VwGH vom 16.10.2014, 2013/21/0161
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des P Z in W, vertreten durch Mag. Raimund Hudik, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Dreiständegasse 24, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Büro II. Instanz, vom , Zl. E1/415.236/2012, betreffend Karte für Geduldete gemäß § 46a Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste im August 2004 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Während seines weiteren Aufenthalts erging gegen ihn im Hinblick auf die Begehung von Suchtmitteldelikten im Jänner 2006 ein rechtskräftiges unbefristetes Rückkehrverbot. Der Asylantrag wurde sodann mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom rechtskräftig abgewiesen. Unter einem erging eine Ausweisung des Beschwerdeführers nach Sierre Leone. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, lehnte der Verwaltungsgerichtshof schließlich mit Beschluss vom ab. Der Beschwerdeführer verblieb in der Folge weiter in Österreich; eine Abschiebung erfolgte nicht.
Der Beschwerdeführer brachte durch seinen rechtsanwaltlichen Vertreter einen mit datierten Schriftsatz "wegen Duldung gem. § 46a FPG" bei der (damaligen) Bundespolizeidirektion Wien (BPD) ein, der schon auf der ersten Seite in Fettdruck als "ANREGUNG" bezeichnet wurde. Dem entsprechend lautete es dann einleitend auf der nächsten Seite:
"In umseits bezeichneter Verwaltungsangelegenheit ergeht nachstehende
Anregung ,
meinen Aufenthalt gem. § 46a Abs. 1a FPG im Bundegebiet zu
dulden ."
In den weiteren Ausführungen wurde dann näher begründet, dass die Voraussetzungen der genannten Gesetzesstelle erfüllt seien, weil die Abschiebung des Beschwerdeführers aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für den Beschwerdeführer habe nämlich trotz seiner Mitwirkung weder von der Vertretungsbehörde Sierra Leones noch von jener Nigerias ein Heimreisezertifikat erlangt werden können.
Abschließend wurde dann wie folgt formuliert:
"Es ergeht daher an die Behörde die
Anregung,
meinen Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 46a Abs. 1a FPG zu dulden, da meine Abschiebung aus tatsächlichen, von mir nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, und mir eine 'Karte für Geduldete' auszustellen."
Darüber entschied die BPD mit Bescheid vom dahin, dass der "Antrag" des Beschwerdeführers vom "auf Ausstellung einer Karte für Geduldete" gemäß § 46a Abs. 1b FPG abgewiesen werde. Die BPD befasste sich mit dem Anbringen - ohne darzulegen, weshalb sie von einem "Antrag" und nicht von einer bloßen "Anregung" ausgegangen ist - inhaltlich und kam zusammengefasst zu dem Ergebnis, das Nichtvorliegen eines "Reisedokumentes" liege zweifelsfrei im Verschulden des Beschwerdeführers und sei in der Verschleierung seiner Identität begründet.
Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung wurde dieser Bescheid der BPD von der Landespolizeidirektion Wien, Büro II. Instanz, mit dem angefochtenen Bescheid vom ersatzlos behoben. Begründend führte die Berufungsbehörde aus, durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 sei mit die (ursprünglich bestehende) Antragsmöglichkeit in Bezug auf die Ausstellung einer Karte für Geduldete beseitigt worden. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer auch lediglich eine "Anregung wegen Duldung § 46a FPG" eingebracht. In Verkennung dieses Umstandes habe die Erstbehörde eine meritorische Entscheidung gefällt, sodass der damit vorgenommene bescheidmäßige Abspruch über eine "Anregung" ersatzlos zu beheben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung des BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Weiters ist vorweg darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung (im April 2013) zu überprüfen hat.
Der mit "Duldung" überschriebene § 46a FPG lautete in der demnach hier maßgeblichen Fassung des am in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38, (auszugsweise) wie folgt:
"§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist geduldet, solange deren Abschiebung gemäß
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1. | §§ 50 und 51 oder |
2. | §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist. |
(1a) Darüber hinaus ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, wenn die Behörde von Amts wegen feststellt, dass die Abschiebung des Betroffenen aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist, es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt. ...
(1b) Vom Fremden zu vertretende Gründe liegen jedenfalls vor, wenn er
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1. | seine Identität verschleiert, |
2. | einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder |
3. | an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt. |
(2) Die Behörde hat Fremden, deren Aufenthalt im Bundesgebiet geduldet ist, eine Karte für Geduldete auszustellen. ..."
Dem Wortlaut des zitierten ersten Satzes des Abs. 1a zufolge kann die Feststellung der Voraussetzungen für eine Duldung nach dieser Gesetzesstelle nur "von Amts wegen" erfolgen; eine Antragsmöglichkeit sollte nach der Absicht des Gesetzgebers nicht (mehr) bestehen (vgl. zum Gesetzwerdungsprozess die Punkte 2.2. und 3.2. der Begründung des hg. Beschlusses vom , Zl. 2012/21/0053; siehe zum Ganzen auch den Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1353/2013-30, u.a., insbesondere Punkt III.3.3. der Entscheidungsgründe).
Dem hat der Beschwerdeführer insofern Rechnung getragen, als er - wie einleitend dargestellt - durch seinen rechtsanwaltlichen Vertreter mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom die (amtswegige) Feststellung der Duldung iSd § 46a Abs. 1a FPG bloß angeregt hat. Einen förmlichen, mit Bescheid zu erledigenden Antrag stellte der Beschwerdeführer nicht. Davon ausgehend war die von der belangten Behörde vorgenommene ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides nicht rechtswidrig (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 12 zu § 73 mH auf Rz 1 zu § 13; siehe dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/13/0279). Die Abweisung eines Antrages setzt nämlich das Vorliegen eines solchen voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/12/0105, mwN).
Auf diese - allein entscheidungswesentliche - Frage geht die vorliegende Beschwerde nicht ein. Insbesondere widerspricht sie nicht der von der belangten Behörde vorgenommenen Deutung des Schriftsatzes vom entsprechend den dort verwendeten Formulierungen als "Anregung". Demzufolge wird in der Beschwerde auch nicht dargetan, weshalb dieses Anbringen richtigerweise als "Antrag" zu verstehen gewesen wäre. Vielmehr vermeint der Beschwerdeführer ohne weitere Begründung, die Berufungsbehörde hätte "in der Sache selbst" zu entscheiden gehabt, und zwar "unabhängig davon, ob man vom Antrag oder der Anregung auf Ausstellung einer Karte für Geduldete ausgeht". Das ist nicht nachvollziehbar, weil - wie bereits dargelegt - über eine bloße "Anregung" (auf amtswegige Feststellung) nicht mit Bescheid abzusprechen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-87988