurde, schon deshalb, weil die Schubhaft zu Unrecht auf § 76 Abs. 2 FPG gestützt wurde (§ 34b AsylG wurde zwar sowohl von der Fremdenpolizeibehörde als auch der belangten Behörde erwähnt, das Vorliegen der in dieser Bestimmung enthaltenen Voraussetzungen jedoch nicht geprüft), gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am