VwGH vom 03.07.2012, 2011/10/0136
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. der VP, 2. des FN, beide in T, beide vertreten durch Dr. Werner Hetsch und Dr. Werner Paulinz, Rechtsanwälte in 3430 Tulln, Albrechtsgasse 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. LF1-FO-120/040-2011, betreffend Waldfeststellung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Niederösterreich gegenüber den Beschwerdeführern als Grundstückseigentümern gemäß § 5 Forstgesetz 1975 - ForstG, BGBl. Nr. 440, festgestellt, dass die im dem angefochtenen Bescheid angeschlossenen Lageplan rot gekennzeichneten Teilflächen der Grundstücke Nr. 231/4, 251/34 und 349, alle KG T., im Gesamtausmaß von 4.500 m2 Wald im Sinn des Forstgesetzes seien.
Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, die Beschwerdeführer hätten am die bescheidmäßige Feststellung, dass die gegenständliche Fläche nicht Wald sei, beantragt. Dazu hätten sie vorgebracht, dass der forstliche Bewuchs inklusive der Wurzelstöcke bereits im Jahr 1997 entfernt worden sei. Seit damals sei die Fläche unbestockt und finde als "Wienerwaldwiese" Verwendung.
Die Feststellung, dass es sich bei einer bestimmten Fläche nicht um Wald handle, könne dann erfolgen, wenn die Fläche nach Entfernung des forstlichen Bewuchses mindestens zehn Jahre unbestockt geblieben und zu anderen Zwecken als der Waldkultur verwendet worden sei. Die Beschwerdeführer hätten am die Erteilung einer Rodungsbewilligung für die gegenständliche Fläche beantragt. Dieser Antrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. Nur das Vorliegen einer Rodungsbewilligung könne zur Feststellung, dass eine Grundfläche nicht Wald sei, führen. Eine solche liege aber nicht vor. Die Entfernung des forstlichen Bewuchses auf der gegenständlichen Fläche sei im Rahmen einer Waldverwüstung durch Herrn N. erfolgt. Auf Grund dieser Waldverwüstung sei gegen Herrn N. am ein rechtskräftiger Wiederbewaldungsauftrag ergangen. Da der Verpflichtete diesem Auftrag nicht nachgekommen sei, habe die Behörde erster Instanz ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet, das bis jetzt nicht abgeschlossen sei. Bei einer Rodung handle es sich um die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als der Waldkultur. Die Beschwerdeführer hätten keinen konkreten Sachverhalt behauptet, aus dem sich zwingend ergeben könnte, dass die gegenständliche Fläche nicht Wald sei. Auf Grund des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über die Waldverwüstung bestehe die Waldeigenschaft nach wie vor.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 5. (1) Bestehen Zweifel, ob
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a) | eine Grundfläche Wald ist oder |
b) | ein bestimmter Bewuchs in der Kampfzone des Waldes oder als Windschutzanlage den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegt, |
so hat die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag eines gemäß § 19 Abs. 1 Berechtigten ein Feststellungsverfahren durchzuführen. | |
§ 19 Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden. |
(2) Stellt die Behörde fest, dass die Grundfläche zum Zeitpunkt der Antragstellung oder innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes war, so hat sie mit Bescheid auszusprechen, dass es sich bei dieser Grundfläche um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt. Weist der Antragsteller nach, dass
1. die Voraussetzungen des ersten Satzes nicht zutreffen oder
2. eine dauernde Rodungsbewilligung erteilt wurde, und ist inzwischen keine Neubewaldung erfolgt, so hat die Behörde mit Bescheid auszusprechen, dass es sich bei dieser Grundfläche nicht um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt.
…
§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.
…
§ 172. …
6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
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a) | die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung, |
b) | die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen, |
c) | die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung, |
d) | die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder |
e) | die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen. |
…" | |
Die Beschwerdeführer bringen zusammengefasst vor, dass die Waldeigenschaft zu Unrecht schon deshalb bejaht worden sei, weil keine Rodungsbewilligung erteilt worden sei. Hätte sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, dass bereits im Jahre 1997 sämtlicher forstlicher Bewuchs samt den Wurzelstöcken entfernt und die Fläche als "Wienerwaldwiese" genutzt worden sei, wäre sie zum Ergebnis gekommen, dass die Waldeigenschaft durch Zeitablauf verloren gegangen sei. Der Umstand, dass die Bewuchsentfernung im Zuge einer Waldverwüstung erfolgt sei, könne daran nichts ändern. | |
Die Feststellung des Nichtvorliegens der Waldeigenschaft einer Fläche hat grundsätzlich u.a. dann zu erfolgen, wenn die Fläche nach Entfernung eines allenfalls vorhanden gewesenen forstlichen Bewuchses - auch wenn dies eine Waldverwüstung darstellt - durch 10 Jahre hindurch unbestockt geblieben und zu einem anderen Zweck als den der Waldkultur verwendet worden ist. Die rechtswidrige Rodung hat diesfalls die Wirkung, dass die Waldeigenschaft der betroffenen Fläche durch Zeitablauf verloren geht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0052). | |
Für die Feststellung der Waldeigenschaft genügt es jedoch gemäß § 5 Abs. 2 ForstG, wenn die betreffende Fläche im Zeitpunkt der Antragstellung oder innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald im Sinne des ForstG war. Auch im Fall eines amtswegigen Feststellungsverfahrens ist für die Berechnung der "vorangegangenen zehn Jahre" im Sinn von § 5 Abs. 2 ForstG der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens maßgebend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0111). Im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/10/0118, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf seine Judikatur zum Rodungsverfahren ausgeführt, dass die im Verfahren zu Erlassung eines forstpolizeilichen Auftrages gemäß § 172 Abs. 6 ForstG zu lösende Vorfrage der Waldeigenschaft der betroffenen Fläche im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages dann zu bejahen ist, wenn die Fläche bei Einleitung des Verfahrens oder innerhalb der letzten zehn Jahre davor Wald im Sinn des ForstG war. Die Waldeigenschaft darf jedoch - ebenso wie im Feststellungsverfahren gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 ForstG - während des Verfahrens nicht durch eine dauernde Rodungsbewilligung verloren gegangen sein. Umgekehrt ist die Waldeigenschaft im Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages aber - ebenso wie im Feststellungsverfahren gemäß § 5 Abs. 2 ForstG - auch dann zu bejahen, wenn sie zwar im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nicht gegeben war, aber "inzwischen", also bis zum Abschluss des Verfahrens, eine Neubewaldung erfolgt ist. Dies wurde damit begründet, dass ein Waldeigentümer, der weder einen Antrag auf Feststellung der Waldeigenschaft, noch einen Rodungsantrag stelle, sondern den Waldboden sogleich für waldfremde Zwecke verwende, nicht dadurch besser gestellt werden solle, dass die gesetzten Maßnahmen während des Verfahrens zum Verlust der Waldeigenschaft führen können. | |
Es ist daher auch in einem während eines - gemäß § 38 AVG unterbrochenen - Verfahrens zur Erlassung eines forstpolizeilichen Auftrages eingeleiteten Waldfeststellungsverfahren betreffend dieselbe Grundfläche die Waldeigenschaft dann zu bejahen, wenn die Fläche im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages oder innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald im Sinn des ForstG war (wenn nicht inzwischen eine Rodungsbewilligung erteilt wurde und keine Wiederbewaldung eingetreten ist). Ansonsten könnte die vom Grundeigentümer oder einem Dritten erfolgte Bewuchsentfernung in Verbindung mit der Verwendung der Fläche zu waldfremden Zwecken trotz Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung eines forstpolizeilichen Auftrages zum Verlust der Waldeigenschaft durch Zeitablauf führen. | |
Wurde bereits rechtskräftig ein forstpolizeilicher (Wiederbewaldungs | )Auftrag erteilt, jedoch noch nicht erfüllt, so hat Gleiches zu gelten. Es soll nämlich ein Waldeigentümer auch nicht dadurch besser gestellt werden können, dass er - oder ein Dritter, der den Bewuchs unrechtmäßig entfernt hat - dem rechtskräftigen Wiederbewaldungsauftrag so lange nicht nachkommt, bis die gesetzten Maßnahmen durch Ablauf der zehnjährigen Frist zum Verlust der Waldeigenschaft führen. Solange einem rechtskräftigen forstpolizeilichen Auftrag nicht nachgekommen worden ist, setzt die Waldfeststellung gemäß § 5 ForstG daher voraus, dass die Fläche im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages oder innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald im Sinn des ForstG war. Wird die Waldeigenschaft nach diesen Grundsätzen im Feststellungsverfahren bindend verneint, so kann das Verfahren zur Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG wieder aufgenommen werden. |
Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass Herr N., der den Bewuchs im Jahr 1997 im Zuge einer Waldverwüstung entfernt hat, dem bereits im November 1998 rechtskräftig erteilten Auftrag zur Wiederbewaldung der gegenständlichen Grundfläche nicht nachgekommen ist. Nach dem Gesagten ist daher für die Feststellung der Waldeigenschaft maßgeblich, ob die gegenständliche Fläche im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages, der jedenfalls vor dem November 1998 liegt, oder innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald im Sinn des ForstG war. Dass dies der Fall ist, bestreiten die Beschwerdeführer nicht. Es kann daher dahinstehen, ob die von den Beschwerdeführen ohne weitere Konkretisierung behauptete Nutzung der gegenständlichen Fläche als "Wienerwaldwiese" überhaupt eine für das Vorliegen einer Rodung essenzielle Kulturumwandlung darstellt (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis zur Zahl 2009/10/0052). | |
Da die belangte Behörde die Waldeigenschaft daher im Ergebnis zu Recht festgestellt hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. | |
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am |
Fundstelle(n):
IAAAE-87865