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VwGH vom 20.09.2012, 2011/10/0146

VwGH vom 20.09.2012, 2011/10/0146

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des G D in Wien, vertreten durch Dr. Robert Bachner, Rechtsanwalt in 1014 Wien, Franz Josefs-Kai 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS-SOZ/27/8257/2011-4 und UVS-SOZ/27/8591/2011, betreffend Zurückweisung von Berufungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den beiden Bescheiden des Magistrates der Stadt Wien je vom wurde die dem Beschwerdeführer zuerkannte Mindestsicherungsleistung mit eingestellt und der Beschwerdeführer verpflichtet, für bereits erbrachte Leistungen einen Kostenersatz in der Höhe von EUR 1.238,64 zu leisten.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die vom Beschwerdeführer gegen diese beiden Bescheide eingebrachten Berufungen als verspätet zurückgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die erstinstanzlichen Bescheide jeweils eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung enthalten hätten. Sie seien am expediert und ohne Zustellnachweis zugestellt worden. Die Berufungen seien am mittels Telefax eingebracht worden.

In seiner Stellungnahme vom zum Vorhalt der verspäteten Berufungseinbringung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass die Berufungen keineswegs verspätet abgesendet worden seien. Die Behörde habe die Unzuverlässigkeit der österreichischen Post nicht berücksichtigt und gehe fälschlicherweise von einer Beförderungszeit in der Dauer von etwa vier Tagen aus. Dies sei auf Grund von ständigen Mängeln im Bereich der Post nicht zulässig, komme es doch bei nicht eingeschriebenen Briefsendungen zu Beförderungszeiten von bis zu 21 Tagen.

Aus diesen allgemeinen Ausführungen - so die belangte Behörde weiter - könne nicht auf eine Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabestelle im maßgeblichen Zeitraum geschlossen werden. Es ergebe sich "somit" weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ein Hinweis darauf, dass die erstinstanzlichen Bescheide später als zu dem in § 26 Abs. 2 ZustellG genannten Zeitpunkt zugestellt worden wären. Da somit keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zustellung entstanden seien, sei die Behörde nicht verpflichtet gewesen, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Es werde daher als erwiesen angesehen, dass die erstinstanzlichen Bescheide gemäß § 26 Abs. 2 ZustellG mit dem dritten Werktag nach Postaufgabe, somit am , rechtswirksam zugestellt worden seien. Die Berufungsfrist habe daher am geendet. Die am eingebrachten Berufungen seien somit verspätet.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 26 Zustellgesetz - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 5/2008, hat folgenden Wortlaut:

" Zustellung ohne Zustellnachweis

§ 26. (1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

In der Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, dass die Zustellung der erstinstanzlichen Bescheide nicht vor dem erfolgt sei. Das genaue Datum der Zustellung sei nicht mehr erinnerlich. Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde gehe unrichtigerweise davon aus, dass sich im Verwaltungsverfahren kein Hinweis auf eine später als drei Werktage nach Übergabe an das Zustellorgan erfolgte Zustellung der erstinstanzlichen Bescheide ergeben habe. Der Beschwerdeführer habe durch das im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Vorbringen deutlich gemacht, dass die erstinstanzlichen Bescheide innerhalb von zwei Wochen vor der Berufungseinbringung zugestellt worden seien, daher wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweis - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. Der bloße Hinweis, die Behauptung der nicht erfolgten Zustellung sei eine "Schutzbehauptung", vermag den fehlenden Zustellnachweis nicht zu ersetzen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2007/16/0175, und vom , Zl. 2004/08/0087). Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/17/0202).

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Ansicht, dass sich weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ein Hinweis auf eine Zustellung nach dem in § 26 Abs. 2 ZustG genannten Zeitpunkt ergebe und somit die Zustellung zu diesem Zeitpunkt nicht zweifelhaft sei.

Wie in der Beschwerde richtig ausgeführt wird, hat der - damals unvertretene - Beschwerdeführer mit dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren, die Berufungen seien nicht verspätet abgesendet worden, auf Grund der Unzuverlässigkeit der österreichischen Post komme es zu Beförderungszeiten von bis zu 21 Tagen und es sei nicht zulässig, eine Beförderungszeit von vier Tagen anzunehmen, ausreichend deutlich vorgebracht, die erstinstanzlichen Bescheide innerhalb von zwei Wochen vor der Einbringung der Berufungen zugestellt erhalten zu haben. An diesem Gehalt des Vorbringens kann der Umstand nichts ändern, dass der Beschwerdeführer - der danach von der belangten Behörde nicht gefragt worden ist - nicht ausgeführt hat, an welchem konkreten Tag die Zustellung erfolgte.

Auf Grund dieses Vorbringens des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, die Zustellung zu dem in § 26 Abs. 2 ZustG genannten Zeitpunkt innerhalb von drei Tagen nach der Übergabe an das Zustellorgan sei nicht zweifelhaft. Die belangte Behörde wäre daher nach der dargestellten Judikatur verpflichtet gewesen, den Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide der Behörde erster Instanz nachzuweisen. Gelingt ihr dieser Nachweis - im fortgesetzten Verfahren - nicht, so muss sie die Behauptung des Beschwerdeführers über die erfolgte Zustellung innerhalb von zwei Wochen vor der Einbringung der Berufungen als richtig annehmen.

Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am