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VwGH vom 14.11.2013, 2013/21/0070

VwGH vom 14.11.2013, 2013/21/0070

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der Landespolizeidirektion Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-730696/2/SR/ER/WU, betreffend Behebung eines Bescheides wegen Unzuständigkeit in Angelegenheit der Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes (mitbeteiligte Partei: D; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Guineas, reiste am illegal nach Österreich ein. Er wurde am selben Tag in Wien festgenommen. Mit Bescheid vom verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über ihn gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung. Die in Wien vollzogene Haft dauerte bis zum an.

Mit weiterem Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion Wien den Mitbeteiligten gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Am beantragte der Mitbeteiligte die Gewährung von internationalem Schutz. Eine Erledigung dieses Antrages ist nicht aktenkundig.

Mit Bescheid vom verhängte die Landespolizeidirektion Oberösterreich über den Mitbeteiligten gemäß § 54 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein auf sieben Jahre befristetes Rückkehrverbot. Dies begründete sie damit, dass er zwischen November 2011 und dem vornehmlich im Raum Linz verschiedene Verbrechen und Vergehen nach dem SMG begangen habe und deshalb mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom zu einer 18-monatigen (in Vollzug befindlichen) Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom behob die belangte Behörde diesen Bescheid über Berufung des Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG wegen Unzuständigkeit der Landespolizeidirektion Oberösterreich ersatzlos.

Begründend führte sie nach Wiedergabe des unstrittigen Sachverhalts aus, der Mitbeteiligte befinde sich seit dem in Haft. Seit habe er in der Justizanstalt Linz "einen Nebenwohnsitz gemeldet". Seit habe er keinen Hauptwohnsitz. Ein zwangsweise begründeter Aufenthalt wie der eines Untersuchungs- oder Strafhäftlings sei allerdings nicht als Wohnsitz und umso weniger als Hauptwohnsitz zu werten. In Ermangelung eines Wohnsitzes richte sich die örtliche Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 2 FPG nach dem Aufenthalt des Fremden zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach dem FPG. Dieses habe im vorliegenden Fall zweifelsfrei in Wien stattgefunden, wo der Mitbeteiligte auf Grund seiner illegalen Einreise festgenommen und wo über ihn mit den erwähnten Bescheiden vom die Schubhaft verhängt und letztlich eine Ausweisung erlassen worden sei. Die Landespolizeidirektion Wien wäre daher "gemäß § 6 Abs. 1 FPG" auch für die Erlassung eines Rückkehrverbotes gegen den Mitbeteiligten zuständig gewesen. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich habe demnach eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zugekommen sei, sodass der von ihr erlassene Bescheid aufgehoben werden müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Amtsbeschwerde der Landespolizeidirektion Oberösterreich nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

§ 6 FPG lautet (auszugsweise) mit Überschrift:

"Örtliche Zuständigkeit im Inland

§ 6. (1) Die örtliche Zuständigkeit im Inland richtet sich nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetzes 1991 - MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, in Ermangelung eines solchen nach einem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet. Bei Vorliegen mehrerer sonstiger Wohnsitze ist jener maßgeblich, welcher zuletzt begründet wurde.

(2) Hat der Fremde keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, richtet sich die Zuständigkeit nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz.

(3) …"

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist es unbestritten, dass der Mitbeteiligte keinen Wohnsitz im Bundesgebiet hatte, sodass sich die Zuständigkeit gemäß § 6 Abs. 2 FPG nach seinem Aufenthalt "zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens nach diesem Bundesgesetz" richtete.

Die Amtsbeschwerde vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass sich das erste behördliche Einschreiten auf ein bestimmtes Verfahren (fallbezogen also auf das nunmehr gegenständliche Verfahren zur Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes) beziehen müsse, während nach Ansicht der belangten Behörde ganz allgemein das erstmalige Einschreiten nach dem FPG (fallbezogen also die Festnahme und die Verhängung der Schubhaft sowie die Erlassung einer Ausweisung unmittelbar nach der Einreise des Mitbeteiligten) maßgeblich sei.

Die Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP 77) führt zum § 6 FPG (auszugsweise) Folgendes aus:

"Die für die örtliche Zuständigkeit im Inland getroffene Regelung entspricht weitgehend der bisherigen Rechtslage. Die Differenzierung im Abs. 1 in Bezug auf die Wohnsitzqualität folgt praktischen Erfahrungen und ist ausschließlich an Opportunitätserwägungen orientiert. …"

Die angesprochene bisherige Rechtslage sah in § 91 Abs. 1 FrG 1997 sowie in § 67 Abs. 1 des FrG aus 1992 vor, die örtliche Zuständigkeit (zur Vornahme von Amtshandlungen nach dem FrG im Inland) richte sich, sofern nicht anderes bestimmt sei, nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland, falls kein solcher bestehe, nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zu § 67 Abs. 1 des FrG aus 1992 auf den Beginn des jeweiligen behördlichen Verfahrens abgestellt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/18/0114, vom , Zl. 96/18/0096, und vom , Zl. 97/21/0134). Von dieser Rechtsprechung wurde auch im Anwendungsbereich des § 91 Abs. 1 FrG 1997 nicht abgegangen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/18/0230, VwSlg. 16.507 A).

Vor dem Hintergrund der oben zitierten Erläuterungen zum FPG ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der in § 6 Abs. 2 neu eingefügten Wortfolge "nach diesem Bundesgesetz" den Bedeutungsgehalt der Vorgängerbestimmung, wie er in der dargestellten Judikatur Niederschlag gefunden hat, nicht substantiell verändern wollte. Ziel des Gesetzgebers war es offenkundig nur, bei der - nach wie vor lediglich verfahrensbezogen - vorzunehmenden Beurteilung (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0168) der örtlichen Zuständigkeit nicht schon an noch im zeitlichen Geltungsbereich des FrG 1997 gesetzten Verfahrenshandlungen anzuknüpfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0238).

Die Amtsbeschwerde weist somit zutreffend darauf hin, dass sich das erste behördliche Einschreiten stets auf ein bestimmtes Verfahren beziehen müsse, das fallbezogen mit der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines Rückkehrverbotes neu begonnen hat. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich hat somit die Zuständigkeit zur Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes zu Recht in Anspruch genommen.

Da die belangte Behörde dies unzutreffend beurteilt hat, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am