VwGH vom 22.01.2014, 2013/21/0043
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des R N in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark vom , Zl. E1/1007571/2010, betreffend Versagung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein armenischer Staatsangehöriger, hält sich nach seinen eigenen Angaben seit Juli 1999 in Österreich auf und verfügt über einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte Plus".
Am beantragte er die Ausstellung eines Fremdenpasses. Den Antrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er seit 2001 beim Boxclub H. "als aktiver Sportler gemeldet" sei und für den Boxclub bereits 60 Boxkämpfe bestritten habe. Er sei österreichischer Jugendmeister 2002 und 2004 und österreichischer Juniorenmeister 2006. Ein Sponsorenvertrag stehe vor dem Abschluss. Um seine sportliche Laufbahn fortzusetzen, müsse er aber jedenfalls auch Kämpfe im Ausland absolvieren. Dies sei ihm jedoch auf Grund dessen, dass er nicht im Besitz eines nationalen Reisedokuments sei, verwehrt.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom verwies der Beschwerdeführer weiters darauf, dass er seit geraumer Zeit selbständig erwerbstätig sei und ein Pizzarestaurant samt Zustellservice führe. Zum jetzigen Zeitpunkt könne er aber die italienischen Lebensmittel nicht in Italien beziehen, was kostengünstiger und auch im Hinblick auf die Qualität vorteilhaft wäre. In seinem Heimatland habe er den Militärdienst nicht abgeleistet, sodass ihm kein nationales Reisedokument ausgestellt werde. In einer weiteren Stellungnahme vom erklärte der Beschwerdeführer, dass seine im Ausland aufhältige Großmutter schwer erkrankt sei und er beabsichtige, sie zu besuchen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage im Wesentlichen aus, dass die Gründe für die geplanten Auslandsreisen keinesfalls ausreichend seien, um ein öffentliches Interesse der Republik Österreich im Sinn des § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG im Hinblick auf die Ausstellung eines Fremdenpasses darstellen zu können. Der beabsichtigte Einkauf günstigerer Nahrungsmittel in Italien für den Pizzeriabetrieb liege ausschließlich im privaten Interesse des Beschwerdeführers; außerdem könne er diese Einkäufe auch durch Vertreter oder "über die elektronischen Netzwerke" vornehmen. Auch auf Grund der bisher erbrachten Leistungen für einen regionalen Boxsportverein könne keinesfalls erkannt werden, dass in diesem Zusammenhang die Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik Österreich gelegen sei. Schließlich könne die Erkrankung der Großmutter des Beschwerdeführers nicht die Ausstellung eines Fremdenpasses aus humanitären Gründen begründen, zumal der Beschwerdeführer weder den Status eines subsidiär Schutzberechtigten habe noch staatenlos oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit sei und daher die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 FPG nicht erfülle.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung (im Jänner 2013) zu überprüfen hat.
§ 88 Abs. 1 und 2 FPG (in der Fassung des FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122) hat (unter der Überschrift "Ausstellung von Fremdenpässen") folgenden Wortlaut:
"§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für
1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;
2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt - EG' (§ 45 NAG) oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" (§ 48 NAG) gegeben sind;
4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder
5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.
(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für
1. Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten oder
2. Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten."
Wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung der im § 88 Abs. 1 FPG umschriebenen Tatbestände ist, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist. Für die Ausstellung eines Fremdenpasses kommt es somit nicht bloß darauf an, dass diese im Interesse des Fremden gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen, wobei ein restriktiver Maßstab anzulegen ist (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/18/0279, und vom , Zl. 2009/21/0288, jeweils mwN).
Der belangten Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie ein über die privaten Interessen des Beschwerdeführers hinausgehendes Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses weder im Hinblick auf Einkaufsreisen für seinen Gastronomiebetrieb noch im Hinblick auf die allfällige - nicht näher konkretisierte - Teilnahme an internationalen Boxwettkämpfen bejaht hat. Auch in der Verbesserung der "Reputation der Republik Österreich" betreffend das Fremdenwesen durch die Ermöglichung von Auslandsreisen ist kein Interesse der Republik im Sinn des § 88 Abs. 1 FPG zu sehen.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, vor ihrer Entscheidung eine Stellungnahme des zuständigen Bundesministers oder der Landesregierung einzuholen, ob die Ausstellung des Fremdenpasses im Sinn des § 88 Abs. 1 Z 5 FPG wegen der vom Beschwerdeführer erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt. Vielmehr war sie berechtigt, zunächst eigenständig zu beurteilen, ob die für alle Tatbestände des § 88 Abs. 1 FPG geltende Eingangsvoraussetzung - ein Interesse der Republik im Sinn des Einleitungssatzes des § 88 Abs. 1 FPG - vorliegt, und den Antrag schon wegen des Fehlens dieser Voraussetzung abzuweisen.
Was die Erkrankung der Großmutter des Beschwerdeführers betrifft, so könnte darin allenfalls - unter der Voraussetzung eines intensiven Naheverhältnisses - ein humanitärer Grund für die Ausstellung eines Fremdenpasses nach § 88 Abs. 2 Z 2 FPG zu sehen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0206, mwN). Diese Bestimmung ist im Beschwerdefall jedoch nicht anzuwenden, weil dem Beschwerdeführer unstrittig nicht der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt.
Dass aber in einem anderen, vom Beschwerdeführer geschilderten Fall ein Fremdenpass ausgestellt wurde, würde die Versagung des Fremdenpasses im Beschwerdefall selbst dann nicht rechtswidrig machen, wenn beide Fälle tatsächlich gleichgelagert wären (was die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid allerdings in Abrede gestellt hat). Eine allfällige rechtswidrige Anwendung des Gesetzes bei der Erlassung von Verwaltungsakten gegenüber anderen Betroffenen gibt nämlich niemandem ein Recht auf diesbezügliche Gleichbehandlung (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0117, mwN).
Anders als der Beschwerdeführer meint, hat sich die belangte Behörde insgesamt ausreichend mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt; auch sonst sind ihr keine wesentlichen Begründungsmängel vorzuwerfen. Inwieweit die im Verwaltungsverfahren beantragte Einvernahme des Beschwerdeführers zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, legt die Beschwerde nicht konkret dar, sodass es an der Relevanz des insoweit behaupteten Verfahrensmangels fehlt.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Ein Aufwandersatz war mangels Antragstellung durch die belangte Behörde nicht zuzusprechen (vgl. § 59 Abs. 1 VwGG).
Wien, am