VwGH 22.10.2013, 2011/10/0112
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | SHG Stmk 1998 §28; |
RS 1 | Auch im Fall der mangelnden Geschäfts- und Prozessfähigkeit zum Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe entsteht der Aufwand für tatsächlich geleistete Sozialhilfe, an den § 28 Stmk. SHG 1998 anknüpft; an der unter den in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen eintretenden Ersatzpflicht - welche nicht von der Fähigkeit, sich rechtsgeschäftlich wirksam zu verpflichten, abhängt - änderte sich somit auch in einem derartigen Fall nichts. |
Normen | SHG Stmk 1998 §28; SHG Stmk 1998 §5 Abs4; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 2 | Eine (primär) durch Bescheidspruch begründete konkrete Verpflichtung zur Leistung von Aufwandersatz gegenüber dem Sozialhilfeträger nach § 28 Stmk SHG 1998 darf die Behörde mangels verwertbaren Vermögens der Hilfeempfängerin nicht aussprechen. Dies ist speziell dann der Fall, wenn die Behörde selbst davon aussgeht, dass zwar Vermögen vorhanden ist, dessen Verwertung vorerst allerdings nicht möglich ist, weil ein auf der Liegenschaft befindliches Gebäude zur Deckung des Wohnbedürfnisses dient. In einem solchen Fall ist lediglich eine Berechtigung zur Sicherstellung nach § 5 Abs. 4 Stmk SHG 1998 gegeben (vgl. E , 2009/10/0188). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der AZ in A, vertreten durch Mag. Johannes Fraißler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburgerkai 47/HP, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 47.10-2/2011-8, betreffend Ersatz von Sozialhilfekosten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, die für ihre Betreuung und Pflege im Seniorenkompetenzzentrum T. im Zeitraum vom bis aufgewendeten Sozialhilfekosten in der Höhe von EUR 31.801,58 gemäß §§ 5, 28, 34 und 35 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (Stmk. SHG) zu erstatten.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 28 und 35 Abs. 1 Stmk. SHG mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Beschwerdeführerin einen Betrag von EUR 31.099,95 dem Sozialhilfeverband Bruck an der Mur binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Begründung eines Pfandrechtes auf der Liegenschaftshälfte EZ 355, Grundbuch A., zu leisten habe.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, zum Zeitpunkt des Heimeintrittes am habe die Beschwerdeführerin über kein Einkommen verfügt und Pflegegeld der Stufe 5 in der Höhe von EUR 859,30 bezogen. Die monatlichen Heimrestkosten hätten EUR 2.030,91 betragen und seien vom Sozialhilfeverband Bruck an der Mur getragen worden; insgesamt habe der Sozialhilfeverband für den Zeitraum vom bis EUR 31.108,84 geleistet. Mit Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin den Heimvertrag gekündigt; sie habe das Pflegeheim am verlassen. Die Beschwerdeführerin sei Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ 355, Grundbuch A.
Gemäß § 28 (Z. 1) Stmk. SHG habe der Hilfeempfänger dem Sozialhilfeträger den Aufwand aus seinem Vermögen, soweit hierdurch das Ausmaß des Lebensbedarfes nicht unterschritten werde, zu ersetzen.
Da die Beschwerdeführerin zwar Vermögen habe, dessen Verwertung ihr vorerst aber nicht möglich sei, weil das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude zur Deckung des Wohnbedürfnisses der Beschwerdeführerin diene, sei die Sicherstellung des Ersatzanspruches im Grundbuch auf der Liegenschaftshälfte der Beschwerdeführerin die einzige Möglichkeit, mit welcher einerseits der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers gesichert werde, andererseits aber auch durch diese Sicherstellung der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin in keiner Weise eingeschränkt werde. Die Beschwerdeführerin habe Vermögen, sodass die Sicherstellung gemäß § 5 Abs. 4 Stmk. SHG auf der Liegenschaft erfolgen könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes - Stmk. SHG, LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 14/2011, lauten wie folgt:
"§ 5
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Hilfe ist nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.
(…)
(4) Hat der Hilfeempfänger Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder zumutbar ist, kann im Zuerkennungsbescheid oder in einem getrennten Verfahren die Sicherstellung des Ersatzanspruches verfügt werden.
(…)
§ 28
Ersatzpflichtige
Zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger sind
verpflichtet:
1. der Hilfeempfänger aus seinem Vermögen, soweit
hierdurch das Ausmaß des Lebensbedarfes (§ 7) nicht unterschritten wird;"
2. Die Beschwerde bringt zunächst vor, die belangte Behörde habe es unterlassen zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides über die Zuerkennung von Sozialhilfe (vom ) überhaupt geschäfts- bzw. prozessfähig gewesen sei; wäre die Beschwerdeführerin damals prozessfähig gewesen, hätte sie die Leistung von Sozialhilfe wegen des damit verbundenen Risikos einer Rückersatzverpflichtung bzw. einer Sicherstellung gar nicht in Anspruch genommen.
Dem ist allerdings zu entgegen, dass auch im Fall der mangelnden Geschäfts- und Prozessfähigkeit der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe der Aufwand für tatsächlich geleistete Sozialhilfe, an den § 28 Stmk. SHG anknüpft, entstanden wäre; an der unter den in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen eintretenden Ersatzpflicht - welche nicht von der Fähigkeit, sich rechtsgeschäftlich wirksam zu verpflichten, abhängt - änderte sich somit auch in diesem Fall nichts.
3. Die Beschwerde bringt außerdem vor, die belangte Behörde habe - obwohl sie festgestellt habe, dass die Beschwerdeführerin zwar Vermögen habe, ihr dessen Verwertung allerdings vorerst nicht möglich sei, weil das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude zur Deckung des Wohnbedürfnisses der Beschwerdeführerin diene - im Spruch des angefochtenen Bescheides einen unbedingten Leistungsbefehl gefasst, indem sie einen Aufwandersatz gemäß § 28 Stmk. SHG festgesetzt habe. Damit habe die belangte Behörde einen fehlerhaften Spruch gefasst.
4. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Nach dem für den normativen Gehalt des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Spruch wird die Beschwerdeführerin verpflichtet, die für sie in einem bestimmten Zeitraum aufgewendeten Sozialhilfeleistungen in der Höhe von EUR 31.099,95 binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bescheides "bei sonstiger Begründung eines Pfandrechtes auf der Liegenschaftshälfte EZ. 355, Grundbuch (A.)", zu ersetzen.
Dieser Spruch begründet somit (primär) eine konkrete Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Leistung von Aufwandersatz gegenüber dem Sozialhilfeträger nach § 28 Stmk. SHG.
Eine derartige Verpflichtung durfte die belangte Behörde allerdings mangels verwertbaren Vermögens der Beschwerdeführerin nicht aussprechen, ging sie doch selbst davon aus, dass die Beschwerdeführerin zwar Vermögen habe, ihr dessen Verwertung vorerst allerdings nicht möglich sei, weil das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude zur Deckung des Wohnbedürfnisses der Beschwerdeführerin diene.
Die belangte Behörde war daher lediglich zur Sicherstellung nach § 5 Abs. 4 Stmk. SHG berechtigt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0188, mwN).
5. Aufgrund des Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
6. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | SHG Stmk 1998 §28; SHG Stmk 1998 §5 Abs4; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 18721 A/2013 |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2011100112.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAE-87788