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VwGH vom 22.05.2007, 2006/21/0004

VwGH vom 22.05.2007, 2006/21/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. BMI- 1002066/0001-II/3/2005, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, ist unter falschem Namen am in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid vom erließ die Bundespolizeidirektion Wien (kurz: BPD) gegen ihn gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des (bis zum in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, rechtskräftig ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Die BPD stützte sich darauf, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen der §§ 127, 130 und 229 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden war. Er habe gemeinsam mit einem Mittäter am einer Dame eine Ledergeldbörse, S 2.000,-- Bargeld und Schmuckstücke sowie unbekannt gebliebenen Geschädigten S 3.000,-- Bargeld gestohlen und die beim Diebstahl erbeuteten Urkunden der Geschädigten unterdrückt.

Mit weiterem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 SMG iVm § 15 StGB sowie §§ 15, 127 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt; gleichzeitig wurde die bedingte Strafnachsicht der früheren Verurteilung widerrufen. Er habe am 6,5 g Haschisch und eine weitere nicht mehr feststellbare Menge dieses Suchtgifts an zahlreiche unbekannte Abnehmer verkauft sowie zwischen August 2000 und wiederholt Haschisch für den Eigenkonsum erworben. Weiters habe er am in einem Supermarkt versucht, Waren im Wert von zusammen S 219,80 zu stehlen.

Am beantragte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer, der seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war und sich aus der gegen ihn angeordneten Schubhaft wiederholt durch Hungerstreik freigepresst hatte, die Aufhebung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes. Er berief sich auf den "Wegfall jener Sachverhaltselemente, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben". Am habe er eine österreichische Staatsangehörige, die von Beruf Sonderschullehrerin sei, geheiratet. Er lebe nunmehr "in geordneten Verhältnissen", sein weiterer Aufenthalt in Österreich stelle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Gefahr für die öffentliche Ruhe und Ordnung dar.

In einer ihm von der BPD freigestellten Eingabe vom ergänzte er sein Vorbringen dahin, dass er seit seiner Verurteilung im Dezember 2001 keine strafbaren Handlungen begangen hätte. Die Verbüßung der Strafhaft habe ihm deutlich vor Augen geführt, welche Konsequenzen sein Verhalten habe. Bei seiner nunmehrigen Ehefrau habe er "großen Rückhalt und Stütze, auch in finanzieller Hinsicht", gefunden. Sein Lebenswandel und sein Freundeskreis hätten sich grundlegend geändert. Er führe seitdem ein geordnetes Leben. Jene Motivationen und Lebensbedingungen, die ihn noch im Jahr 2001 zur Begehung von Straftaten getrieben hätten, seien weggefallen. Daher sei eine günstige Zukunftsprognose angebracht.

Mit Bescheid vom wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien den Antrag vom gemäß § 44 FrG ab. Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 65 des (am in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, keine Folge.

In ihrer Begründung führte sie - auf das Wesentlichste zusammengefasst, zum Teil unter Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid - aus, der Beschwerdeführer sei trotz der Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes und des Fehlens einer Aufenthaltsberechtigung unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Er sei am , am und am - jeweils nach Hungerstreik - aus einer über ihn verhängten Schubhaft entlassen worden. Selbst nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei er - unter falscher Identität - neuerlich wiederholt straffällig geworden.

Demgegenüber könnte die Eheschließung, die zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als der Beschwerdeführer weder zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen sei noch mit einem Weiterverbleib im Bundesgebiet habe rechnen können, seinen persönlichen Interessen kein zusätzliches Gewicht dergestalt verleihen, dass ihnen gegenüber die seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes unverändert gebliebenen öffentlichen Interessen an einer Beendigung seines Aufenthaltes in den Hintergrund zu treten hätten. Wenn die erfolgte Verbüßung der Freiheitsstrafe auch "eine gewisse spezialpräventive Wirkung erfüllt" hätte, so läge das jeweils ausschlaggebende Fehlverhalten doch noch nicht so lange zurück, dass eine wesentliche Verringerung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (vorwiegend an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, also dem Schutz der körperlichen Integrität und des Vermögens anderer) angenommen werden könnte.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, er habe in dieser Angelegenheit am (die zur hg. Zl. 2006/18/0012 protokollierte, am eingelangte) Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Bei Nachholung des vorliegend angefochtenen Bescheides vom , der ihm noch am selben Tag zugestellt worden sei, sei die belangte Behörde daher bereits unzuständig gewesen.

Dieses Vorbringen ist jedoch schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der belangten Behörde nach Einbringung einer Säumnisbeschwerde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG die gesamte zur Bescheiderlassung eingeräumte Frist (im Beschwerdefall bis zum ) zur Nachholung ihres Bescheides offen steht. Umso weniger kann daher im Fall einer Bescheiderlassung vor Einlangen der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof von einer Unzuständigkeit der belangten Behörde die Rede sein.

In der Sache argumentiert der Beschwerdeführer mit der langen Dauer seines Wohlverhaltens und der Heirat mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Hiedurch sei seine Existenzgrundlage gesichert. Die eingangs angeführten Straftaten habe er nur begangen, um sich sein Leben in Österreich zu finanzieren. Nunmehr brauche er keine Eigentums- oder Suchtgiftdelikte, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Er werde daher in Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Straftaten mehr begehen. Die gegenteilige Annahme sei von der belangten Behörde, die sich nicht damit auseinander gesetzt habe, ob er nach sechs Jahren oder nach acht Jahren keine Gefährdung mehr darstelle, nicht ausreichend begründet worden. Der Beschwerdeführer lebe "in einem völlig anderen sozialen Umfeld" und werde vom Freundeskreis seiner Ehefrau geschätzt. Da es in einem solchen Lebensumfeld geradezu typisch sei, dass Eigentums- und Drogendelikte nicht mehr gesetzt würden, hätte seinem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes entsprochen werden müssen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - wie der Beschwerdeführer - die Stellung eines Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) eines Österreichers erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grunde des § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG zulässig ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/18/0314, und vom , Zl. 2006/18/0205).

Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit seiner Erlassung die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0314 mwN). Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0174), ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag lediglich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind.

Im vorliegenden Fall fällt allerdings zum Nachteil des Beschwerdeführers erheblich ins Gewicht, dass dieser sein (gerichtlich) strafbares Verhalten fortgesetzt hat, als bereits ein befristetes Aufenthaltsverbot über ihn verhängt worden war. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft ist er außerdem beharrlich der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sodass von einem - in der Beschwerde behaupteten - Wohlverhalten im fremdenrechtlichen Sinn insgesamt nicht die Rede sein kann.

An der hieraus abzuleitenden Gefahr des Beschwerdeführers für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft iSd § 86 Abs. 1 Satz 2 FPG, vor allem nämlich wiederholte Angriffe auf fremdes Vermögen zu unterbinden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0327), berührt, kann auch das Vorbringen der Beschwerde nichts ändern, er hätte (jedenfalls) nach der Heirat mit einer österreichischen Staatsangehörigen einen Gesinnungswandel durchgemacht und sich im Sinne eines sozial angepassten Verhaltens gebessert. Auch die Eheschließung bietet für sich genommen nämlich keinen ausreichenden Anlass dafür, von einem Wegfall der Gründe auszugehen, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit dem und die Bindung an seine österreichische Ehefrau zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben angenommen. Wenn sie dennoch angesichts des auch nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes gesetzten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Beibehaltung dieser Maßnahme im Licht der zitierten Gesetzesbestimmungen für zulässig, weil dringend geboten, erachtet hat, so ist dies in Ansehung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer nicht als rechtswidrig zu erkennen. Unter Zugrundelegung dieses großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Maßnahme erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Dabei konnte der Umstand, dass der Beschwerdeführer (nunmehr) in Österreich eine familiäre Bindung aufweist, nur eingeschränkt zu seinen Gunsten ausschlagen, weil die Eheschließung erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem der Beschwerdeführer und seine Ehefrau wussten, dass er nicht mit einem Verbleib in Österreich rechnen durfte (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/18/0243, und vom , Zl. 2006/18/0327, mwN). Im Übrigen fehlt auch eine berufliche Integration. Die Trennung des Beschwerdeführers von seiner österreichischen Ehefrau ist somit infolge des dargestellten großen öffentlichen Interesses in Kauf zu nehmen.

Da eine Abstandnahme von der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht im Sinn des Gesetzes gelegen wäre, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der den Vorlageaufwand der belangten Behörde umfassende Kostenzuspruch beruht im Umfang des Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Der darüber hinaus begehrte Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil die belangte Behörde - nach eigenem Vorbringen - von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen hat.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-87866