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VwGH vom 23.08.2012, 2009/05/0142

VwGH vom 23.08.2012, 2009/05/0142

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der I S in B, vertreten durch Dr. Stefan Stoiber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 26, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-135/09, betreffend Versagung einer Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Dezember 2007 suchte die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Wien, MA 37, um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für ein näher bezeichnetes Bauvorhaben auf einer Liegenschaft in 1200 Wien an.

Mit Bescheid vom erklärte der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 20. Bezirk mit Spruchpunkt I. die straßenseitige Überschreitung der höchstzulässigen Breite betreffend die Dachgauben gemäß § 69 Abs. 1 lit. q BO für zulässig, die hofseitige Dachaufklappung und -ansteilung sowie die Überschreitung des Gaubendrittels bei der südwestlichen Dachgaube wurde mit Spruchpunkt II. hingegen nicht erteilt.

Mit Bescheid der MA 37 vom wurde mit Spruchpunkt I. die baubehördliche Bewilligung für den straßenseitigen Dachgeschossausbau (Wohnung D02) erteilt, hinsichtlich des hofseitigen Dachgeschossausbaus (Wohnung D01) mit Spruchpunkt II. jedoch versagt.

Die gegen den jeweils zweiten Spruchpunkt dieser beiden Bescheide gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Gleichzeitig wurde Spruchpunkt II. des Bescheides des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 20. Bezirk behoben, Spruchpunkt II. des Bescheides der Bescheid der MA 37/14 mit näher bezeichneten Maßgaben bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sei für die vom verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben betroffene Liegenschaft entlang der Tstraße bei einer Trakttiefe von 12,00 m die Widmung gemischtes Baugebiet, Bauklasse IV (18,00 m) und geschlossene Bauweise, sowie im Hofbereich gemischtes Baugebiet - Geschäftsviertel, Bauklasse I (5,00 m) und geschlossene Bauweise festgesetzt. Laut den demnach im Hofbereich zur Anwendung kommenden Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans seien zur Errichtung gelangende Dächer entsprechend dem Stand der Technik als begrünte Flachdächer auszuführen, sofern es sich nicht um Glaskonstruktionen handle.

Die projektierte Ansteilung des bestehenden Daches des Hofgebäudes von 30 auf 45 Grad, dessen oberster Abschluss in den Einreichplänen mit einer Höhe von 4,36 m über der bestehenden Gebäudehöhe von 19,80 m, somit in einer Höhe von 24,16 m ausgewiesen werde, entspreche nicht den geltenden Bebauungsbestimmungen, die für den vom Bauvorhaben betroffenen Teil der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft eine höchstzulässige Gebäudehöhe von 5,00 m und die Ausbildung eines begründen Flachdaches festlegen würden. Nach den vorliegenden Einreichplänen führe die projektierte Ansteilung des Daches dazu, dass die höchstzulässige Gebäudehöhe von 5,00 m bei Bemessung der Gebäudehöhe im Sinne des § 81 BO unter Berücksichtigung des nach den Bebauungsbestimmungen angeordneten Flachdaches um bis zu 19,16 m überschritten werde, was einer Überschreitung der höchstzulässigen Gebäudehöhe um 383 % entspreche. Aufgrund der Überschreitung der zulässigen Dachneigung und der Bestimmungen über die Gebäudehöhe sei zu prüfen, ob für das gegenständliche Bauvorhaben eine Bewilligung einer unwesentlichen Abweichung von den Bebauungsvorschriften gemäß § 69 Abs. 1 lit. f bzw. lit. m möglich sei.

Bereits auf Grund des dargestellten Ausmaßes der Überschreitung der Gebäudehöhe bzw. der Dachneigung von 45 Grad statt 0 Grad (Flachdach) sei davon auszugehen, dass durch diese der Umfang einer unwesentlichen Abänderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes überschritten werde, weil diesen Ausnahmegenehmigungen eine dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan unterlaufende Tendenz innewohnen würde. Die Überschreitung der Dachneigung bewirke eine enorme Ausweitung der festgelegten Bebaubarkeit (bebaubaren Kubatur), weil laut Bebauungsvorschriften hofseitig nur eine Gebäudehöhe von 5,00 m und die Errichtung eines Flachdaches erlaubt sei. Durch eine Verbauung mit einer Gebäudehöhe von 24,16 m auf einer Fläche von ca. 16,54 m mal ca. 10,50 m werde die festgesetzte Bebaubarkeit des hofseitigen Grundstückteils unterlaufen, weshalb sich das Bauvorhaben als eine dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan zuwiderlaufende wesentliche Abweichung im Sinne des § 69 Abs. 2 BO erweise und daher nicht bewilligt werden könne. Ebenso könne die Dachansteilung nicht als unwesentlich angesehen werden. Durch die geplante Ansteilung des Daches auf 45 Grad werde die Anordnung eines begrünten Flachdaches des Bebauungsplanes völlig unterlaufen. Auch die rein auf den Gesichtspunkt der Gebäudehöhe bezogene Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens zeige hinsichtlich der mit diesem Bauvorhaben einhergehenden zusätzlichen Erhöhung des Hoftraktes im Ausmaß von 4,36 m gegenüber der Gebäudehöhe des konsentierten Bestandes eine bereits wesentliche Abweichung von den Bebauungsvorschriften auf. Überdies habe auch die Amtssachverständige der Magistratsabteilung 21 A in ihrer Stellungnahme vom dargetan, dass die Dachaufklappung des Hintertraktes der Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes widerspreche. Eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 Abs. 1 lit. f bzw. m könne daher nicht gewährt werden. Das auf den Hoftrakt bezogene Bauvorhaben erweise sich als unzulässig, weshalb die Versagung der Baubewilligung zu bestätigen gewesen sei.

Erkennbar nur gegen den abweislichen Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Für den Beschwerdefall relevante Bestimmungen:

1.1. § 69 Abs. 1 und 2 BO - in der hier maßgeblichen Fassung vor den Novellen LGBl. Nr. 24/2008 (vgl. deren Art. V Abs. 1 und 2) und LGBl. Nr. 25/2009 (vgl. deren Art. III Abs. 2) - lautet (auszugsweise):

"Unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften

§ 69.

(1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde nach Maßgabe des Abs. 2 über die Zulässigkeit folgender Abweichungen von den Bauvorschriften zu entscheiden:

a) Abweichungen von den festgesetzten Fluchtlinien oder Höhenlagen für jede Art von Baulichkeiten;

(…)

f) Abweichungen von den Bestimmungen des Bebauungsplanes nach § 5 Abs. 4 lit. d, e, i, k, m, n, o, p, q, r, s, u und y für jede Art von Baulichkeiten nach lit. k jedoch nur bis zu einer Dachneigung von 45 Grad , und nach § 5 Abs. 4 lit. w hinsichtlich der Errichtung von Geschäftshäusern sowie hinsichtlich der Beschränkung des Rechtes, Fenster von Aufenthaltsräumen von Wohnungen zu öffentlichen Verkehrsflächen herzustellen sowie in Wohnzonen hinsichtlich der Verpflichtung, nicht weniger als 80 vH der Summe der Nutzfläche der Hauptgeschosse eines Gebäudes, jedoch unter Ausschluss des Erdgeschosses, Wohnzwecken vorzubehalten, für die Errichtung von Garagengebäuden;

m) das Überschreiten der gemäß § 5 Abs. 4 lit. h und gemäß § 77 Abs. 3 lit. c bestimmten sowie der bauklassenmäßigen Gebäudehöhe in allen Bauklassen, wenn das Interesse an der Gestaltung des örtlichen Stadtbildes nicht entgegensteht;

(2) Durch Abweichungen nach Abs. 1 darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht verringert werden; an Immissionen darf nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht. Im Übrigen darf, abgesehen von den unter Abs. 1 näher genannten Voraussetzungen, von den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werden; es dürfen das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflußt und die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden. Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, dass die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung einer zeitgemäßen Ausstattung oder der besseren barrierefreien Benützbarkeit des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplantes Baues dienlich ist."

1.2. Der (im Akt befindliche) Flächenwidmungs- und Bebauungsplan des Wiener Gemeinderates vom , Plandokument 7263, für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft lautet auszugsweise:

"3. Gemäß § 5 Abs. 4 der BO für Wien wird für das gesamte Plangebiet ohne Plandarstellung bestimmt:

3.1. Der höchste Punkt der im Bauland zur Errichtung gelangenden Dächer darf nicht höher als 4,5 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen.

3.3. Auf den mit den Festsetzungen W I 5 m, GBGV I 5 m bzw. GBGV I 6,5 m bezeichneten Grundflächen sind die zur Errichtung gelangenden Dächer entsprechend dem Stand der Technik als begrünte Flachdächer auszubilden, sofern es sich nicht um Glasdachkonstruktionen handelt. Technische bzw. der Belichtung dienende Aufbauten sind im erforderlichen Ausmaß zulässig.

…"

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Gemäß Punkt 3.3. des Plandokuments 7263 sind die auf dem verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsteil zur Errichtung gelangenden Dächer als begrünte Flachdächer auszubilden, sofern es sich nicht um Glasdachkonstruktionen handelt. In der Plandarstellung ist für diesen Liegenschaftsteil "WI 5 m" festgelegt.

2.2. Zur Frage nach der Wesentlichkeit der geplanten Überschreitung der höchstzulässigen Gebäudehöhe ist der Beschwerdeführerin insofern beizupflichten, als nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes § 69 Abs. 2 BO auch auf den vorhandenen konsentierten Baubestand Rücksicht nimmt. Selbst wenn der konsensgemäß vorhandene Baubestand bereits wesentlich von den nunmehr maßgebenden Bebauungsvorschriften abweicht, kann nicht ohne weiteres davon gesprochen werden, dass ein geplantes Bauvorhaben, wenn es für sich betrachtet nur eine unwesentliche Abweichung darstellt, die Tendenz des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes unterläuft (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/05/0131 sowie vom , Zl. 2006/05/0147, je mwN).

2.2. Unabhängig von der Frage der Wesentlichkeit der geplanten Überschreitung der höchstzulässigen Gebäudehöhe ist der Beschwerde jedoch aus folgendem Grund der Erfolg versagt:

Dächer im verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsteil sind laut dem eingangs zitierten Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als begrünte Flachdächer auszugestalten. Da bei einem Flachdach eine Dachneigung aber nicht gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0287, mwN), kann die - im Einklang mit der von der Beschwerdeführerin nicht beeinspruchten, sachverständigen Stellungnahme der Magistratsabteilung 21A der Stadt Wien getroffene - Ansicht der belangten Behörde, die geplante Dachaufklappung des Hintertraktes und Errichtung eines Daches mit einer Dachneigung von 45 Grad unterlaufe den verfahrensgegenständlichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Durch das geplante Dach würde die zitierte Bestimmung des Bebauungsplanes nämlich überhaupt nicht, also auch nicht in einem Teilbereich eingehalten werden. Damit liegt keinesfalls eine bloß unwesentliche Abweichung von der entsprechenden Vorschrift des Bebauungsplanes vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/05/0060, mwN).

3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am