VwGH 28.02.2013, 2011/10/0185
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | ForstG 1975 §174 Abs2; VStG §51e Abs3 Z1; VStG §51e Abs3 Z2; VStG §51e Abs3 Z3; VStG §51e Abs3 Z4; VStG §57; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; |
RS 1 | Die Berufungsbehörde nahm von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ohne nähere Begründung Abstand. Keine der alternativen Voraussetzungen des § 51e Abs. 3 Z 1 bis Z 4 VStG für das Absehen von der Berufungsverhandlung waren erfüllt (vgl. E , 2011/10/0177); mit Blick auf § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG ist auf den im angefochtenen Bescheid - neben der Verhängung der angeführten Geldstrafen - enthaltenen Zuspruch von Schadenersatz gemäß § 174 Abs. 2 ForstG 1975 iVm § 57 VStG hinzuweisen. Der UVS durfte daher - auch wenn keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hatte - nicht gemäß § 51e Abs. 3 VStG von der Berufungsverhandlung absehen (vgl. E , 2012/10/0256). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, in der Beschwerdesache des H H in S, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Südtirolerstraße 4-6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-290167/2/Kei/Eg, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Forstgesetzes 1975 und Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche (mitbeteiligte Parteien: 1. M F, 2. E F, beide in S, 3. Z T in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe es als grundbücherlicher Eigentümer der Waldgrundstücke Nr. 1550/1, 1553 und 1559/2, jeweils KG. S., zu verantworten, dass über seinen Auftrag im Zeitraum vom 7. bis Schlägerungen des Fichtenbestandes auf dem südöstlichen Teil des Waldgrundstückes Nr. 1559/2 sowie des gesamten Bestandes auf dem Waldgrundstück Nr. 1553 und dem südöstlichen Teil des Waldgrundstückes Nr. 1550/1 durchgeführt worden seien.
Durch den Kahlhieb auf den Waldgrundstücken des Beschwerdeführers sei der angrenzende nachbarliche Waldbestand auf den Grundstücken Nr. 1539/3 (dessen Eigentümerin die Drittmitbeteiligte sei) und Nr. 1548/11 (dessen Eigentümer der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte seien) durch die plötzliche Freistellung im Nordwesten einer offenbaren Windgefährdung unterzogen bzw. durch zwischenzeitlich eingetretene Sturmschäden bereits stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Dadurch sei dem nachbarlichen Waldbestand entgegen § 14 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) kein Deckungsschutz gewährt und das Waldverwüstungsverbot gemäß § 16 Abs. 2 lit. d ForstG nicht befolgt worden.
Darüber hinaus sei durch die Schlägerung auf den Waldgrundstücken des Beschwerdeführers auf einer zusammenhängenden Fläche von insgesamt ca. 0,65 ha ein Kahlhieb vorgenommen worden, ohne die nach § 85 Abs. 1 lit. a ForstG erforderliche Fällungsbewilligung erwirkt zu haben.
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 174 Abs. 1 lit. a Z. 2 iVm § 14 Abs. 2 ForstG, § 174 Abs. 1 lit. a Z. 3 iVm § 16 Abs. 1 und 2 ForstG sowie § 174 Abs. 1 lit a Z. 30 iVm § 85 Abs. 1 lit. a ForstG verletzt, weshalb über ihn Geldstrafen in der Höhe von EUR 550,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 55 Stunden), EUR 550,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 55 Stunden) und EUR 270,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 27 Stunden) verhängt wurden.
Darüber hinaus verpflichtete die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs. 2 ForstG iVm § 57 VStG, an den Erstmitbeteiligen und die Zweitmitbeteiligte EUR 3.206,93 sowie an die Drittmitbeteiligte EUR 1.439,-- an Entschädigung zu bezahlen.
Vor Erlassung dieses Bescheides hat die belangte Behörde keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt; der Entfall der Verhandlung wurde im angefochtenen Bescheid nicht begründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Mitbeteiligten haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde rügt u.a., die belangte Behörde habe es entgegen § 51e VStG unterlassen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen bzw. keinerlei Ausführungen gemacht, weshalb eine derartige Verhandlung unterbleiben hätte dürfen.
Damit zeigt die Beschwerde eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf.
2. § 51e VStG hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)
§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(…)
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(…)
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
(…)"
3. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung unrichtige Beweiswürdigung, wesentliche Verfahrensmängel sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Das Vorbringen in der Berufung wendet sich überwiegend gegen die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Beweiswürdigung und die darauf gründenden Tatsachenannahmen.
Damit war jedoch im vorliegenden Fall keine der alternativen Voraussetzungen des § 51e Abs. 3 Z. 1 bis Z. 4 VStG für das Absehen von einer Berufungsverhandlung erfüllt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0177, mwN); mit Blick auf § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG ist auf den im angefochtenen Bescheid - neben der Verhängung der angeführten Geldstrafen - enthaltenen Zuspruch von Schadenersatz gemäß § 174 Abs. 2 ForstG iVm § 57 VStG hinzuweisen (vgl. für den Ausspruch des Verfalls gemäß § 17 VStG neben der Verhängung einer Geldstrafe Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 51e VStG Anm. 12).
Die belangte Behörde durfte daher - auch wenn keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hatte - nicht gemäß § 51e Abs. 3 VStG von der Berufungsverhandlung absehen (vgl. zu dieser Bestimmung etwa auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2012/10/0256, mwN).
4. Die Berufungsverhandlung durfte aber auch nicht gestützt auf § 51e Abs. 5 VStG unterbleiben, weil der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich auf die Durchführung der Verhandlung verzichtet hat (vgl. das zu der gleichlautenden Bestimmung des § 67d Abs. 5 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/01/0182).
5. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten zu Unrecht von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hat, hat sie ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet; der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Normen | ForstG 1975 §174 Abs2; VStG §51e Abs3 Z1; VStG §51e Abs3 Z2; VStG §51e Abs3 Z3; VStG §51e Abs3 Z4; VStG §57; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; |
Schlagworte | Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2011100185.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAE-87963