VwGH vom 22.01.2009, 2006/21/0105
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des O, vertreten durch Jordan Ikonomov, Rechtsanwalt (RAK-Stuttgart) in 1080 Wien, Neudeggergasse 1/18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-06-0016, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers, eines liberianischen Staatsangehörigen, mit der er die Rechtswidrigerklärung seiner Anhaltung in Schubhaft ab beantragt hatte, gemäß § 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 67c Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) ab und stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass im Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien.
Begründend führte die belangte Behörde - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - aus, das den Beschwerdeführer betreffende Asylverfahren sei schon vor dem anhängig gewesen. Die erstinstanzliche negative Entscheidung, die mit einer Ausweisung verbunden gewesen sei, sei bereits am ergangen und vom Beschwerdeführer in Berufung gezogen worden. Das Asylverfahren sei am vom unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) mit Aktenvermerk eingestellt worden und im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung (), die gemäß § 76 Abs. 1 FPG zur Sicherung der Abschiebung erfolgt sei, immer noch eingestellt gewesen. Am sei beim UBAS ein Antrag auf "Wiederaufnahme" des Asylverfahrens eingelangt. Dieser auf Fortsetzung des Asylverfahrens gerichtete Antrag habe dem Beschwerdeführer aber nicht "ausreichend" zugerechnet werden können. Am habe der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag auf "Wiederaufnahme" des Asylverfahrens gestellt, der am beim UBAS eingelangt sei. Der Beschwerdeführer sei somit (wieder) als Asylwerber anzusehen. Dennoch dürfe er weiterhin in Schubhaft angehalten werden. Gemäß § 76 Abs. 6 FPG könne die Schubhaft, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, aufrecht erhalten werden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf "Wiederaufnahme" (gemeint: Fortsetzung) des Asylverfahrens sei nach Ansicht der belangten Behörde dem in § 76 Abs. 6 FPG angeführten Antrag auf internationalen Schutz gleichzuhalten. Aufgrund mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung und des Fehlens eines "gesicherten Aufenthalts" sei auch der Sicherungsbedarf begründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer ist - im Ergebnis - mit seiner Rüge, die herangezogenen Bestimmungen wären auf ihn nicht anwendbar, im Recht.
Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung davon aus, dass der Beschwerdeführer, dem im Zuge des Asylverfahrens vor der Einstellung eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgehändigt worden war, im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Anhaltung infolge der Fortsetzung des - zwischenzeitig eingestellten - Asylverfahrens (wieder) Asylwerber sei. Das ihn betreffende Asylverfahren war bereits auf Grund eines am gestellten Asylantrages eingeleitet worden und am anhängig, was sich - unstrittig und unzweifelhaft - aus den vorgelegten Akten ergibt und wovon auch die Verfahrensparteien ausgingen.
Nach der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 1 des (am in Kraft getretenen) Asylgesetzes 2005 - AsylG 2005 (welches in der hier maßgeblichen Stammfassung, BGBl. I Nr. 100/2005, anzuwenden ist) sind alle am anhängigen (Asyl-)Verfahren nach den Bestimmungen des (bis in Geltung gestandenen) Asylgesetzes 1997 - AsylG zu Ende zu führen. Gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 ist ein nach dem Asylgesetz 1997 eingestelltes Verfahren bis zum nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 fortzusetzen und gilt als anhängiges Verfahren im Sinne des Abs. 1. Der § 44 Abs. 2 AsylG bestimmte hinsichtlich der Änderungen durch die (am in Kraft getretene) AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, dass Asylanträge, die ab dem gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt werden.
Demzufolge war das Verfahren über den vom Beschwerdeführer am gestellten Asylantrag nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 zu Ende zu führen.
Das Asylgesetz 1997 sah in der genannten Fassung die Zulässigkeit einer Schubhaft grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen seines § 34b vor. Hingegen fanden gemäß § 21 Abs. 1 AsylG auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz iSd § 19 Abs. 1 AsylG genießen oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, u.a. die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - FrG über die Schubhaft keine Anwendung. In diesen asylrechtlichen "Altfällen" kommt die Verweisungsnorm des § 124 Abs. 2 FPG zum Tragen, der zufolge an die Stelle der von der Anwendung auf Asylwerber ausgenommenen Bestimmungen des FrG diejenigen des FPG treten. Somit sind die Bestimmungen des FPG über die Schubhaft auf Asylwerber, deren Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 idF der Novelle 2003 zu Ende zu führen sind vorbehaltlich des hier nicht in Betracht kommenden § 75 Abs. 1 vierter Satz AsylG 2005 dann nicht anwendbar, wenn sie faktischen Abschiebeschutz genießen oder ihnen eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0446).
Demnach erweist sich im vorliegenden Fall die Heranziehung des FPG als Grundlage für die Schubhaft für den hier relevanten Zeitraum als rechtswidrig. Dem Beschwerdeführer war (noch vor Verfahrenseinstellung) eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt worden. Ab dem Zeitpunkt der Fortsetzung des Asylverfahrens kam ihm somit wieder die Stellung eines Asylwerbers zu (was nach den unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid für den gesamten hier relevanten Zeitraum zutraf), dessen Anhaltung in Schubhaft nach der dargestellten Rechtslage nur unter den Voraussetzungen des § 34b AsylG erfolgen hätte dürfen (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom ).
Da nach dem Vorgesagten die Anhaltung im hier relevanten Zeitraum nicht auf das FPG gegründet werden durfte, war es schon deshalb rechtswidrig, § 76 Abs. 6 FPG für die Rechtfertigung der Anhaltung heranzuziehen (vgl. zur Ablehnung der analogen Anwendbarkeit des § 76 Abs. 6 erster Satz FPG auf im Asylverfahren gestellte Fortsetzungsanträge ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0582).
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf den Ersatz der Gebühren gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil solche infolge Gewährung der Verfahrenshilfe nicht zu entrichten waren.
Wien, am