VwGH vom 09.09.2010, 2006/20/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofrätin Dr. Pollak, den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 268.208/0-XIII/66/06, betreffend Behebung einer Ausweisung gemäß § 10 Asylgesetz 2005 (mitbeteiligte Partei: O (auch O) C (auch C, T), zu Recht erkannt:
Spruch
Der hinsichtlich Spruchpunkt II. ("Stattgebung" der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides) angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte, eine mongolische Staatsangehörige, reiste am in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag erstmals Asyl. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde dieser Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten in die Mongolei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und sie gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet dorthin ausgewiesen.
Am stellte die Mitbeteiligte - ohne zwischenzeitig das Bundesgebiet verlassen zu haben - einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und die Mitbeteiligte gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) wiederum aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Mongolei aus (Spruchpunkt II.).
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Mitbeteiligten betreffend Spruchteil I. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 75 Abs. 4 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) und "gab" ihrer Berufung gegen Spruchteil II. des erstinstanzlichen Bescheides "statt" (Spruchpunkt II.).
Begründend führte die belangte Behörde zur Unzulässigkeit der Ausweisung im Wesentlichen aus, prinzipiell sei die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden. Jedoch stehe bei unverändertem Sachverhalt die Rechtskraft der ersten Ausweisungsentscheidung einer Verbindung der zurückweisenden Entscheidung mit einer neuerlichen Ausweisung entgegen ("res iudicata"). Soweit dem Asylwerber zwischen dem "Erstverfahren" und der Zurückweisung wegen entschiedener Sache kein (relevantes) Aufenthaltsrecht zukomme, sei eine wegen entschiedener Sache zurückweisende Entscheidung nur dann mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn im "Erstverfahren" keine Ausweisung ausgesprochen worden sei, weil hiezu noch keine gesetzliche Ermächtigung bestanden habe, oder sich der Sachverhalt im Hinblick auf § 10 Abs. 2 AsylG 2005 entscheidungsrelevant geändert habe oder der Asylwerber das Bundesgebiet "Richtung Zielstaat" verlassen und somit die Ausweisungsentscheidung im "Erstverfahren" konsumiert habe. Zu unterbleiben habe eine asylrechtliche Ausweisung auch dann, wenn diese - obwohl rechtlich möglich - im "Erstverfahren" unterblieben sei und es (seither) zu keiner entscheidungsrelevanten Änderung des Sachverhalts gekommen sei. Im vorliegenden Fall sei im "Erstverfahren" eine Ausweisung ausgesprochen worden, der entscheidungsrelevante Sachverhalt habe sich nicht geändert und die Mitbeteiligte habe das Bundesgebiet auch nicht "Richtung Zielstaat" verlassen. Daher sei die neuerliche Ausweisung im Hinblick auf die Rechtskraft der Ausweisungsentscheidung im Bescheid des Bundesasylamtes vom unzulässig und zu beheben.
Nur gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Amtsbeschwerde releviert zusammengefasst, dass aus einer systematischen Interpretation des AsylG 2005 die Zurückweisungsentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG - abgesehen von den "Ausnahmen" nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 - mit einer Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AVG zu verbinden sei, die von der belangten Behörde vorgenommene Differenzierung § 10 AsylG 2005 nicht entnommen werden könne und dem Rechtsschutz Vorrang vor dem Grundsatz der "res iudicata" zukomme.
Damit ist die Amtsbeschwerde im Ergebnis im Recht.
Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, dass die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG unter den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 fällt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/0466).
Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde ist es für eine neuerliche Ausweisung nicht erforderlich, dass sich der Sachverhalt seit der im ersten Asylverfahren getroffenen Ausweisungsentscheidung im Hinblick auf § 10 Abs. 2 AsylG 2005 entscheidungsrelevant geändert hat. Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0344 (Punkt 5.3. der Erwägungen; diesem folgend das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/19/0330 bis 0332), auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, wurde erkannt, dass jede Zurückweisung eines Folgeantrages nach § 68 Abs. 1 AVG mit einer Ausweisung zu verbinden ist, und zwar selbst dann, wenn sich der Sachverhalt insoweit nicht relevant geändert hat.
Nichts anderes gilt auch für den gegenständlichen Fall, dass die Mitbeteiligte das Bundesgebiet zwischenzeitig nicht ("Richtung Zielstaat") verlassen hat.
Da auch keine Ausweisungshindernisse vorlagen, wäre somit die Zurückweisung des neuen Antrages auf internationalen Schutz jedenfalls mit einer Ausweisung zu verbinden gewesen.
Aus diesem Grund war Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-87781