VwGH vom 27.11.2012, 2011/10/0111
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Landes Salzburg gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-457-225/1/15, betreffend Kostenersatz in einer Angelegenheit der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag "des Amtes der Salzburger Landesregierung" (richtig: des Landes Salzburg, vertreten durch die Landeshauptfrau) vom auf Anerkennung der endgültigen Kostentragung "für die Kinder von Frau F A" (in der Folge: A.) gemäß Art. 1, 2, 3, 5, 6 und 7 der Vereinbarung zwischen den Ländern über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 30/1974 "idgF" (in der Folge: Ländervereinbarung), ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit Schreiben des Amtes der Salzburger Landesregierung vom sei um Übermittlung eines Kostenanerkenntnisses für die anfallenden Sozialhilfekosten für Frau A. gemäß der Vereinbarung zwischen den Ländern über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe ersucht worden. Frau A. sei von bis an einer näher genannten Adresse in Innsbruck mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. Seit sei sie in Salzburg aufhältig und behördlich gemeldet. Mit Schreiben vom habe das Land Tirol als kostenersatzpflichtiger Träger die für Frau A. geleisteten Sozialhilfekosten ab dem anerkannt. Erstmals mit Schreiben vom habe das Amt der Salzburger Landesregierung das Land Tirol zur Zahlung der gesamten anfallenden Sozialhilfekosten für Frau A. und ihre Kinder aufgefordert. Daraufhin sei dem Amt der Salzburger Landesregierung mit Schreiben vom mitgeteilt worden, dass die Kostenübernahme nur für Frau A. anerkannt worden sei, da nur sie die Kriterien dafür erfülle, die vier Kinder jedoch nie einen Aufenthalt in Tirol vorweisen hätten können.
Der Auffassung des Landes Salzburg, dass auch diejenigen Kosten zu ersetzen seien, die für mit dem Hilfesuchenden in Familiengemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte Familienangehörige aufgewendet würden, könne nicht gefolgt werden. Lediglich Frau A. habe sich nach dem Erfordernis des Art. 3 der Ländervereinbarung innerhalb von sechs Monaten vor Gewährung der Hilfe durch mindestens fünf Monate in Tirol aufgehalten. Auf ihre Kinder könne sich die Kostenersatzpflicht des Landes Tirol nicht erstrecken, da diese zu keiner Zeit in Tirol aufhältig gewesen seien. Frau A. sei bis einschließlich September 2008 vom Magistrat Innsbruck als Alleinstehende unterstützt worden. Ebenso sei sie mit Bescheid des Magistrats der Stadt Salzburg vom im Monat Oktober 2008 mit einer Geldleistung in Höhe des Richtsatzes für Alleinstehende unterstützt worden. Das Kostenanerkenntnis für Frau A. vom könne nicht im Nachhinein auf ihre Kinder erstreckt werden. Sinn und Zweck der Ländervereinbarung könne nicht sein, dass der kostenersatzpflichtige Sozialhilfeträger Sozialhilfekosten für Personen zu tragen habe, die nach der Kostenersatzzusage aufgrund geänderter Familien- oder Lebensverhältnisse in die Bedarfsberechnung der Sozialhilfe des "anerkannten" Sozialhilfeempfängers einbezogen würden. Für diese Personen habe der kostenersatzpflichtige Sozialhilfeträger keinen Kostenersatz anerkannt und sie hätten auch nie die Kriterien der Ländervereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende - Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Gesetzes über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Ländern, LGBl. Nr. 30/1974 idF LGBl. Nr. 58/2005, gilt die als Anlage des Gesetzes abgedruckte Vereinbarung zwischen den Ländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe (im Folgenden: Ländervereinbarung), der die Länder Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark und Wien beigetreten sind, soweit sie sich auf das Land Tirol bezieht, als Gesetz.
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen der Ländervereinbarung relevant:
"Artikel 1
Allgemeines
Die Träger der Sozialhilfe eines Vertragslandes - im folgenden als Träger bezeichnet - sind verpflichtet, den Trägern eines anderen Vertragslandes die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.
Artikel 2
Kosten der Sozialhilfe
Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden
a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder
b) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 54/1946 erwachsen.
Artikel 3
Zuständigkeit
(1) Soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, ist jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.
(2) …
…
Artikel 5
Umfang der Kostenersatzpflicht
(1) Der zum Kostenersatz verpflichtete Träger hat, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, alle einem Träger im Sinne des Art. 2 erwachsenden Kosten zu ersetzen.
(2) Nicht zu ersetzen sind:
a) die Kosten für Leistungen, die im Rahmen der Privatrechtsverwaltung gewährt werden, sofern es sich nicht um Kosten im Sinne des Art. 2 lit. b handelt;
b) die Kosten für Aufwendungen im Einzelfall, die insgesamt die Höhe des Richtsatzes für Alleinunterstützte, der für den Ort der Hilfeleistung festgesetzt ist, nicht übersteigen;
c) die Kosten für Leistungen, die in den für den verpflichteten Träger geltenden Vorschriften in der Art nicht vorgesehen sind;
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d) | allgemeine Verwaltungskosten; |
e) | die Kosten, die sechs Monate vor der Anzeige nach Art. 6 entstanden sind; |
f) | die Kosten, die nicht innerhalb dreier Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Hilfeleistung erbracht wurde, anerkannt oder nach Art. 7 geltend gemacht wurden; |
g) | die Kosten, die der Träger, dem Kosten im Sinne des Art. 2 erwachsen, vom Hilfesuchenden oder einem Dritten ersetzt erhält. |
Artikel 6 | |
Anzeigepflicht | |
Der Träger, dem im Sinne des Art. 2 Kosten erwachsen, hat dem voraussichtlich zum Kostenersatz verpflichteten Träger die Hilfeleistung unverzüglich, längstens aber innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Hilfeleistung anzuzeigen und diesem hiebei alle für die Beurteilung der Kostenersatzpflicht maßgebenden Umstände mitzuteilen. Desgleichen ist jede Änderung dieser Umstände längstens innerhalb von sechs Monaten mitzuteilen. | |
Artikel 7 | |
Streitfälle, Verfahren | |
Über die Verpflichtung zum Kostenersatz hat im Streitfalle die Landesregierung, in deren Bereich der zum Kostenersatz angesprochene Träger liegt, im Verwaltungsweg zu entscheiden." | |
Die Beschwerde bringt gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen vor, ab spätestens hätten vier der fünf Kinder von Frau A. mit ihr an einer näher genannten Adresse in Salzburg in Familiengemeinschaft gelebt. Von 10. bis seien diese in der Grundversorgungsstelle Thalham (Oberösterreich) gewesen, ihr Aufenthalt davor bzw. dazwischen sei unbekannt. Frau A. habe am beim Magistrat Salzburg Sozialhilfe beantragt, die ihr in der Folge für Oktober 2008 als Alleinunterstützte und ab November 2008 als Hauptunterstützte mit ihren im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen (Mitunterstützte) gewährt worden sei. | |
Gemäß Art. 2 "Gesetz über den Kostenersatz" gehörten zu den Kosten der Sozialhilfe die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe erwachsen. Gemäß § 3 Z. 3 lit. b Salzburger Mindestsicherungsgesetz (Sbg. MSG) bildeten im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern oder einem Elternteil lebende unterhaltsberechtigte minderjährige oder noch in Ausbildung befindliche volljährige Kinder eine Bedarfsgemeinschaft. Gemäß § 20 Abs. 2 Sbg. MSG genüge für Bedarfsgemeinschaften die Einbringung eines gemeinsamen Antrages. Im gegenständlichen Fall bilde somit Frau A. gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft, für welche Frau A. einen Antrag auf Gewährung von Mindestsicherung für November 2008 gestellt habe. Die Stellung eines eigenständigen Antrages durch die Kinder wäre nicht möglich gewesen, vielmehr sei lediglich die Mutter für die Bedarfsgemeinschaft antragsberechtigt. Das Kostenanerkenntnis des Landes Tirol beziehe sich seinem Wortlaut nach zwar nur auf Frau A., es erstrecke sich aber automatisch auch auf die Kinder, da diese mit ihrer Mutter eine Bedarfsgemeinschaft bildeten und rechtlich nicht die Möglichkeit hätten, einen eigenen Antrag zu stellen. Unterhaltsberechtigte Minderjährige würden nach dem Sbg. MSG nie alleine betrachtet, ein eigenes Verfahren sei für sie nicht durchzuführen. Die für Frau A. erwachsenen Kosten hätten sich zwar um die Kosten für die minderjährigen Kinder erhöht, es handle sich jedoch um Mindestsicherungsleistungen für die Hilfesuchenden einer Bedarfsgemeinschaft, in der nur eine Person ein Verfahren in Gang setzen könne und daher keine getrennte Betrachtung möglich sei. | |
Diesem Beschwerdevorbringen ist nicht zu folgen. | |
Die Beschwerde behauptet nicht, dass die Kinder von Frau A. in den letzten sechs Monaten, bevor ihnen durch den Magistrat Salzburg Hilfe gewährt wurde, mindestens fünf Monate lang in Tirol wohnhaft gewesen seien. | |
Damit ergibt sich jedoch keine Kostenersatzpflicht des Landes Tirol für die Aufwendungen des Landes Salzburg für die minderjährigen Kinder von Frau A., stellt doch die Kostentragungsregel des Art. 3 der Ländervereinbarung nach ihrem klaren Wortlaut auf den Aufenthalt des (jeweiligen) Hilfesuchenden ab. Zum Kostenersatz ist demnach (nur) jener Träger verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten hat. Diese Voraussetzung liegt gegenständlich unbestritten nur für Frau A. selbst, nicht aber für ihre Kinder vor. | |
Wenn aber nun der Magistrat Salzburg (dem Beschwerdevorbringen zufolge) nach dem (damals maßgeblichen) Salzburger Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 19/1975 idF LGBl. Nr. 74/2008, im Oktober 2008 Sozialhilfe für Frau A. als Alleinunterstützte und ab November 2008 Sozialhilfe für Frau A. als Hauptunterstützte und ihre vier minderjährigen Kinder als Mitunterstützte geleistet hat, waren die Kinder Hilfesuchende im Sinn der Ländervereinbarung, welche die Voraussetzung des vorherigen Aufenthaltes in Tirol nicht erfüllten. | |
Daran ändert auch nichts, dass nach § 20 Abs. 2 des - nunmehr maßgeblichen - Salzburger Mindestsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 63/2010 (Sbg. MSG), für Bedarfsgemeinschaften (§ 3 Z. 3 leg. cit.) die Einbringung eines gemeinsamen Antrages genügt. Zum einen blieb nämlich der Inhalt der in Tirol als Gesetz geltenden Ländervereinbarung unverändert (vgl. zum Umstand, dass eine Verletzung von Rechten eines Sozialhilfeträgers nur insoweit in Betracht kommt, als diesem aus den einschlägigen Regelungen der Landesrechtsordnung jenes Landes, von dem der Ersatz begehrt wird, Rechte zukommen, etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/10/0162, und vom , Zl. 2007/10/0307), zum anderen sieht letztlich aber auch § 10 Sbg. MSG Leistungen für (insofern jeweils für sich zu betrachtende) einzelne hilfesuchende Personen vor. | |
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. | |
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
YAAAE-87783