VwGH vom 19.03.2013, 2013/21/0034
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des R B in G, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA7C-2-9.B/6002-2009, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsangehöriger, brachte mit Schriftsatz vom - anwaltlich vertreten - den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein. Er führte aus, dass er die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG (idF vor dem FrÄG 2011) erfülle; insbesondere würde eine Verpflichtung zur Ausreise Art. 8 EMRK widersprechen. Sollte die Behörde jedoch der Ansicht sein, dass die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 NAG nicht vorlägen, so seien zumindest jene des § 44 Abs. 4 NAG erfüllt. Er beantragte daher, ihm eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 NAG, in eventu eine "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß "§ 44 Abs. 3 NAG" (nach der Antragsbegründung offenbar gemeint: § 44 Abs. 4 NAG) zu erteilen.
Die belangte Behörde - der Landeshauptmann von Steiermark - erteilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom einen Verbesserungsauftrag, in dem sie ihn insbesondere zur persönlichen Antragstellung gemäß § 19 Abs. 1 NAG aufforderte.
Der Beschwerdeführer sprach daraufhin am bei der belangten Behörde vor. In den Verwaltungsakten liegt ein aus diesem Anlass ausgefülltes Formular betreffend "Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - beschränkt", in dem das Feld "gemäß § 44 Abs. 4 NAG" angekreuzt ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag gemäß § 44 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 NAG ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug am abgewiesen worden sei. Nachdem einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zunächst die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, sei "die Beschwerde schließlich am ebenfalls einer negativen Entscheidung zugeführt" worden. Der aufgrund des Asylverfahrens rechtmäßige Aufenthalt sei "spätestens mit diesem Datum beendet" gewesen. Danach sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet verblieben und vom bis zum durch die Grundversorgung für Asylwerber versorgt worden.
Am (Datum des Eingangsstempels auf dem Formular) habe der Beschwerdeführer beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung einen "Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für beschränkt gemäß § 44 Abs. 4 NAG" eingebracht. Dieser sei mit (der davor eingebrachten) Eingabe vom des Rechtsvertreters dahingehend begründet worden, dass "grundsätzlich die Voraussetzungen gemäß Art. 8 EMRK gegeben wären, dem Antragsteller eine Bewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG zu erteilen. Ebenso würden die Voraussetzungen gemäß § 44 Abs. 4 NAG vorliegen, da aufgrund der Integration des Antragstellers und der vorgelegten Arbeitszusagen bzw. Einstellungszusagen jedenfalls von einer Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden" müsse. Der Beschwerdeführer wäre gelernter Maschinenbautechniker und könnte in Österreich jederzeit einer Arbeit nachgehen.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, die von der belangten Behörde gemäß § 44b Abs. 2 NAG um Stellungnahme ersucht worden sei, so die belangte Behörde weiter, habe am ausgeführt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig wären, "zumal auf der Grundlage des § 66 FPG bzw. Art. 8 EMRK" keine derartige Integration vorläge, dass eine Ausweisung auf Dauer unzulässig wäre. Das Verhalten des Beschwerdeführers - seine illegale Einreise und sein unrechtmäßiger Aufenthalt trotz negativem Abschluss des Asylverfahrens - stelle eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen dar; die für eine Ausweisung des Beschwerdeführers sprechenden Kriterien überwögen zweifellos.
Diese Stellungnahme sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm mitgeteilt worden, dass für die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG eine entsprechende berufliche Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit nachzuweisen wären. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer einen Nachweis "über das Modul A2" - abgelegt am - und eine neuerliche Einstellungszusage vom für eine Tätigkeit als Bauarbeiter mit einem Nettogehalt von EUR 1.200,-- vorgelegt.
Der Beschwerdeführer habe durch seinen Rechtsvertreter mit der ursprünglichen Eingabe "Anträge gemäß § 43 Abs. 2 NAG bzw. § 44 Abs. 4 NAG begründet", die "im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und nach Einholung der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion" schließlich als Antrag gemäß § 44 Abs. 4 NAG gewertet worden seien; "auf dieser Grundlage (sei) auch das Parteiengehör im Mai 2010 abgewickelt" worden.
Die gemäß § 44 Abs. 4 NAG geforderten Aufenthaltszeiten seien gegeben. Die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung erachtete die belangte Behörde jedoch nicht als erfüllt, weil keine entsprechende wirtschaftliche Integration im Hinblick auf eine Selbsterhaltungsfähigkeit und ausreichende Beschäftigung des Beschwerdeführers attestiert werden könne. Zwar sei der Beschwerdeführer nunmehr acht Jahre in Österreich aufhältig, wenn auch zu einem großen Teil auf rechtswidriger Basis; er sei aber auch in der Zeit nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens während seines über dreijährigen rechtswidrigen Aufenthaltes "von der Grundversorgung für Asylwerber versorgt" worden und am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert. Auch wenn ihm ein Arbeitswille nicht abgesprochen und auch nicht davon ausgegangen werde, dass der Beschwerdeführer künftig von Sozialleistungen zu leben beabsichtige, könne die bloße Vorlage von Einstellungszusagen als Bauarbeiter "ohne Abklärung des Zuganges zum Arbeitsmarkt" keine nachhaltige Integration und besondere Berücksichtigungswürdigkeit darstellen, sodass die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG geboten erscheine. Auch die Fremdenpolizeibehörden seien in der Stellungnahme zum Schluss gekommen, dass wegen der fehlenden wirtschaftlichen Integration in Österreich die Ausweisung des Beschwerdeführers zulässig sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach dem NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.
Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer (lediglich) einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG gestellt habe. Vielmehr habe er (primär) einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 NAG und (nur) in eventu auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eingebracht. Da die belangte Behörde es unterlassen habe, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Antrag gemäß § 43 Abs. 2 NAG zu prüfen und diesbezüglich Feststellungen zu treffen, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig.
Damit ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht:
Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom eindeutig einen Hauptantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt und nur in eventu - für den Fall, dass die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 NAG nicht als gegeben ansehen sollte - die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG beantragt. Dem Stellen eines Eventualantrages gleichzeitig mit einem Hauptantrag steht auch § 19 Abs. 2 NAG - wonach Anträge, aus denen sich verschiedene Aufenthaltszwecke ergeben, das gleichzeitige Stellen mehrerer Anträge und das Stellen weiterer Anträge während eines anhängigen Verfahrens nicht zulässig sind - nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0168).
Schon im Hinblick auf die strenge Antragsbindung gemäß § 19 Abs. 1 NAG ist die amtswegige Umdeutung eines Antrages durch die Behörde - ungeachtet der Frage, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für den von ihm begehrten Aufenthaltstitel erfüllt oder nicht - grundsätzlich nicht zulässig (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0819, mwN). Dass der Beschwerdeführer aber seinen ursprünglichen Antrag geändert hätte, hat die belangte Behörde nicht festgestellt; sie ist vielmehr ausdrücklich von der eingangs dargestellten ursprünglichen Eingabe ausgegangen, die sie sodann als Antrag gemäß § 44 Abs. 4 NAG "gewertet" hat. Auch in der Gegenschrift behauptet die belangte Behörde keine Antragsänderung, sondern weist darauf hin, dass im Zuge der persönlichen Antragstellung am vom Beschwerdeführer "explizit (…) ein Antrag gemäß § 44 Abs. 4 NAG bzw. § 43 Abs. 2 NAG" eingebracht worden sei.
Lag aber ein Hauptantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 NAG vor, so war die belangte Behörde nicht berechtigt, vor dem Eintritt des Eventualfalls - der Nichtstattgebung des Hauptantrags - den Eventualantrag zu erledigen. Eine dennoch erfolgte Erledigung ist mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0561).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Auswandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am