VwGH vom 09.09.2010, 2006/20/0446
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2007/20/0362
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofrätin Dr. Pollak, den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerden des D, vertreten durch Mag. Daniela Karollus-Bruner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1.) (mündlich verkündet am ), Zl. 209.635/13-II/06/06 (protokolliert zur hg. Zl. 2006/20/0446), und 2.) , Zl. 209.635/17- II/06/06 (protokolliert zur hg. Zl. 2007/20/0362), betreffend 1.) §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 und 2.) Abänderung bzw. Berichtigung des erstangefochtenen Bescheides (jeweils weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der erstangefochtenen Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, der zweitangefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 2.212,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, beantragte am Asyl. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er vor dem Bundesasylamt zusammengefasst an, er sei am als Mitglied der "Chatra Dal" von Funktionären der Awami League angezeigt und fälschlich beschuldigt worden, ein Mitglied der Awami League umgebracht zu haben. Die Polizei suche deswegen nach ihm. Er befürchte die Verfolgung durch Mitglieder der Awami League. Daraufhin habe er am Bangladesch verlassen.
Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wies die belangten Behörde - nach Durchführung von zwei Berufungsverhandlungen und Einholung eines Sachverständigengutachtens - die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß "§§ 7, 8 AsylG" ab und ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus.
Begründend referierte die belangte Behörde zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung des Refoulementschutzes den Namen und die Fluchtgründe eines anderen Asylwerbers, gab die darauf bezugnehmenden sachverständigen Äußerungen wieder, denen sich die belangte Behörde beweiswürdigend anschloss, und beurteilte das anders gelagerte Verfolgungsvorbringen als nicht glaubwürdig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2006/20/0446 protokollierte Beschwerde, in der u.a. als Aktenwidrigkeit gerügt wird, die belangte Behörde habe Feststellungen getroffen, welche offensichtlich ein gänzlich anderes Asylverfahren eines Dritten betreffen.
Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof im Verfahren zur hg. Zl. 2006/20/0446 erließ die belangte Behörde den zweitangefochtenen "Berichtigungsbescheid", mit dem die Begründung im erstangefochtenen Bescheid gemäß "§ 68 Abs. 2 AVG ... abgeändert" wurde. Insbesondere wurden die Daten der Berufungsverhandlungen, der Name sowie die Fluchtgründe des Beschwerdeführers, der Inhalt des Sachverständigengutachtens, Beweiswürdigungsargumente und teilweise die rechtliche Beurteilung (von "§ 57 FrG" auf "§ 50 FPG") geändert.
Begründend führte die belangte Behörde - ohne auf die spruchgemäße Abänderung nach § 68 Abs. 2 AVG einzugehen - aus, im erstangefochtenen Bescheid seien auf Grund eines technischen
Fehlers "hineinkopierte Daten ... nicht programmgemäß ausgeführt"
worden. Dieser "Mangel" sei gemäß § 62 Abs. 4 AVG zu berichtigen gewesen.
Gegen den zweitangefochtenen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2007/20/0362 protokollierte Beschwerde, in der u.a. als Rechtswidrigkeit des Inhaltes der Widerspruch zwischen dem Spruch und der Begründung gerügt wird und die Voraussetzungen für die Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG sowie die Zulässigkeit der Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG bestritten werden.
Der Verwaltungsgerichthof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften der belangten Behörde erwogen:
1. Zum zweitangefochtenen Bescheid (Zl. 2007/20/0362):
Die belangte Behörde hat im Spruch des zweitangefochtenen "Berichtigungsbescheides" (nur) die Begründung des erstangefochtenen Bescheides gemäß "§ 68 Abs. 2 AVG ... abgeändert" und dies mit der Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG begründet. Damit liegt aber ein Widerspruch zwischen dem Spruch und der Begründung dieses Bescheides vor.
Nach § 68 Abs. 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, aufgehoben oder abgeändert werden. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG kann aber nur der Spruch und nicht die Begründung geändert werden, weil der Spruch das wesentliche Merkmal des Bescheides ist. Die Begründung kann gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigt werden, wenn es sich um Schreib- oder Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten handelt. Eine unter dem Etikett des § 68 Abs. 2 AVG vorgenommene Änderung der Begründung eines Bescheides ohne Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 Abs. 4 AVG macht aber den die Begründung ändernden zweitangefochtenen Bescheid inhaltlich rechtswidrig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2006/09/0171, 0172).
Die Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG lagen nicht vor. Fehler der Beweiswürdigung, der rechtlichen Beurteilung oder der Begründung eines Bescheides im Sinne der Behebung eines Begründungsmangels sind einer Berichtigung nicht zugänglich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/08/0136, vom , Zlen. 90/18/0248, 91/18/0160, vom , Zl. 95/09/0298, vom , Zl. 96/12/0195, und vom , Zl. 98/06/0160, jeweils mwN). Allein schon der (vollständige) Austausch der Verfolgungsgründe des Beschwerdeführers, der bezughabenden Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen und der darauf gegründeten Beweiswürdigung überschreitet die Grenzen der Berichtigung nach § 62 Abs. 4 AVG.
Abgesehen davon, dass die für die Begründung der Berichtigung herangezogenen "Speicherprobleme" nicht nachvollziehbar dargelegt werden, läge ein Berichtigungsfall aus "EDV-Gründen" nur dann vor, wenn der Wille der Behörde im Bescheid durch den mangelhaften Betrieb der Anlage verfälscht worden wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/12/0269, und vom , Zl. 2009/08/0249). Das von der belangten Behörde "genehmigte" (und offenbar gelesene) Original des erstangefochtenen Bescheides enthält aber bereits die umfangreichen Unrichtigkeiten, sodass davon ausgegangen werden muss, dass der Wille der belangten Behörde nicht offenbar ausschließlich durch einen technisch mangelhaften Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage verfälscht wurde. Die Berichtigung des erstangefochtenen Bescheides war demnach nicht zulässig.
Aus den genannten Gründen war daher der zweitangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
2. Zum erstangefochtenen Bescheid (Zl. 2006/20/0446):
Dieser Bescheid war infolge Aufhebung des zweitangefochtenen Bescheides vom Verwaltungsgerichtshof in der Fassung vor der rechtswidrigen Änderung seiner Begründung zu prüfen (vgl. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2006/09/0171, 0172 (betreffend § 68 Abs. 2 AVG), und vom , Zlen. 90/18/0248, 91/18/0160, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 98/11/0176, 0177 (jeweils betreffend § 62 Abs. 4 AVG)).
Neben der unrichtigen Anführung eines anderen Asylwerbers (vgl. dazu das einen ähnlichen Fall betreffende hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2006/01/0610, 2007/01/0387) begründet die Beurteilung eines Fluchtvorbringens, das der Beschwerdeführer im Asylverfahren nicht erstattet hat, eine Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides wegen Aktenwidrigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2007/20/0558 bis 0560). Die Relevanz für das Verfahrensergebnis ist schon deshalb nicht auszuschließen, weil sich die belangte Behörde mit den tatsächlich vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers inhaltlich nicht auseinander setzte.
Der erstangefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund, ohne dass auf die Ausführungen in der Beschwerde zur Ausweisung im Hinblick auf den im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides knapp zehnjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich eingegangen werden muss (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2006/01/0954 bis 0956, vom , Zlen. 2008/01/0637, 0638, und vom , Zl. 2006/19/0451), gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Von der Durchführung der beantragten Verhandlungen vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3, 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes steht ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zu.
Wien, am