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VwGH vom 19.11.2010, 2006/19/1280

VwGH vom 19.11.2010, 2006/19/1280

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Francine Brogyanyi, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 221.853/24-VI/17/06, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit die Berufung gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien, reiste am in das Bundesgebiet ein und stellte am unter dem Namen A. M. einen (ersten) Asylantrag. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien fest. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zl. 2002/20/0294, ab.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer, diesmal unter dem Namen A. S., neuerlich Asyl. Im Verfahren gab er an, mit seiner Lebensgefährtin, einer georgischen Staatsangehörigen, welche in Österreich ebenfalls zum zweiten Mal um Asyl angesucht habe, und den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern in einem Haushalt zu leben.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde dieser Asylantrag gemäß § 7 AsylG "idgF" abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien zulässig sei (Spruchpunkt II.) und er gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien" ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Begründend stellte das Bundesasylamt zur Ausweisung fest, dass die Lebensgefährtin, der Sohn und die Tochter des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wohnten und führte - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR - allgemein aus, dass der Begriff des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht auf durch Heirat begründete Familien beschränkt sei, sondern auch andere De-facto Beziehungen einschließe. Sodann begründete es die Ausweisungsentscheidung konkret damit, dass die Asylanträge der Lebensgefährtin und der Tochter des Beschwerdeführers zurück- bzw. abgewiesen worden seien und dessen Sohn Asylwerber sei, weshalb diesen kein dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich zukomme. Die Ausweisung des Beschwerdeführers stelle daher mangels Familienbezuges zu einem in Österreich dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden keinen Eingriff in Art 8 EMRK dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung des "gemäß §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 AsylG" abgewiesen. Die belangte Behörde verwies zur Begründung (auch der Ausweisungsentscheidung) auf die Ausführungen und die "schlüssige Beweiswürdigung" des Bundesasylamtes, schloss sich diesen an und erhob sie zum Inhalt des angefochtenen Bescheides.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der insbesondere vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin mit den beiden gemeinsamen Kindern in Österreich leben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zu I.

1. Infolge der von der belangten Behörde gewählten "Verweistechnik" liegt dem angefochtenen Bescheid die Feststellung zugrunde, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sowie deren gemeinsame Kinder im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Bundesgebiet wohnten.

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass im Asylverfahren der Lebensgefährtin bzw. im Asylerstreckungsverfahren der Tochter des Beschwerdeführers keine asylrechtliche Ausweisung ausgesprochen wurde (der Sohn des Beschwerdeführers wurde mit dem sein Asylverfahren abschließenden Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 8 Abs. 2 AsylG nach Georgien ausgewiesen; die dagegen erhobene Beschwerde ist zu hg. Zl. 2008/23/1066 anhängig).

2. Bei der mit dem angefochtenen Bescheid verfügten Ausweisung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde zunächst verkannt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, der es möglich erscheinen lässt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der asylrechtlichen Ausweisung das Bundesgebiet ohne seine minderjährige Tochter zu verlassen hat, ein Eingriff in das durch Art 8 EMRK geschützte Familienleben des Beschwerdeführers mit seiner Tochter vorliegt, welcher einer Rechtfertigung bedürfte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/19/0393, 0394, mwN). Eine derartige Rechtfertigung enthält der angefochtene Bescheid nicht.

3. Die belangte Behörde nimmt - durch Verweis auf die Begründung des Bescheides des Bundesasylamtes - weiters zutreffend an, dass auch Beziehungen unverheirateter Paare unter bestimmten Voraussetzungen dem Begriff des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK unterfallen können (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/01/0354 und vom , Zl. 2008/01/0551 sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G78/00, jeweils mit Hinweisen auf die Judikatur des EGMR). Davon ausgehend bedürfte die Ausweisung des Beschwerdeführers auch diesbezüglich einer Rechtfertigung, die der angefochtene Bescheid jedoch nicht enthält. Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang - durch Verweis auf den erstinstanzlichen Bescheid - herangezogene Argumentation, dass der Beschwerdeführer keinen Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich habe und die Ausweisung deshalb keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle, entspricht nicht dem Gesetz (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2008/19/0393).

4. Der angefochtene Bescheid ist insofern mit Begründungsmängeln behaftet und war im Umfang der Ausweisungsentscheidung aus den unter Pkt. 3 genannten Gründen wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Der gesonderte Zuspruch von Umsatzsteuer findet in diesen Bestimmungen keine Deckung, weshalb das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen war.

Zu II.:

Gemäß Art 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Abweisung der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung zum Asyl- und Refoulementteil (Spruchpunkte I. und II.) bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerde sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang abzulehnen.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-87765