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VwGH vom 29.02.2012, 2011/10/0069

VwGH vom 29.02.2012, 2011/10/0069

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Landesregierung gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-590287/2/Gf/Mu, betreffend Kostenersatz für eine Leistung nach dem OÖ Chancengleichheitsgesetz (mitbeteiligte Partei: IH in L, vertreten durch Landl Edelmann Ganzert Rechtsanwaltspartnerschaft (OG) in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 36), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden die Mitbeteiligte gemäß § 40 Abs. 1 Z. 2 des Oberösterreichischen Chancengleichheitsgesetzes, LGBl. Nr. 41/2008 (Oö. ChG), verpflichtet, einen Betrag von EUR 17.295,11 als Kostenersatz für die gewährte Hilfe durch Beschäftigung mit interner Unterbringung zu leisten.

Zur Begründung führte die Bezirkshauptmannschaft Gmunden im Wesentlichen aus, dass der Mitbeteiligten mit Bescheid vom rückwirkend ab Dezember 2007 Hilfe zur Beschäftigung in einer bestimmt bezeichneten Tagesheimstätte mit interner Unterbringung gewährt worden sei. Ab dem Inkrafttreten des Oö. ChG mit sei diese Leistung als Hauptleistung gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. anzusehen. Seit seien ungedeckte Kosten in der Höhe von EUR 52.858,44 aufgelaufen. Im Zeitpunkt der Leistungsgewährung sei der Behörde der Vermögensstand der Mitbeteiligten per in der Höhe von EUR 41.203,34 bekannt gewesen. Nunmehr verfüge die Mitbeteiligte per über ein Vermögen von EUR 58.498,45. Die Differenz von EUR 17.295,11 sei daher als nachträglich bekannt gewordenes Vermögen gemäß § 40 Abs. 1 Z. 2 Oö. ChG für den Kostenersatz heranzuziehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der Berufung der Mitbeteiligten stattgegeben, den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Feststellungen der Behörde erster Instanz über das Vermögen der Mitbeteiligten und den ungedeckten Aufwand unstrittig seien. Der gegenständlich geltend gemachte ungedeckte Aufwand sei im Zeitraum vom bis Ende September 2009 entstanden. Es sei die Frage zu prüfen, ob zur Deckung dieses Aufwandes der gesamte im Zeitraum vom bis entstandene Vermögenszuwachs als nachträglich hervorgekommenes Vermögen heranzuziehen sei. § 40 Abs. 1 Z. 2 Oö. ChG stelle auf den Zeitpunkt der Leistung ab. Erstrecke sich dieser über einen längeren Zeitraum, so sei zunächst in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob das Vermögen zu Beginn und zum Ende der Leistung überhaupt jeweils "hinreichend" im Sinn von § 20 Abs. 2 Z. 1 Oö. ChG gewesen sei. Hierauf sei in einem zweiten Schritt "der Anteil des zwischen diesen beiden Zeitpunkten liegenden, erst nachträglich bekannt gewordenen Vermögens zu separieren". Dies bedeute, dass im gegenständlichen Fall zuerst der Vermögensstand der Mitbeteiligten am und sodann jener per Ende September 2009 festzustellen gewesen wäre. Darüber hinaus sei festzustellen, ob und inwieweit darin jeweils ein Anteil eines erst nachträglich bekannt gewordenen Vermögens enthalten sei. Nur dieser Anteil hätte vorgeschrieben werden dürfen.

Dem von der Behörde erster Instanz vorgelegten Akt ließen sich zu den demnach entscheidungsrelevanten Fragen und Zeitpunkten keinerlei Hinweise entnehmen. Da es der belangten Behörde als einer "außerhalb des Instanzenzuges der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung stehenden Rechtsschutzinstitution" verwehrt sei, die Behörde erster Instanz mit den entsprechenden ergänzenden Ermittlungen zu beauftragen, sei bei einer derartigen Sachlage nur mehr die Möglichkeit geblieben, den Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 40 Abs. 1 Oö. ChG ist die Empfängerin oder der Empfänger von Hauptleistungen nach § 8 Abs. 1 (eine solche Leistung wird der Mitbeteiligten unstrittig laufend gewährt) zum Ersatz der für sie oder ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn (Z. 1) sie oder er zu hinreichendem Einkommen oder verwertbarem Vermögen im Sinn des § 20 Abs. 2 Z. 1 gelangt oder (Z. 2) nachträglich bekannt wird, dass sie oder er zur Zeit der Leistung hinreichendes Einkommen oder verwertbares Vermögen im Sinn des § 20 Abs. 2 Z. 1 hatte.

Die belangte Behörde vertrat im Ergebnis die Auffassung, dass der Leistungsempfänger für die rückständigen Kosten der in einer bestimmten Periode bezogenen Leistung nur aus dem (nachträglich bekanntgewordenen) Vermögenszuwachs dieser Periode Ersatz zu leisten hat.

Nach § 40 Abs. 1 Oö. ChG hat der Leistungsempfänger Ersatz zu leisten, wenn er zu hinreichendem Einkommen gelangt (Z. 1) oder nachträglich bekannt wird, dass er bereits "zur Zeit der Leistung" hinreichendes Einkommen oder verwertbares Vermögen hatte. Mit einer derartigen Vorschrift wird bewirkt, dass die Behörde, der das Einkommen oder Vermögen bereits bei Hilfegewährung bekannt war, die aber eine entsprechende Berücksichtigung unterlassen hat, dieses Versäumnis nicht im Wege einer Kostenersatzvorschreibung nachholen kann (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 520 f, und die dort zitierte hg. Judikatur). Daraus ist ersichtlich, dass unter dem Begriff "zur Zeit der Leistung" in § 40 Abs. 1 Z. 2 Oö. ChG der Zeitpunkt des (in der Regel durch Erlassung eines Bescheides zum Ausdruck kommenden) behördlichen Entschlusses auf Zuerkennung der Leistung zu verstehen ist, kann doch der Träger der Behindertenhilfe bei der Zuerkennung einer Leistung nur solches Einkommen bzw. Vermögen berücksichtigen, das in diesem Zeitpunkt bekannt ist. Danach ist (sowohl während des laufenden Bezuges der Leistung als auch nach deren Einstellung) bekannt gewordenes Vermögen ebenso wie nach diesem Zeitpunkt erlangtes Vermögen zum Kostenersatz heranzuziehen. Dabei ist unerheblich, aus welchen Quellen das Vermögen stammt (vgl. etwa das zum Oberösterreichischen Sozialhilfegesetz ergangene, aber auch hier maßgebliche Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0060). Somit ist auch unerheblich, in welchem Zeitraum das Vermögen erworben worden ist.

Im vorliegenden Fall war der Behörde nach den von der Mitbeteiligten in der Berufung - und in der Gegenschrift im vorliegenden Verfahren - nicht bestrittenen Feststellungen der Behörde erster Instanz im Zeitpunkt der Leistungsgewährung ein Vermögen der Mitbeteiligten in der Höhe von EUR 41.203,34 bekannt. Das nunmehr unstrittig vorhandene weitere Vermögen von EUR 17.295,11 ist daher als nachträglich bekannt gewordenes Vermögen gemäß § 40 Abs. 1 Z. 2 Oö. ChG bzw. als nachträglich erworbenes Vermögen gemäß § 40 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. zum Ersatz heranzuziehen.

Der Umstand, dass die Behörde erster Instanz die Verpflichtung der Mitbeteiligten zum Rückersatz nur auf § 40 Abs. 1 Z. 2 Oö. ChG gestützt hat, steht einer Heranziehung auch von § 40 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. als Rechtsgrundlage im Rahmen der "Sache" des Berufungsverfahrens (Verpflichtung der Mitbeteiligten zum Kostenersatz für die gewährte Leistung aus ihrem Vermögen) gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht entgegen.

Nach dem Gesagten ist es weder erforderlich, den Vermögensstand am Beginn der Periode, in der der Rückstand aufgelaufen ist, noch jenen am Ende dieser Periode zu erheben. Da das der Mitbeteiligten nach dem Bescheid der Behörde erster Instanz verbleibende Vermögen von EUR 41.203,34 den Freibetrag von EUR 12.000,-- gemäß § 3 Abs. 3 der (u.a.) auf Grundlage von § 20 Oö. ChG ergangenen Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der die Beiträge zu den Leistungen sowie die Richtsätze für das subsidiäre Mindesteinkommen nach dem Oö. ChG festgelegt werden, LGBl. Nr. 78/2008, jedenfalls übersteigt, waren auch keine weiteren Erhebungen zur Frage der Verwertbarkeit dieses Barvermögens notwendig.

Die von der belangten Behörde zum Anlass für die Behebung und Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG genommenen weiteren Erhebungen sind daher nicht erforderlich. Schon deshalb ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Im Übrigen ist aus dem angefochtenen Bescheid weder ersichtlich, warum eine Verhandlung unausweichlich erscheint, noch warum die belangte Behörde die ihrer Ansicht nach erforderlichen Erhebungen nicht selbst durchführen konnte (vgl. zu diesen Erfordernissen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0220).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-87680