zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 17.10.2013, 2013/21/0087

VwGH vom 17.10.2013, 2013/21/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-13-0023, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I. insoweit, als damit über den Schubhaftbescheid vom und die darauf gegründete Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft bis zur Einbringung der Administrativbeschwerde abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise Mitte Juli 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der im Instanzenzug mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom vollinhaltlich abgewiesen wurde; unter einem wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan ausgewiesen. Hierauf verließ er Österreich und stellte in Belgien einen weiteren Asylantrag. Nach der Rücküberstellung erklärte er in der Vernehmung am , Österreich verlassen zu haben, um der angekündigten Abschiebung nach Afghanistan zu entgehen.

Nach der Zurückweisung des Asylfolgeantrages gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache (samt neuerlicher Ausweisung in seinen Herkunftsstaat) mit dem im Instanzenzug ergangenen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom begab sich der Beschwerdeführer neuerlich nach Belgien. Gemäß seinen (späteren) Angaben am ist er dann nach Norwegen weitergereist, weil ihm von den belgischen Behörden mitgeteilt worden sei, nach Österreich zurückkehren zu müssen. Dort stellte er - wie schon in Belgien - ebenfalls einen Asylantrag. Aufgrund der neuerlichen Ankündigung, nach Österreich abgeschoben zu werden und dazu in Haft genommen zu werden, habe sich der Beschwerdeführer sodann nach Schweden begeben. Von dort wurde er (nach einem Aufgriff durch die Polizei) mit Zustimmung der Republik Österreich, die aufgrund der nach der Dublin II-Verordnung gegebenen Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages erteilt worden war, am hierher abgeschoben.

Noch am Flughafen Wien-Schwechat wurde der Beschwerdeführer dann gemäß § 39 Abs. 3 Z 3 FPG festgenommen. In der Folge wurde über ihn mit Bescheid der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) und zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) verhängt.

Eine gegen die Schubhaftanordnung und die darauf gegründete Anhaltung erhobene Administrativbeschwerde vom wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS) mit Bescheid vom ab. Zugleich wurde gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. (Die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Zl. 2013/21/0021, abgelehnt.)

Am war die Mitteilung des Bundesasylamtes ergangen, dass beabsichtigt sei, den vom Beschwerdeführer gestellten Asylfolgeantrag zurückzuweisen, weil entschiedene Sache iSd § 68 AVG vorliege. In der Folge wurde dieser Antrag entsprechend dieser Ankündigung mit Bescheid des Bundesasylamtes vom aus dem genannten Grund zurückgewiesen; zugleich erging eine seit durchsetzbare Ausweisung nach Afghanistan. Sodann wurde am die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt und in der Folge der Termin für die Vorführung des Beschwerdeführers zur afghanischen Vertretungsbehörde zwecks Identitätsfeststellung mit festgesetzt. Seit befand sich der Beschwerdeführer im Hungerstreik. Am um 15.23 Uhr wurde der Beschwerdeführer dann enthaftet, weil der Asylgerichtshof seiner Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte.

Davor hatte der Beschwerdeführer eine dem UVS per Telefax am um 17.59 Uhr übermittelte, weitere Schubhaftbeschwerde eingebracht, die sich "gegen die weitere Anhaltung" richtete. Es wurde beantragt, der UVS möge "die Anhaltung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erkennen" und "feststellen, zu welchem Zeitpunkt die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig war". Dazu wurde - wie schon in der ersten Schubhaftbeschwerde - mit näherer Begründung geltend gemacht, dass von massiven Zweifeln an der konkreten Abschiebbarkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden müsse. In diesem Zusammenhang wurde unter Anführung konkreter Beweisthemen die Befragung eines namentlich genannten Beamten des Bundesministeriums für Inneres im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung einer entsprechenden Auskunft von der afghanischen Botschaft beantragt. Außerdem "mache" die "mittlerweile zweimonatige Dauer" der Schubhaft in Zusammenhalt mit dem (allerdings nicht näher beschriebenen) schlechten psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und der Ungewissheit der Bewerkstelligung der Abschiebung "die Schubhaft unverhältnismäßig".

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies der UVS diese Beschwerde ab und stellte fest, dass der Schubhaftbescheid vom und die Anhaltung des Beschwerdeführers vom bis nicht rechtswidrig gewesen seien (Spruchpunkt I.). "Hinsichtlich des Antrages, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen", wurde die Beschwerde zurückgewiesen (Spruchpunkt II.) Im Übrigen wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz abgewiesen (Spruchpunkt III.) und der Beschwerdeführer zum Aufwandersatz verpflichtet (Spruchpunkt IV.)

Gegen diesen Bescheid (der Sache nach gegen die Spruchpunkte I., III. und IV.) richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zu Spruchpunkt I.

Der oben wiedergegebene Inhalt der gegenständlichen Schubhaftbeschwerde ist dahin zu verstehen, dass sie sich nur gegen die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft, also ab Erhebung der Administrativbeschwerde vom richtete (vgl. zu einem insoweit ähnlichen Fall das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0111). Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im davor liegenden Zeitraum und der Schubhaftbescheid waren demnach in der gegenständlichen zweiten Administrativbeschwerde nicht angefochten worden; für die Phase bis zur Erlassung des Bescheides des UVS vom wäre das im Hinblick auf die damit entschiedene Sache auch unzulässig gewesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0657, mwN). Der UVS hätte daher nur über die (weitere) Anhaltung absprechen dürfen. Soweit der UVS mit seiner Feststellung im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides darüber hinausging, liegt somit eine auch von Amts wegen wahrzunehmende Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde vor (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2011/21/0179, und Zl. 2013/21/0026). Diesbezüglich war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG mit einer Aufhebung vorzugehen.

Demzufolge war der Bund gemäß §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 zum Kostenersatz an den Beschwerdeführer zu verpflichten.

Zu Spruchpunkt II.

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Treffen diese Voraussetzungen nur in Bezug auf Teile des bekämpften Bescheides zu, kann die Beschwerdeablehnung nach der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Umfang, somit auch nur teilweise, vorgenommen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0174, mwN). Das ist hier in Bezug auf den Abspruch betreffend den von der Anfechtung in der Administrativbeschwerde erfassten Zeitraum der Anhaltung am der Fall.

Die Beschwerde wirft nämlich insoweit keine Rechtsfragen auf, denen im Sinne der eingangs zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme:

Richtig ist zwar, dass der belangte UVS in Bezug auf die Frage der Praxis der afghanischen Botschaft betreffend die Ausstellung von Heimreisezertifikaten an sich nicht von einem iSd § 83 Abs. 2 Z 1 FPG geklärten Sachverhalt hätte ausgehen dürfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0017). Dieser Frage kommt aber grundsätzlich nur bei einer allein der Sicherung der Abschiebung dienenden Schubhaft maßgebliche Bedeutung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0047). Die vorliegende Schubhaft war aber auch zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung angeordnet worden und diente auch in der hier zu beurteilenden Phase in erster Linie noch der Verfahrenssicherung. Der aufgeworfenen Frage der Abschiebbarkeit des Beschwerdeführers fehlte daher die Entscheidungsrelevanz, sodass die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt.

Das Bestehen eines ausreichenden Sicherungsbedarfs für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zur Verfahrenssicherung und deren Verhältnismäßigkeit durfte aber auch noch in der hier gegenständlichen Phase angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers (illegale Ausreise zur Verhinderung der Abschiebung sowohl nach Abschluss des ersten Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz als auch nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylfolgeantrag; Asylantragstellungen in anderen Mitgliedstaaten und Entziehung der Führung auch dieser Verfahren durch Weiterreise) angenommen werden. Das wird in der Beschwerde auch nicht in Frage gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im erwähnten Umfang abzulehnen.

Wien, am