VwGH 28.09.2010, 2009/05/0218
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | AVG §18 Abs4; AVG §53 Abs1 idF 2009/I/020; AVG §58 Abs3; AVG §7 Abs1 Z4 idF 2008/I/005; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 1 | Der bautechnische Sachverständige, dessen Berechnungen von der belangten Behörde für ihre Beurteilung herangezogen wurden, hat den Baubewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz approbiert. Der angesprochene Organwalter hat damit iSd § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG "an der Erlassung des (vor der belangten Berufungsbehörde) angefochtenen Bescheides mitgewirkt" und hätte sich daher der Ausübung seines Amtes als Amtssachverständiger während des Berufungsverfahrens zu enthalten gehabt (vgl. Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 2009, 86, unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG Rz 13 zu § 7 (2004), sowie die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/05/0239 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der T K und 2. der P W, beide in Wien, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Getreidemarkt 1, sowie 3. des Dr. H S in Wien, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-596 bis 599/08, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: D W in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Markus Christian Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei (in der Folge Bauwerberin) ist Alleineigentümerin des Grundstückes Nr. 554/340 der Liegenschaft EZ 1717, KG Pötzleinsdorf (in der Folge Baugrundstück genannt).
Die Zweitbeschwerdeführerin ist Alleineigentümerin des im Südosten an das Baugrundstück angrenzenden, an der öffentlichen Verkehrsfläche Franz Barwig-Weg liegenden Grundstückes Nr. 554/121 der Liegenschaft EZ 1971, KG Pötzleinsdorf. Die Erstbeschwerdeführerin ist Alleineigentümerin des dahinterliegenden, ebenfalls im Südosten an das Baugrundstück angrenzenden, jedoch ca. 13 m von dessen hinterer Baufluchtlinie entfernt liegenden Grundstückes Nr. 554/39 der Liegenschaft EZ 276 KG Pötzleinsdorf. Der Drittbeschwerdeführer ist Alleineigentümer des nördlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. 554/307 der Liegenschaft EZ 176, KG Pötzleinsdorf; es ist von der hinteren Baufluchtlinie des Baugrundstückes mehr als 30 m entfernt.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde der Bauwerberin gemäß § 70 Bauordnung für Wien (in der Folge BO) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Baugrundstück erteilt. Die dagegen von Nachbarn erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid der nunmehr belangten Behörde vom als unbegründet abgewiesen.
Mit Bauansuchen vom beantragte die Bauwerberin ein Abweichen vom bewilligten Bauvorhaben und die Errichtung von Zubauten innerhalb der seitlichen Giebelflächen ("3. Planwechsel-Änderung der Dachform") gemäß den §§ 70 und 73 BO für das bereits bewilligte Bauvorhaben auf der gegenständlichen Liegenschaft.
Die Beschwerdeführer erhoben schriftliche Einwendungen, insbesondere betreffend die Gebäudehöhe des bewilligten Bauvorhabens.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom , wurde die beantragte Baubewilligung gemäß § 70 und § 73 BO wie folgt erteilt:
"I. Zubau: Nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, wird gemäß § 70 BO die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:
Im Dachgeschoss werden Zubauten im Bereich der beiden Giebelwände, an der südlichen Gebäudefront und im Giebelbereich innerhalb des zulässigen Gebäudeumrisses errichtet.
II. Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben:
Nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, wird gemäß § 70 und § 73 der Bauordnung für Wien (BO) die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft abweichend von dem mit Bescheid vom , ... , der Entscheidung der Bauoberbehörde vom , ... , und der Bewilligung zur Abweichung von der Baubewilligung vom 6. Feber 2008, ... , bewilligten Bauvorhaben nachstehende Änderungen vorzunehmen:
Durch die oben angeführten Zubauten entfallen die seitlichen Dachflächen samt den ursprünglich vorgesehenen Gauben und werden die Räume im Dachgeschoss vergrößert.
Die Bauführung wird in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt.
Für die geänderte Bauführung gelten die Auflagen der oben angeführten Bescheide sinngemäß."
Dieser Bescheid ist unter den Worten "Für den Abteilungsleiter" von "Dipl. Ing. Sch." gefertigt.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung.
Die belangte Behörde ersuchte auf Grund dieser Berufungen die "MA 37/18" mit Schreiben vom das vorliegende Bauvorhaben "einer Überprüfung aus technischer Sicht zu unterziehen".
In der schriftlichen Stellungnahme der MA 37, welche von "Dipl. Ing. Sch." für den Abteilungsleiter gefertigt wurde, vom wird ausgeführt, dass das anschließende Gelände unverändert bleibe. Aus dem der Bewilligung vom zu Grunde liegenden Plan sei ersichtlich, dass die Dachform gegenüber der Baubewilligung von einem Walmdach auf ein Satteldach mit Giebelflächen an der West- und Ostansicht geändert worden sei. Die Giebelflächen seien gemäß § 81 Abs. 2 BO bei der Bemessung der Gebäudehöhe außer Betracht geblieben. Die Dachfläche an der Südseite habe eine Neigung von 45 Grad, an der Nordseite werde der 45 Grad-Umriss ebenfalls durch die Staffelung der Außenwand im Dachgeschoss eingehalten. An der Südseite werde die Gaube mit einer Breite von 2,73 m, d. h. von weniger als einem Drittel dieser Front, vergrößert hergestellt. Der zulässige Gebäudeumriss gemäß § 81 Abs. 2 bis 4 BO werde somit eingehalten. Es werden die zulässigen 9 m (7,5 m + 1,5 m) an keiner Stelle überschritten. Der höchste Punkt des Daches liege um 4,50 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe. Die für die Fassadenabwicklung herangezogenen Abmessungen würden mit den Grundrissen, Schnitten und Ansichten übereinstimmen und seien in den beiliegenden Kopien der Fassadenansichten eingetragen, bzw. markiert. Im Bereich des Keller-, Erd- und Obergeschosses erfolge keine Vergrößerung des Gebäudes. Die Zubauten im Dachgeschoss würden innerhalb der bereits genehmigten Breite des Gebäudes bleiben, und es würden die Abstandsbestimmungen eingehalten. Die rote Linie in der Süd- und Nordansicht stelle im Dachgeschoss den Dachvorsprung und im Bereich der übrigen Geschosse die Regenabfallrohre dar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung u.a. auch auf die erwähnte fachkundige Stellungnahme des Dipl. Ing. Sch. vom .
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit seinem Beschluss vom , B 435/09-8, lehnte dieser Gerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.
In der vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen Beschwerdeergänzung führten die Beschwerdeführer aus, der bekämpfte Bescheid verletze sie in ihrem Recht auf Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe und auf Abweisung unzulässiger Bauansuchen. Sie beantragten, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragte.
Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der bautechnische Sachverständige Dipl. Ing. Sch., dessen bautechnisches Gutachten (Stellungnahme vom ) die belangte Behörde ihrer Beurteilung im angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt hat, hat den Baubewilligungsbescheid der Baubehörde erster Instanz vom approbiert. Der angesprochene Organwalter hat damit iSd § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG "an der Erlassung des (vor der belangten Berufungsbehörde) angefochtenen Bescheides mitgewirkt" und hätte sich daher der Ausübung seines Amtes als Amtssachverständiger während des Berufungsverfahrens zu enthalten gehabt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0239, mit weiteren Nachweisen).
Wenn die belangte Behörde dennoch ihre Entscheidung auf ein solcherart unzweifelhaft befangenes Organ gestützt hat, hat sie die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere Vorbringen der Beschwerde einzugehen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Normen | AVG §18 Abs4; AVG §53 Abs1 idF 2009/I/020; AVG §58 Abs3; AVG §7 Abs1 Z4 idF 2008/I/005; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2009050218.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAE-87842