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VwGH vom 23.02.2010, 2009/05/0250

VwGH vom 23.02.2010, 2009/05/0250

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des E G in Neustift, Mühlkreis, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichische Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-157118/4-2009- Hd/Wm, betreffend Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Neustift i.M. in 4143 Neustift, Mühlkreis, Passauer Straße 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des im Bauland - Dorfgebiet liegenden Grundstückes Nr. 5328, KG Neustift.

Anlässlich einer an Ort und Stelle am durchgeführten baubehördlichen Überprüfung wurde festgestellt, dass auf dem Grundstück des Beschwerdeführers in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ein Gebäude mit einer Länge von 16,53 m, einer Breite von 9,82 m und einer Traufenhöhe von ca. 5,5 m bis 6 m errichtet worden ist, welches im westlichen Teil als Hauswerkstätte, Garage und Lager sowie als Einstellraum für landwirtschaftliche Geräte und einer Tankanlage im östlichen Teil verwendet wird. Der Abstand der nördlichen Außenwand des Gebäudes zur Nachbargrundgrenze beträgt 50 bis 70 cm. Der beigezogene Amtssachverständige stellte fest, dass die nördliche Außenwand des Gebäudes nicht als Feuermauer ausgebildet sei.

Der Beschwerdeführer verwies in seiner Stellungnahme vom darauf, dass er in den Jahren 1998 und 2002 Baubewilligungsansuchen eingebracht habe und die "gegenständliche Wagenhütte" als Bestand angegeben worden sei. Die Baubehörde habe bei Prüfung der Planunterlagen das Gebäude nicht beanstandet und sei von einem "bewilligten Zustand" ausgegangen. Jedenfalls liege ein "vermuteter Baukonsens" vor.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 49 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 (in der Folge: BO) aufgetragen, "das konsenslos errichtete Gebäude auf dem Grundstück Nr. 5328 KG Neustift binnen 6 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides zu beseitigen und den vorigen Zustand wiederherzustellen". Das Gebäude sei sowohl nach der Bauordnung für Oberösterreich 1875 als auch nach der Oö. Bauordnung 1976 bewilligungspflichtig gewesen. Es sei nicht bewilligungsfähig, da nach § 5 Z. 1 Oö. Bautechnikgesetz mangels eines bestehenden Bebauungsplanes zur Nachbargrundgrenze ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten sei.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsbehörde verneinte ebenfalls das Vorliegen eines vermuteten Konsenses und führte aus, vom Beschwerdeführer behauptete feuerpolizeiliche Überprüfungen hätten sich nicht auf des gegenständliche Gebäude bezogen. Sie begründete, warum auch die Ausnahmebestimmungen des § 6 Oö. Bautechnikgesetz betreffend die Einhaltung der gesetzlichen Abstände zu den Grundstücksgrenzen nicht angewendet werden könnten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Vorstellung mit der Feststellung keine Folge gegeben, dass der Beschwerdeführer durch den bekämpften Berufungsbescheid in seinen Rechten nicht verletzt wird.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, von einem vermuteten Baukonsens könne im Beschwerdefall nicht ausgegangen werden. Eine Baubewilligung bedürfe der Schriftform, eine allenfalls mündlich erteilte Baubewilligung sei rechtsunwirksam. Auch die feuerpolizeiliche Überprüfung im Jahre 1995 begründe keinen Baukonsens, zumal sich diese nicht auf das gegenständliche Gebäude, sondern auf das Wohnhaus samt Wirtschaftsgebäude und die Stallungen bezogen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994 (BO) haben folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"§ 24

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Folgende Bauvorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung), soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen:

1. der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;

...

§ 49

Bewilligungslose bauliche Anlagen

(1) Stellt die Baubehörde fest, daß eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie - unabhängig von § 41 - dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen und gegebenenfalls den vorigen Zustand wiederherzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.

...

(5) Unter baulichen Anlagen im Sinn der Abs. 1 bis 4 sind sämtliche bewilligungspflichtige Bauvorhaben (§ 24) zu verstehen.

..."

Nach § 2 Z. 20 Oö. Bautechnikgesetz 1994 (BauTG) ist ein Gebäude ein begehbarer überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter; als Gebäude gelten ebenfalls überdachte, jedoch nicht allseits umschlossene Bauten, wie Flug- und Schutzdächer, Pavillons u.dgl., mit einer bebauten Fläche von mehr als 35 m2.

Bezüglich der notwendigen Voraussetzungen für die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 49 BO hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist. Für die Klärung der Frage, ob die Erteilung einer nachträglichen Bewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages möglich ist, ist die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0148).

Die vom beschwerdegegenständlichen Auftrag erfasste bauliche Anlage ist eine Gebäude im Sinne des § 2 Z. 20 BauTG und gemäß § 24 BO bewilligungspflichtig. Gebäude der hier zu beurteilenden Art waren auch schon nach § 1 Satz 1 Oö. Bauordnung 1875 (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/05/0101) und § 41 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1976 (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/05/0028, VwSlg 12348/A, u.v.a.) bewilligungspflichtig.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellung der Behörden, dass für das gegenständliche Gebäude von der Baubehörde keine Baubewilligung erteilt worden ist. Insoweit der Beschwerdeführer darauf verweist, dass am selben Standort früher bereits ein Gebäude in Holzbauweise errichtet gewesen sei, ist darauf zu verweisen, dass ein für dieses Gebäude allenfalls bestanden habender (auch vermuteter) Konsens allein durch dessen Abbruch und die Errichtung des gegenständlichen Gebäudes in Massivbauweise untergegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0176).

Der Beschwerdeführer trägt vor, der Bauauftrag sei nicht hinreichend bestimmt. Die Behörde habe nicht näher definiert, was sie unter Wiederherstellung des vorigen Zustandes verstehe. Eine gänzliche Beseitigung könne nicht gemeint sein, weil am dem gleichen Standort seit mehr als 150 Jahren eine Maschinenhütte in Holzbauweise errichtet gewesen sei.

Ein Bauauftrag muss ausreichend konkretisiert sein. Ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung auferlegt wird, muss so bestimmt gefasst werden, dass nötigenfalls seine Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung möglich ist. Durch die Spruchfassung muss einerseits dem Beauftragten die überprüfbare Möglichkeit gegeben werden, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, andererseits muss dadurch auch der Umfang einer allfälligen Ersatzvornahme deutlich abgegrenzt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0272). Der gegenständliche Bauauftrag wird diesen Anforderung gerecht und ist ausreichend bestimmt. Da kein Konsens für das errichtete Gebäude vorliegt, ist dieses zu entfernen. Eine Wiederherstellung eines früher bestehenden Gebäudes kommt nicht in Betracht, da - wie oben ausgeführt - durch den Abbruch dieses Gebäudes dessen Konsens untergegangen ist; vielmehr bedeutet Wiederherstellung hier die Herstellung jenes Zustandes, wie er unmittelbar vor Errichtung, also nach Abbruch des Holzgebäudes bestanden hat.

Der Beschwerdeführer meint, die Baubehörde habe in rechtswidriger Weise nicht die Möglichkeit zur nachträglichen Einholung einer Baubewilligung eingeräumt. Es müsse jedenfalls möglich sein, "eine nachträgliche Baubewilligung dahingehend zu beantragen, dass der Abstand zur inneren Baugrenze eingehalten wird". Das gegenständliche Bauvorhaben sei daher "nicht zur Gänze nichtbewilligungsfähig". Bei Einhaltung des Abstandes zur Grundstücksgrenze sei selbstverständlich Bewilligungsfähigkeit gegeben.

Gemäß § 5 Abs. 1 BauTG ist, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, bei Neu- und Zubauten zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten.

Die Berufungsbehörde hat nachvollziehbar begründet dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmebestimmungen des § 6 BauTG im Beschwerdefall nicht vorliegen; die Beschwerde enthält hiezu kein Vorbringen.

Fest steht, dass das vom Bauauftrag betroffene Gebäude innerhalb des im § 5 BauTG festgelegten Mindestabstandes errichtet ist. Bei einem einheitlichen Bauwerk wie dem vorliegenden Gebäude ist der gesamte Bau Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages. Ein Teilabbruchauftrag kommt diesfalls nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0231).

In der Beschwerde wird weiters ausgeführt, es lägen die Voraussetzungen für die Annahme eines vermuteten Baukonsenses vor. Auf dem gegenständlichen Grundstück "besteht sei mehr als 150 Jahren eine Maschinenhütte", die von den Baubehörden über einen langen Zeitraum ohne Beanstandungen zur Kenntnis genommen worden sei. Ende der 1970er Jahre sei lediglich eine Erneuerung des Gebäudes und ein Umbau von Holzbauweise in Massivbauweise erfolgt, ohne dass dadurch die Dimensionierung des Bauwerkes geändert worden sei. Auch diese Erneuerung sei von der Baubehörde zur Kenntnis genommen worden. Der Bestand der Maschinenhütte fände sich in verschiedenen baubehördlichen und agrarbehördlichen Verfahren und Unterlagen; auch feuerpolizeiliche Überprüfungen hätten keine Beanstandungen ergeben. Im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Partei bestünden zahlreiche vergleichbare Wagenhütten ohne schriftliche Baubewilligung. Es sei daher von einem vermuteten Baukonsens auszugehen. Jedenfalls habe die belangte Behörde zu dieser Frage kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und keine entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen, weshalb der angefochtene Bescheid an Feststellungs- und Begründungsmängeln leide, bei deren Vermeidung sie zu einem anders lautenden Bescheid gekommen wäre. So hätte festgestellt werden müssen, seit wann die gegenständliche Maschinenhütte tatsächlich bestehe, in welcher Form sie errichtet worden sei, welche konkreten Baumaßnahmen Ende der 1970er Jahre gesetzt worden seien bzw. wie der Umgang der Baubehörde mit vergleichbaren Maschinenhütten sei. Weiters hätte festgestellt werden müssen, in welchen konkreten behördlichen Verfahren der Bestand der gegenständlichen Maschinenhütte bereits Thema gewesen sei.

Die Rechtsvermutung der konsensmäßigen, also durch eine Baubewilligung gedeckten Ausführung eines seit vielen Jahren bestehenden Baues setzt die Vermutung voraus, dass das Gebäude in seiner derzeitigen Gestalt auf Grund einer nach der im Zeitpunkt der Erbauung in Geltung gestandenen Vorschrift erteilten Baubewilligung errichtet worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/05/0161, VwSlg 12405/A). Das Vorliegen eines konsensgemäßen Zustandes kann daher nur dann vermutet werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorliegen. Die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit eines alten Gebäudes kann nur dann Platz greifen, wenn der Zeitpunkt der Erbauung des Altbestandes so weit zurückliegt, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich scheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist. Die Rechtmäßigkeit des Bestandes soll somit nur dann vermutet werden, wenn der Zeitpunkt der Erbauung desselben so weit zurückliegt, dass, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht. Zu beachten ist im gegebenen Zusammenhang auch, dass die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit der so genannten "alten" Bestände einem Bauzustand, der auch nach der zur Zeit seiner Herstellung geltenden Bauordnung gesetzwidrig war, nicht zustatten kommt, weil nicht angenommen werden kann, dass die Baubehörde die gesetzwidrige Herstellung bewilligt hätte. In einem solchen Fall müsste vielmehr von der Partei, die den Konsens behauptet, der Nachweis erbracht werden, dass dieser tatsächlich erteilt worden ist. Selbst wenn sich früher bereits seit Jahrzehnten auf der betroffenen Liegenschaft eine bauliche Anlage befunden haben sollte, so ist durch deren Entfernung ein allenfalls vorhandener vermuteter Konsens untergegangen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0073, m.w.N.).

Die Voraussetzungen für die Annahme eines vermuteten Konsenses für das in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts errichteten gegenständlichen Gebäudes liegen nicht vor, zumal unbestritten fest steht, dass dieses Gebäude konsenslos errichtet worden ist. Eine erforderliche Baubewilligung kann weder durch Überprüfungen während der Bauführung noch durch Kenntnis der Behörde ersetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0087). Es bedurfte daher auch keiner weiteren Ermittlungen durch die Behörden zu den in der Beschwerde als relevant bezeichneten offenen Fragen.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. In Anbetracht der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war abzuweisen, weil sie nicht von einem Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am