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VwGH vom 12.09.2013, 2013/21/0120

VwGH vom 12.09.2013, 2013/21/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der Landespolizeidirektion Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-401101/44/Gf/Rt, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte

Partei: SG in P, vertreten durch die Kocher Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste am von Italien kommend illegal nach Österreich ein und beantragte am Tag darauf - nach seinem polizeilichen Aufgriff -

die Gewährung von internationalem Schutz. Ab wurde er im Rahmen der Grundversorgung in Salzburg untergebracht. Diese Unterkunft verließ er jedoch am .

Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz ab und stellte fest, dass dem Mitbeteiligten auch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf sein Herkunftsland Afghanistan nicht zukomme. Zugleich wurde er gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Mit Bescheid vom ordnete die Bezirkshauptmannschaft Zell am See gegenüber dem Mitbeteiligten, der ab in einem Haus der Caritas untergebracht war und über Ladung bei der genannten Behörde vorgesprochen hatte, zur Sicherung seiner Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 77 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als gelinderes Mittel an, dass er in einem näher bezeichneten Objekt Unterkunft zu nehmen und sich jeden zweiten Tag (ab dem ) bei der Polizeiinspektion Mittersill zu melden habe. Dieser Meldeverpflichtung leistete der Mitbeteiligte kein einziges Mal Folge und verwendete auch nicht die ihm zugewiesene Unterkunft, sondern reiste zunächst nach Wien (wo er sich trotz der erwähnten Unterbringung bereits vom bis zum obdachlos gemeldet hatte) und dann nach Deutschland aus. Am erteilte die Bezirkshauptmannschaft Zell am See gemäß § 74 Abs. 2 Z 2 und 3 FPG den Auftrag zur Festnahme des Mitbeteiligten.

Nach seiner Rücküberstellung aus Deutschland am erfolgte diese Festnahme. Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom ordnete die Bundespolizeidirektion Salzburg über ihn sodann gemäß § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung an. Am übernahm der Mitbeteiligte ein Informationsblatt betreffend die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis - unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe der Caritas Salzburg - in den Herkunftsstaat auszureisen. Hierauf wurde er enthaftet.

Nach seiner - durch das Fehlen eines gültigen Fahrausweises veranlassten - Betretung in einem Reisezug nach Wien verhängte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom gemäß § 76 Abs. 1 FPG neuerlich die Schubhaft, und zwar zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie der Abschiebung.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte am Schubhaftbeschwerde, in der er die Feststellung beantragte, dass seine Anhaltung in Schubhaft seit dem rechtswidrig sei. Er erachte es als zulässig, dass ihn die Behörde über die Rechtslage informiere und ihm deutlich mache, dass er "im Falle einer neuerlichen Ausreise" nach Entlassung aus der Haft mit einer längeren Haft rechnen müsse. Allerdings reiche dafür "die Anhaltung in der Dauer von einer Woche" aus, nicht jedoch eine Anhaltung, die bereits mehr als zwei Wochen andauere.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde dieser Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 FPG "insoweit" statt, als die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft seit dem als rechtswidrig sowie weiter festgestellt wurde, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen derzeit nicht vorlägen.

Begründend stellte die belangte Behörde - über die eingangs wiedergegebenen unstrittigen Tatsachen hinaus - fest, der Mitbeteiligte habe bei seinem ersten Aufgriff in Österreich einen Personalausweis, eine Heiratsurkunde und eine Geburtsurkunde seiner vermeintlichen Ehefrau bei sich gehabt, wobei es sich insgesamt "um Verfälschungen bzw. Fälschungen handeln dürfte". Die Staatsangehörigkeit des Mitbeteiligten sei, so argumentierte die belangte Behörde weiter, nicht sicher, diese müsse "erst von der afghanischen Botschaft im Zuge des beantragten Heimreisezertifikates überprüft werden". Der Mitbeteiligte habe am fremdenpolizeilichen Verfahren bisher nicht konstruktiv mitgewirkt. Er verfüge nicht über Bargeld oder sonstiges Vermögen, sei aber - von Verstößen gegen melde- und einreiserechtliche Vorschriften abgesehen - noch nicht straffällig geworden. Er habe in Wien einen Onkel, den er jedoch erst einmal (in Wien) persönlich getroffen habe. Anlässlich des erwähnten, mit Bescheid vom erteilten Auftrages der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (Verpflichtung zur Unterkunftnahme und periodischen Meldung bei der Polizeiinspektion Mittersill) habe der Mitbeteiligte zugesagt, sich um 14.00 Uhr desselben Tages bei der Polizeiinspektion Mittersill die Fingerabdrücke abnehmen zu lassen, sei allerdings dort nicht erschienen. Insgesamt ergebe sich, dass der Mitbeteiligte "zwar verstanden haben dürfte", dass er dazu verpflichtet sei, an einem näher bestimmten Ort seine Unterkunft zu nehmen und sich in periodischen Abständen bei der Polizeiinspektion Mittersill zu melden. Allerdings ergebe sich kein Hinweis darauf, dass ihn die Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Zell am See oder der von ihr beigezogene Dolmetscher "auch konkret darüber aufgeklärt hätte, dass er für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit der Verhängung der Schubhaft zu rechnen gehabt hätte". Auch das frühere Fehlverhalten des Mitbeteiligten sei bis zu der am aus Anlass der Rückübernahme aus der Bundesrepublik Deutschland erfolgten Festnahme schließlich völlig sanktionslos geblieben.

Rechtlich bejahte die belangte Behörde das Vorliegen der "Formalvoraussetzungen des § 76 Abs. 1 FPG" sowie - unter Berücksichtigung des dargestellten Verhaltens des Mitbeteiligten - auch eine Sicherungsnotwendigkeit. Allerdings sei der Mitbeteiligte anlässlich der erwähnten, ihm behördlich am erteilten Aufträge zur Unterkunftnahme und periodischen Meldung nicht konkret darüber aufgeklärt worden, dass er für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen mit der Verhängung der Schubhaft zu rechnen gehabt hätte. Damit "eine Verfügung iSd § 77 Abs. 3 FPG gleichsam pro futuro verwirkt angesehen werden" könne, dürfe im Sinn eines weitest möglichen Schutzes der Freiheitsrechte des Fremden gemäß Art. 5 EMRK objektiv kein Zweifel daran bestehen, dass er sich derartigen Maßnahmen in bewusster Kenntnis des Umstandes, dass für den Fall der - auch bloß einmaligen - Zuwiderhandlung seine unmittelbare Inschubhaftnahme drohe, widersetzt habe. Auf diese Konsequenzen sei er im Vorhinein ausdrücklich in einer ihm verständlichen Sprache hinzuweisen. Da dies unterblieben sei, habe der Mitbeteiligte auch deshalb, weil die bisherige Nichtbefolgung behördlicher Anordnungen sanktionslos geblieben sei, berechtigterweise den Schluss ziehen dürfen, "dass es sich insoweit eher bloß um moralische denn um rechtlich verbindliche Verpflichtungen handelte". Da der Mitbeteiligte in der mündlichen Verhandlung vom ruhig und besonnen gewirkt und nicht den Eindruck hinterlassen habe, bewusst destruktiv zu agieren, wäre es "subjektiv-konkret betrachtet" nach Abwägung aller beteiligten Interessen geboten gewesen, ab dem an Stelle seiner Anhaltung in Schubhaft gelindere Mittel nach § 77 Abs. 3 FPG anzuordnen. Das grundsätzliche, durch die genannten Kriterien objektivierbare Vertrauen, dass sich der Fremde zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung halten und faktisch greifbar sein werde, erscheine insgesamt nämlich nicht in einem solchen Maße erschüttert, das es nicht mehr zulassen würde, mit gutem Grund zwingend das Gegenteil annehmen zu müssen.

Dagegen erhob die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof den genannten Bescheid vom mit Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0092, dem die Einzelheiten dieses Verfahrens entnommen werden können, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. Der Verwaltungsgerichtshof teilte darin die Annahme einer Sicherungsnotwendigkeit im Sinn des § 76 Abs. 1 erster Satz FPG, nicht aber die weitere These, dass dieser durch eine bloße Anwendung gelinderer Mittel nach § 77 Abs. 3 FPG begegnet werden könne. Unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des Mitbeteiligten hafte der Aufrechterhaltung der nach § 76 Abs. 1 FPG angeordneten Schubhaft auch ab dem - vorbehaltlich der Abschiebbarkeit des Mitbeteiligten (dazu wurde auf den Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Salzburg vom verwiesen, wonach die Ausstellung eines Heimreisezertifikates "über BMI aber nur beantragt werden" könne, wenn der Mitbeteiligte "rückkehrwillig" sei, was bei ihm aber nicht der Fall sei) - keine Rechtswidrigkeit an.

Mit (Ersatz ) Bescheid vom stellte die belangte Behörde hierauf gemäß § 83 FPG den "Umstand, dass über den (Mitbeteiligten) die Schubhaft verhängt und diese Maßnahme vom 25. Februar bis zum auch faktisch vollzogen wurde, als nicht rechtswidrig fest".

Begründend führte sie aus, der Mitbeteiligte sei am aus der Schubhaft entlassen worden, sein nachfolgender und gegenwärtiger Aufenthaltsort seien unbekannt. Entsprechend der vom Verwaltungsgerichtshof überbundenen Rechtsansicht sei vom Fehlen einer Rechtswidrigkeit der Schubhaft und ihres Vollzuges auszugehen.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0026, den genannten Bescheid vom , soweit er - ohne Anfechtung in der Administrativbeschwerde - auch über die Verhängung der Schubhaft sowie die Anhaltung des Mitbeteiligten in der Zeit vom 25. Februar bis zum absprach, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und im Übrigen infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die belangte Behörde habe ungeachtet der erwähnten, nach einer bloß zwei Tage dauernden Anhaltung des Mitbeteiligten (vom 22. bis zum ) erfolgten Enthaftung und ohne die administrative Praxis der Botschaft Afghanistans im März 2011 betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten abzuklären, insgesamt die Prüfung der tatsächlichen Abschiebbarkeit des Mitbeteiligten unterlassen. Aus dem Vorerkenntnis vom ergebe sich nämlich, dass die Rechtswidrigkeit der Schubhaft nur "vorbehaltlich der Abschiebbarkeit" des Mitbeteiligten zu verneinen sei, was jedoch nicht geprüft worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom sprach die belangte Behörde, gestützt auf § 83 FPG, aus, dass die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft vom 11. bis zum als rechtswidrig festgestellt werde.

Begründend führte sie aus, der Mitbeteiligte habe sich nach dem nicht mehr in Schubhaft befunden. Es habe daher keine Prognoseentscheidung nach § 83 Abs. 4 FPG, sondern nur eine feststellende Entscheidung gemäß § 83 Abs. 2 FPG für den Zeitraum vom 11. bis zum zu ergehen. Dabei wäre - offenbar innerhalb der Wochenfrist des § 83 Abs. 2 Z 2 FPG - die tatsächliche Praxis der afghanischen Botschaft in Bezug auf die Ausstellung von Heimreisezertifikaten zu ermitteln gewesen. Dies erweise sich aber als für ein "nicht mit eigenständigen Ermittlungsorganen ausgestattetes Organ der Rechtmäßigkeitskontrolle" aus tatsächlichen Gründen nicht durchführbar. Dazu komme die aus Art. 31 Abs. 2 und 37 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen folgende Unzulässigkeit, eine fremdstaatliche Verwaltungsbehörde bzw. deren Organwalter für Zwecke eines innerstaatlichen Administrativverfahrens (unter Fristsetzung) zur Bekanntgabe gepflogener Verwaltungspraktiken zu verhalten. Im Übrigen wäre das bisherige Vorbringen des Mitbeteiligten nicht ausreichend gewesen, um der belangen Behörde eine nähere Prüfung seiner Abschiebbarkeit aufzutragen. Schließlich argumentierte die belangte Behörde wörtlich:

"Dennoch führen alle diese Einwände letztlich nicht dazu, dass die vom VwGH mit dessen Erkenntnissen vom , Zl. 2011/21/0092, und vom , Zl. 2013/21/0026, gemäß § 63 Abs. 1 VwGG überbundene Rechtsmeinung deshalb (i.S.d. § 62 Abs. 1 VwGG i.V.m. § 68 Abs. 4 Z. 3 AVG) tatsächlich undurchführbar wäre.

Vielmehr sind die beiden VwGH-Erkenntnisse vor dem Hintergrund, dass eine Entscheidung gemäß § 83 Abs. 2 FPG ein Feststellungserkenntnis verkörpert, insgesamt wohl dahin zu verstehen, dass der Oö. Verwaltungssenat danach bereits im Zuge der Erlassung der (Erst )Erledigung der Schubhaftbeschwerde vom auch die Frage der tatsächlichen Durchführbarkeit der Abschiebung zu klären gehabt hätte, und zwar - wie dies ex post konkretisiert wurde - insbesondere (auch) im Wege der Prüfung der administrativen Praxis der afghanischen Botschaft in Bezug auf die Ausstellung von Heimreisezertifikaten. Weil es sich insoweit aber eben um eine bloße Feststellungsentscheidung handelte, kann daher eine dementsprechende Säumnis ex post nicht mehr nachgeholt werden, d.h.: Die entsprechende damalige Unterlassung darf im Zuge des Verfahrens zur Erlassung eines Ersatzbescheides nicht substituiert werden. Wäre Derartiges zulässig, würde dies nämlich dazu führen, dass auf diesem Weg die gesetzliche, im gegenständlichen Zusammenhang sogar verfassungsmäßig vorgegebene Entscheidungsfrist von bloß einer Woche (vgl. Art. 6 Abs. 1 PersFrBVG) für die Behörde verlängert und damit im Ergebnis umgangen würde.

Deshalb hat dann, wenn der VwGH in Bezug auf einen Feststellungsbescheid auf dessen Rechtswidrigkeit erkannt hat, der Ersatzbescheid - sofern ein solcher (wie hier: im Interesse der Rechtssicherheit und im Hinblick auf den Kostenausspruch) überhaupt zu erlassen ist - nur mehr darin zu bestehen, die Rechtswidrigkeitsfeststellung des VwGH zu übernehmen; ein ursprünglich fehlendes, die Gesetzmäßigkeit der behördlichen Vorgangsweise rechtfertigendes Sachverhaltselement kann hingegen - anders als bei Rechtsgestaltungsbescheiden - ex post nicht mehr nachgetragen werden.

Dies lässt sich im Übrigen insbesondere auch daraus schließen, dass dann, wenn diese Sichtweise nicht geboten wäre, der VwGH - wenn und weil die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3a VwGG (wie hier) offenkundig vorliegen - den angefochtenen Bescheid nicht wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, sondern vielmehr unmittelbar in der Sache entschieden hätte (vgl. z.B. jüngst Zl. 2012/02/0226).

Aus allen diesen Gründen war daher gemäß § 63 Abs. 1 VwGG i. V.m. § 83 Abs. 2 FPG 2009 und i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass die Anhaltung des (Mitbeteiligten) in Schubhaft vom 11. bis zum rechtswidrig war, weil seitens des Oö. Verwaltungssenates innerhalb der einwöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 83 Abs. 2 FPG die administrative Praxis der Botschaft Afghanistans im März 2011 betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten nicht abgeklärt wurde und damit die tatsächliche Abschiebbarkeit des (Mitbeteiligten) nicht zweifelsfrei feststand."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Landespolizeidirektion Oberösterreich hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch den Mitbeteiligten sowie durch die belangte Behörde erwogen:

Die Amtsbeschwerde verweist darauf, dass der Mitbeteiligte seit dem nicht mehr in Schubhaft angehalten worden sei, sodass sich die Argumentation der belangten Behörde mit der Pflicht zur Entscheidung innerhalb einer Woche als nicht nachvollziehbar erweise. Die vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragene Prüfung der administrativen Praxis der afghanischen Botschaft wäre daher vorzunehmen gewesen. Insgesamt hätte sich die - auch zur Sicherung des Aufenthaltsverbotsverfahrens erlassene - Schubhaft als rechtmäßig erwiesen.

Diese Argumentation verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, denen die unabhängigen Verwaltungssenate im vorliegenden Zusammenhang gleichzuhalten sind, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln verpflichtet, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Bei der Erlassung des Ersatzbescheides sind sie somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage.

Erfolgt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil es die belangte Behörde unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass die belangte Behörde nunmehr jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/21/0286, und vom , Zl. 2010/17/0099, jeweils mwN).

Dieser Verpflichtung hat die belangte Behörde - trotz unveränderter Sach- und Rechtslage - im fortgesetzten Verfahren nicht entsprochen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ihr (zuletzt) im erwähnten Vorerkenntnis vom aufgetragen, die administrative Praxis der Botschaft Afghanistans im März 2011 betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten abzuklären. Daran war die belangte Behörde gebunden.

Soweit die belangte Behörde mit der einwöchigen Frist des § 83 Abs. 2 Z 2 FPG argumentiert, ist ihr zu entgegnen, dass diese schon auf Grund der - von ihr selbst festgestellten - Beendigung der Anhaltung des Fremden nicht mehr maßgeblich ist. Vielmehr kommt die allgemeine sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 73 AVG zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0100).

Ebenso übersieht die belangte Behörde, dass Erhebungen in Bezug auf die zeitnahe Möglichkeit zur Erlangung eines Heimreisezertifikates - in allfälliger Ermangelung der Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Kooperation - nicht bei Botschaftsangehörigen vorgenommen werden müssen, sondern dafür, neben anderen Beweisaufnahmen, auch Anfragen bei Mitarbeitern österreichischer Behörden, etwa des Bundesministeriums für Inneres, in Betracht kommen. Gegenteiliges ist aus dem vom Verwaltungsgerichtshof erteilten Auftrag auch nicht abzuleiten.

Vor allem hätte sich die belangte Behörde dabei mit dem in diesem Zusammenhang maßgeblichen Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Salzburg vom auseinandersetzen müssen, wonach bei fehlender Rückkehrwilligkeit des Mitbeteiligten die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht beantragt werden könne.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ein Kostenzuspruch an den (die Abweisung der Amtsbeschwerde beantragenden) Mitbeteiligten kommt bei diesem Verfahrensergebnis nicht in Betracht.

Wien, am