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VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008

VwGH vom 02.08.2013, 2013/21/0008

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2013/21/0019 E

2013/21/0125 E

2013/21/0124 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der Landespolizeidirektion Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-401240/4/Gf/Rt, betreffend Schubhaft (weitere Partei:

Bundesministerin für Inneres; mitbeteiligte Partei: K A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Marokko, reiste von Italien kommend am illegal nach Österreich ein und stellte bei der Polizeiinspektion Lienz einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. In der Folge wurde der Mitbeteiligte in der Betreuungsstelle West in Thalham untergebracht.

Der genannte Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrages festgestellt; gleichzeitig wurde der Mitbeteiligte gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nach Italien ausgewiesen. Anlässlich der gemäß § 23 Abs. 3 AsylG 2005 vorgenommenen Zustellung dieser Entscheidung am wurde der Mitbeteiligte festgenommen. Noch am selben Tag wurde über ihn mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (BH) gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

In der Begründung stellte die BH fest, der Mitbeteiligte habe bereits zwei Tage vor seiner am vorgenommenen illegalen Einreise versucht, unrechtmäßig von Italien nach Österreich einzureisen, wobei er jeweils zurückgeschoben worden sei. Während er damals noch (abgelaufene) Dokumente, nämlich einen marokkanischen Reisepass und einen italienischen Aufenthaltstitel, bei sich gehabt habe, hätte er bei der Asylantragstellung am darüber nicht mehr verfügt; seinen Angaben zufolge habe er sie am Vortag weggeworfen.

In der Asylerstbefragung habe der Mitbeteiligte angegeben, im Jahr 2007 von Marokko nach Frankreich gelangt zu sein, wo er sich 2 Jahre und 7 Monate bei seiner dort lebenden Schwester aufgehalten habe. Danach sei er in die Schweiz und nach Ablehnung des dort gestellten Asylantrages einige Monate später nach Italien gereist. Gegen eine Rückkehr in die durchreisten Staaten spreche aus der Sicht des Mitbeteiligten, dass er dort keine Arbeit fände. Im Zuge der weiteren Erhebungen hätten sich Asylantragstellungen des Mitbeteiligten in der Schweiz am und am ergeben. In Italien habe der Mitbeteiligte über einen mittlerweile nicht mehr gültigen Aufenthaltstitel vom verfügt. Die italienischen Behörden hätten sodann am die Zustimmung zur Rückübernahme des Mitbeteiligten erteilt.

In der niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt am (richtig: ) habe der Mitbeteiligte erklärt, er sei psychisch krank, das heiße, er nehme ein ärztlich verordnetes Drogenersatzmedikament ein, über das er noch ausreichend verfüge. Zu seinem Reiseweg habe der Mitbeteiligte ergänzt, nach drei Jahren sei sein italienischer Aufenthaltstitel nicht mehr verlängert worden, weshalb er nach Österreich gereist sei; zuvor sei er deshalb auch in der Schweiz gewesen.

Auf Vorhalt der beabsichtigten Ausweisung habe der Mitbeteiligte dann erklärt, das sei für ihn kein Problem, er kehre freiwillig nach Italien zurück. Im Hinblick darauf sei er von einer Mitarbeiterin des Vereins "Menschenrechte Österreich" aufgesucht worden, der gegenüber der Mitbeteiligte am geäußert habe, keinesfalls, und schon gar nicht freiwillig, nach Italien zurückkehren zu wollen.

Angesichts der dann am erlassenen durchsetzbaren Ausweisung nach Italien - so begründete die BH weiter - sei davon auszugehen, dass die Außerlandesbringung des Mitbeteiligten "unmittelbar" bevorstehe. Eine Rückkehr in den für ihn zuständigen Mitgliedstaat habe der Mitbeteiligte "zu jedem Zeitpunkt klar negiert" und sich entschieden gegen die Rückbringung dorthin ausgesprochen, zumal er die Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr bereits "wenige Tage" später widerrufen habe. Dadurch sei das Vertrauen in seine Mitwirkungsbereitschaft massiv erschüttert worden. Für die Anordnung eines gelinderen Mittels wäre aber gerade dieses Vertrauen von immenser Bedeutung gewesen. Außerdem habe der Mitbeteiligte nach zweimalig erfolglosem Versuch der illegalen Einreise nach Österreich seine Dokumente vernichtet und so seine Identifizierung zu erschweren versucht. Auch der Umstand, dass der Mitbeteiligte im gesamten Asylverfahren seine in Frankreich aufhältige Schwester als "Unterstützerin", die ihm auch Geld schicke, und Frankreich als Ziel seiner Reisebewegungen bezeichnet habe, mache es äußerst unwahrscheinlich, dass sich der Mitbeteiligte nach dem nunmehrigen Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung den österreichischen Behörden zur Verfügung halten werde. Vielmehr sei es wahrscheinlich, dass der Mitbeteiligte - auf freiem Fuß belassen - versuchen werde, seine illegalen Reisebewegungen fortzusetzen und so zu seiner Schwester nach Frankreich zu gelangen. Im Übrigen habe die Behörde bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 Abs. 2a FPG - anders als nach § 76 Abs. 2 FPG - kein Ermessen in Bezug auf die Anwendung gelinderer Mittel.

Es bleibe jedoch - so die BH im Schubhaftbescheid daran anschließend - zu prüfen, ob die Verfahrenssicherung bzw. die Sicherung der Abschiebung mittels Schubhaft notwendig sei und ob in der Person des Asylwerbers gelegene, besondere Umstände der Schubhaft entgegenstünden. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Schubhaft sei zunächst festzuhalten, dass in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen und eine durchsetzbare Ausweisung in den für die Antragsprüfung zuständigen Staat verfügt worden sei, ein Sicherungsbedarf bereits indiziert sei. Auch in diesem Zusammenhang verwies die BH dann noch (einmal) darauf, dass mit einer zeitnahen Abschiebung des Mitbeteiligten nach Italien zu rechnen sei. Außerdem sei es wegen der bewussten Unterdrückung maßgeblicher Reise- und Identitätsdokumente und wegen des Vortäuschens eines Rückkehrwillens offensichtlich, dass der Mitbeteiligte die durchreisten Staaten lediglich als "Transitland" betrachte, in denen er auf keinen Fall bleiben wolle, und dass seinen Angaben zufolge Frankreich sein eigentliches Reiseziel sei. Der Mitbeteiligte habe somit nicht nur mehrfache illegale Grenzübertritte in Kauf genommen, sondern auch nach zweimaliger Zurückschiebung von Österreich nach Italien nicht vor einer neuerlichen illegalen Einreise zurückgeschreckt. Nach Ansicht der BH - so heißt es im Schubhaftbescheid noch weiter - sei einem derartigen "Asylantragstourismus" mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten.

Aus dem bisherigen Verhalten des sich erst kurz und ohne Beschäftigung in Österreich befindlichen alleinstehenden Mitbeteiligten zeige sich offensichtlich, dass er "an absolut keine Örtlichkeit" gebunden sei. Es sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er sich in Kenntnis der zurückweisenden Asylentscheidung und der durchsetzbaren Ausweisung nach Italien ohne fremdenpolizeiliche Sicherungsmaßnahme dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen und in die "Illegalität" abtauchen werde, sodass zur Sicherung seiner Abschiebung seine Anhaltung in Schubhaft unbedingt erforderlich sei. Im Fall des Abtauchens in die "Anonymität" sei - abgesehen von der Gefahr der illegalen Beschaffung der Unterhaltsmittel - im Besonderen auch die Gefahr sehr groß, dass mangels fristgerechter Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat letztlich Österreich für die inhaltliche Prüfung des vom Mitbeteiligten gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig werden könnte.

Die BH komme daher nach umfassender Einzelfallprüfung zum Schluss, dass die Verhängung der Schubhaft über den Mitbeteiligten zum Zweck der Maßnahme verhältnismäßig sei, weil seinem Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit das überwiegende öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüberstehe. Schließlich verneinte die BH noch das Vorliegen von besonderen, in der Person des Mitbeteiligten gelegenen Umständen, die der Schubhaft entgegenstehen könnten.

Der Mitbeteiligte erhob mit Schriftsatz vom eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 FPG und beantragte, seine Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären. Er bestritt insbesondere den angenommenen Sicherungsbedarf und brachte vor, seine Mittellosigkeit könne diese Annahme nicht tragen. Nicht alle potentiellen "Dublin-Fälle" seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Der Umstand, dass ein Asylwerber zuvor schon in einem anderen Mitgliedsstaat einen Asylantrag gestellt habe, rechtfertige nicht die Annahme, er werde unrechtmäßig in einen anderen Staat weiterreisen und sich so dem Verfahren in Österreich entziehen. Weiters sei zweifelhaft, "welcher rechtliche Wert" der bloß gegenüber der Vertreterin eines privaten Vereins abgegebenen Erklärung, nicht nach Italien zurückkehren zu wollen, zukomme. Im Übrigen habe der Mitbeteiligte bei seiner Ersteinvernahme durch die Asylbehörde angegeben, psychisch krank zu sein, nämlich an einer chronischen Schizophrenie zu leiden. Außerdem habe der Mitbeteiligte korrekte Angaben bezüglich seiner Identität und Reiseroute getätigt. Es wären somit gerade in seinem Fall gelindere Mittel anzuwenden gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom erklärte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS; belangte Behörde) die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft seit für rechtswidrig. Unter einem wurde gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG festgestellt, dass (auch) die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Schließlich wurde der Bund zum Kostenersatz verpflichtet.

In der Begründung gab der UVS zusammengefasst den Inhalt des Schubhaftbescheides, der Administrativbeschwerde und der dazu von der BH erstatteten Stellungnahme wieder. Daran anschließend bezog sich der UVS auf seine in ähnlich gelagerten Fällen gestellten Anträge an den Verfassungsgerichtshof, näher genannte - die Schubhaft und die Anwendung gelinderer Mittel betreffende - Bestimmungen des FPG als verfassungswidrig aufzuheben und gab die Begründungen dieser Anträge umfassend wieder (Seite 4 bis 12 oben).

Daran anschließend wurde der Inhalt des diese Anträge teilweise zurückweisenden, teilweise abweisenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 140/11 u.a., auszugsweise referiert. Insbesondere wurde jene Passage (Punkt III.2.3.1. iVm III.2.3. der Entscheidungsgründe) wiedergegeben, in der der Verfassungsgerichtshof der im Antrag betreffend die Aufhebung einer Wortfolge des § 77 Abs. 1 FPG vertretenen Auffassung, mit dieser Bestimmung werde das Verwaltungshandeln nicht ausreichend determiniert und es würde zu einer unsachlichen rechtlichen Gleichbehandlung von Schubhaft und gelinderen Mitteln kommen, nicht gefolgt ist. Schon der klare Gesetzeswortlaut spreche - so der Verfassungsgerichtshof - gegen ein solches Verständnis des § 77 Abs. 1 FPG. Die gesetzliche Anordnung, dass die Behörde gelindere Mittel anzuordnen habe, wenn die Zwecke der Schubhaft auch damit erreicht werden könnten, gebe der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anordnung gelinderer Mittel und der Verhängung von Schubhaft. Vielmehr sei damit ein - nach Art. 1 Abs. 3 des BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSlg. 19.323/2011) -

klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt. Unter Zugrundelegung dieser verfassungsrechtlich zwingenden Auslegung sei der Inhalt des § 77 Abs. 1 FPG gegenüber der Behörde ausreichend determinierend und differenziere im gebotenen Maße zwischen der Verhängung von Schubhaft und der Anordnung von gelinderen Mitteln.

In der weiteren Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, der Mitbeteiligte habe bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt am u.a. angegeben, psychisch krank zu sein; er nehme ein Ersatzmedikament für Drogenabhängige ein und verfüge diesbezüglich noch über einen ausreichenden Vorrat. In Österreich habe er weder Verwandte noch sonstige Bezugspersonen, eine in Frankreich aufhältige Schwester unterstütze ihn finanziell. Die Ausweisung bilde aus seiner Sicht "kein Problem"; er würde vielmehr sogar "freiwillig nach Italien" zurückkehren. Einen Tag später habe jedoch eine Mitarbeiterin des Vereins "Menschenrechte Österreich" der BH mitgeteilt, dass der Mitbeteiligte im heutigen Beratungsgespräch angegeben habe, "keinesfalls nach Italien" zurückkehren zu wollen.

Diese Erklärung habe der Mitbeteiligte in der Administrativbeschwerde gar nicht bestritten, sondern nur ihre Rechtsverbindlichkeit. Zum Beschwerdevorbringen betreffend Erkrankung an Schizophrenie sei darauf hinzuweisen, dass der Mitbeteiligte dies selbst nie behauptet habe, sondern nur erklärt habe, insofern psychisch krank zu sein, als er bestimmte Medikamente funktionell als Drogenersatz einnehme. Für eine daraus resultierende Haftunfähigkeit hätten sich - abgesehen davon, dass ein solcher Einwand gar nicht erhoben worden sei - jedenfalls keine Anhaltspunkte ergeben.

Unter Anknüpfung an die zunächst wiedergegebene Bestimmung des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG führte der UVS rechtlich aus, dieser Schubhafttatbestand sei im Hinblick auf die gegen den Mitbeteiligten als Asylwerber ergangene, mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung im Zeitpunkt der Inschubhaftnahme verwirklicht gewesen. Auch das von der BH angenommene - sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftanordnung "in gleicher Weise materiell determinierende" - Sicherungsbedürfnis erweise sich, "wenngleich nicht zwingend, so doch zumindest als vertretbar". Denn der Mitbeteiligte habe seine Erklärung betreffend die Absicht zur freiwilligen Rückkehr nach Italien schon am nächsten Tag wieder ins Gegenteil verkehrt. Daraus, dass der Mitbeteiligte erklärt habe, "keinesfalls nach Italien" zurückkehren zu wollen, habe die BH durchaus den Schluss ziehen können, dass die durchzuführende Abschiebung - soll diese effektiv durchsetzbar sein - faktisch nur "im Wege begleitender Sicherungsmaßnahmen" zu bewerkstelligen sein werde.

Vorrangig bleibe allerdings zu prüfen, ob die BH die nach dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes primär bzw. absolut vorrangig gebotene Heranziehung gelinderer Mittel - als eine grundlegende materielle Voraussetzung der allfälligen Zulässigkeit (auch) der Schubhaftverhängung - erwogen und im Ergebnis zutreffend verworfen habe, sodass sie auch tatsächlich zur Anwendung der "ultima-ratio-Maßnahme" der Inschubhaftnahme berechtigt gewesen sei. Im Schubhaftbescheid finde sich diesbezüglich "nur der rudimentäre Hinweis", dass gelindere Mittel wegen des - infolge der ursprünglichen Zusage der freiwilligen Ausreise und deren nachfolgender Zurücknahme - massiv erschütterten Vertrauensverhältnisses zum Mitbeteiligten nicht in Betracht gekommen seien. Außerdem könnte der Mitbeteiligte nach Meinung der BH nach einem Abtauchen in die Anonymität versuchen, die erforderlichen Unterhaltsmittel durch illegale Beschäftigung zu erlangen. Im Übrigen könnte die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens endgültig bei Österreich verbleiben, wenn die Überstellung nach Italien faktisch nicht vorgenommen werden könne.

Mit einer solchen Argumentation - so der UVS - würden jedoch lediglich Gesichtspunkte ins Treffen geführt, die allenfalls dazu geeignet seien, eine "höhere faktische Effektivität der Schubhaftverhängung im Vergleich zu bloß gelinderen Mitteln zu untermauern". Offenbar in Verkennung der dem genannten Verfassungsgerichtshoferkenntnis zugrunde liegenden Prioritätensetzung gehe hingegen weder aus dem Schubhaftbescheid noch aus dem Verwaltungsakt hervor, dass die BH die Anordnung gelinderer Mittel "überhaupt de facto erwogen" habe. "Konsequenterweise" fehle sodann auch eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das "am ehesten Zielführendste" anzusehen sei, und mit der Frage, in welchen Umständen gegenständlich eine derartige "ultimaratio-Situation" begründet gewesen sei, dass nicht einmal mit einer "zumindest vorgängigen" Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit einer "unverzüglichen" Schubhaftverhängung das Auslangen habe gefunden werden können.

Der unabhängige Verwaltungssenat sei im Verfahren nach den §§ 82 f FPG nur Haftprüfungsbehörde, dem nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zukomme, und zwar dahin, ob es unter Zugrundelegung der von der Haftbehörde vorgenommenen "Bewertung" der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles verhältnismäßig gewesen sei, von der Verhängung gelinderer Mittel abzusehen und stattdessen Schubhaft zu verhängen. Davon ausgehend könne die "originäre Entscheidung" darüber, ob bzw. welche gelinderen Mittel anzuordnen seien oder ob stattdessen die Schubhaft zu verhängen sei, nur von der Fremdenpolizeibehörde selbst getroffen werden und im Falle einer "dementsprechenden Unterlassung" vom unabhängigen Verwaltungssenat im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens nicht nachgetragen werden. Gleiches gelte auch hinsichtlich der Gründe für das Vorliegen einer die Schubhaftverhängung tragenden "ultimaratio-Situation", die sich ebenfalls bereits aus dem Schubhaftbescheid selbst ergeben müssten.

Da die BH im gegenständlichen Fall nicht in einer nachvollziehbaren Weise - "geschweige denn auch entsprechend belegt" - zu erkennen gegeben habe, dass sie überhaupt die Anordnung gelinderer Mittel (sowie konkret: welche dieser Mittel) in Erwägung gezogen habe, und "davon ausgehend" das Vorliegen einer die unverzügliche Schubhaftanordnung rechtfertigenden "ultima-ratio-Situation" angenommen habe, erweise sich die bisherige Anhaltung des Mitbeteiligten als rechtswidrig. Gleiches gelte - so der UVS abschließend - "auf einer derartigen Basis" auch bezüglich der Voraussetzungen für dessen weitere Anhaltung in Schubhaft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Landespolizeidirektion Oberösterreich, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Art. 1 und Art. 2 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684, sowie § 76 und § 77 FPG idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 38 (FrÄG 2011), lauten (auszugsweise):

"Artikel 1

(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2) Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3) Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

(4) Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind."

"Artikel 2

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

...

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern."

"Schubhaft

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

(1a) Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(2a) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde hat über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

(3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. …"

"Gelinderes Mittel

§ 77. (1) Die Behörde hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 99 Abs. 1 Z 1 von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,


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1.
in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.
sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder
3.
eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen."
In der Stammfassung des FPG hatte der erste Satz des § 77 Abs. 1 vor der am in Kraft getretenen Änderung durch das FrÄG 2011 noch folgenden Wortlaut:

"§ 77. (1) Die Behörde kann von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann."

2.1. Die Zulässigkeit der Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 1 FPG verlangt nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ihre Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung (Aufenthaltsbeendigung) und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist. Bei dieser Prüfung ist unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses vor allem der Frage nachzugehen, ob im jeweils vorliegenden Einzelfall ein Sicherungsbedürfnis gegeben ist. Das setzt die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. nach deren Vorliegen der Abschiebung (insbesondere) durch Untertauchen entziehen oder es/sie zumindest wesentlich erschweren. Fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein erfüllt dieses Erfordernis noch nicht. Die bloße (Absicht der) Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls vermag somit für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen, sondern der Sicherungsbedarf muss in weiteren Umständen begründet sein. Für die Bejahung eines Sicherungsbedarfs kommen im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FPG insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei Prüfung des Sicherungsbedarfs freilich auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen (siehe zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/00114, v.a. mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0542, mwN; vgl. idS auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0276).

2.2.1. Mit dem Verhältnis des § 76 Abs. 2a FPG zu den anderen Schubhafttatbeständen des § 76 FPG hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0234, näher auseinander gesetzt. Dort führte der Gerichtshof aus, für die Tatbestände des § 76 Abs. 2a FPG sei charakteristisch, dass die Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen die Schubhaft anzuordnen "hat". Insoweit unterscheide sich § 76 Abs. 2a FPG strukturell von § 76 Abs. 1 und § 76 Abs. 2 FPG, wo vorgesehen ist, dass Schubhaft unter den dort näher umschriebenen Bedingungen verhängt werden "kann". Demgegenüber finde sich in § 76 Abs. 2a FPG insoweit eine Parallele zu § 76 Abs. 1 FPG, als dort - explizit - die Verhängung von Schubhaft an das Kriterium ihrer "Notwendigkeit" für die Sicherung des Verfahrens oder zur Sicherung der Abschiebung geknüpft wird. Das sei in § 76 Abs. 2 FPG nicht der Fall. Alle Schubhafttatbestände seien indes im Sinn der - oben zitierten - Bestimmungen des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit auszulegen. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auf Art. 1 Abs. 3 des genannten Verfassungsgesetzes hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergebe, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlange. Für die Schubhaft ergebe sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art. 2 Abs. 1 Z 7. Dementsprechend habe der Verfassungsgerichtshof - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom , B 362/06, VfSlg. 17.891/2006, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist (vgl. in diesem Sinn auch Punkt III.2.1.1. und III.2.1.2. der Entscheidungsgründe des vom UVS zitierten Erkenntnisses vom , G 140/11 u.a.) - in seinem Erkenntnis vom , B 1330/06 und B 1331/06, VfSlg. 18.145/2006, klargestellt, dass die Behörden (auch) in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet seien, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.

2.2.2. Daran anschließend führte der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0234, weiter aus, schon auf Grund der ausdrücklichen Bezugnahme auf das Kriterium der "Notwendigkeit" könne es - vor dem Hintergrund der dargestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen - nicht zweifelhaft sein, dass sich auch im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 2a FPG Schubhaft nur dann als zulässig erweise, wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist, dass sie - in den Worten des zitierten Erkenntnisses vom - "stets nur ultima ratio sein darf". Das brächten letztlich auch die ErläutRV zu dieser Bestimmung (330 BlgNR 24. GP 32) zum Ausdruck, wenn sie auf die "notwendige Verhältnismäßigkeitsprüfung" hinweisen. Dass - wie die erwähnten ErläutRV weiter ausführen - in den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein werde, stehe dem nicht entgegen. Diese Annahme habe nämlich sinngemäß schon in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 76 Abs. 2 FPG (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0617) insofern Niederschlag gefunden, als zu dieser Bestimmung ausgesprochen wurde, dass sich mit dem Fortschreiten der einzelnen Phasen des Asylverfahrens aus der Sicht des Asylwerbers die Wahrscheinlichkeit verdichte, dass er letztlich abgeschoben werden könnte; insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung könnten dann u.U. auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen.

2.2.3. Der Tatbestand des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG in der - auch im vorliegenden Fall maßgeblichen - ersten Variante (gegen den Asylwerber wurde eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen) stelle sich - so die weiteren rechtlichen Überlegungen in dem Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0234 - als Sonderfall zu § 76 Abs. 2 Z 1 FPG dar. Auch in seinem Anwendungsbereich - Ähnliches gelte mit unterschiedlicher Gewichtung für die anderen Tatbestände des § 76 Abs. 2a FPG - bedürfe es daher "weniger ausgeprägter Hinweise" im Sinn des vorzitierten Erkenntnisses vom . Zu betonen sei allerdings, dass solche Hinweise neben dem Vorliegen des Schubhaftgrundes aber auch im Fall des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG immer erforderlich seien; einem Automatismus dergestalt, dass aus der Verwirklichung des Schubhafttatbestandes des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG ohne Weiteres ein die Schubhaft rechtfertigendes Sicherungsbedürfnis folge, müsse am Boden des Gesetzes eine Absage erteilt werden.

Anderes lasse sich angesichts der erwähnten verfassungsrechtlichen Grundlagen auch nicht aus dem Ausdruck "hat" in den einleitenden Worten des § 76 Abs. 2a FPG ableiten. Dabei sei zunächst klarzustellen, dass auch bei diesen Schubhafttatbeständen gemäß dem oben angesprochenen "ultima ratio-Prinzip" mit der Verhängung (bloß) eines gelinderen Mittels vorzugehen sei, wenn einem allfälligen Sicherungsbedürfnis schon auf diesem Weg Genüge getan werden könne (so auch die ErläutRV 330 BlgNR 24. GP 32, wenn sie darauf hinweisen, dass die Bestimmungen zum gelinderen Mittel gemäß § 77 FPG von Abs. 2a des § 76 FPG unberührt bleiben). Davon ausgehend könne das besagte "hat" aber zwanglos in dem Sinn gedeutet werden, dass die Behörde in den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG nicht den ihr sonst zukommenden Ermessensspielraum innehabe, trotz eines die Schubhaft gebietenden Sicherungsbedarfs davon Abstand zu nehmen und bloß ein gelinderes Mittel zu verhängen (zu diesem sonst bestehenden Ermessensspielraum verwies der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0276). Auch ein solcher - im Einzelfall zu begründender - Sicherungsbedarf führe freilich nicht zur Schubhaft, wenn im Sinn des letzten Halbsatzes des § 76 Abs. 2a FPG "besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen".

2.3.1. Zur nach § 76 Abs. 1 FPG und nach § 76 Abs. 2 FPG, jeweils iVm § 77 Abs. 1 FPG (idF vor dem FrÄG 2011), einzuhaltenden Vorgangsweise hat der Verwaltungsgerichtshof in dem im vorstehenden Absatz erwähnten Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0276, darauf hingewiesen, dass auch die Anwendung gelinderer Mittel das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraussetze. Fehle es, dann dürfe weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit bestehe kein Ermessensspielraum. Der Behörde komme aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergebe sich schon daraus, dass Schubhaft immer "ultima ratio" sein müsse. Mit anderen Worten:

Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall habe die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen. Der Ermessenspielraum bestehe also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden könne. Diesbezüglich läge eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten worden seien, also vom Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht worden sei.

2.3.2. Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof (im schon genannten) Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0114, unter Bezugnahme auf das vorstehend referierte Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0276, auf die geltende Rechtslage übertragen und ausgeführt, dass die Behörde gemäß § 77 Abs. 1 FPG (idF des FrÄG 2011) bei Vorliegen der in § 76 FPG genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen habe, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden könne. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setze somit das Vorliegen eines Sicherungsinteresses voraus und bei dessen Fehlen dürften weder Schubhaft noch gelindere Mittel verhängt werden. Das ergibt sich nunmehr - wie klarstellend zu ergänzen ist - auch eindeutig aus dem mit dem FrÄG 2011 geänderten Wortlaut des geltenden § 77 Abs. 1 FPG.

2.3.3. Der belangte UVS hatte schon § 77 Abs. 1 FPG in der (erst durch das FrÄG 2011 geänderten) Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005 insbesondere mit dem verfassungsrechtlichen Bedenken, der erste Satz entspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG, beim Verfassungsgerichtshof angefochten. Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 47/10, VfSlg. 19.323/2011, abgewiesen. Dort führte der Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf sein zu § 76 Abs. 2 Z 4 FPG ergangenes Erkenntnis vom , B 362/06, VfSlg. 17.891/2006, aus, es sei keine Verfassungswidrigkeit darin zu erblicken, dass es der Gesetzgeber - im Wissen um die Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - den vollziehenden Behörden (unter der nachprüfenden Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) überlasse, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Nichts anderes gelte für die Regelung des § 77 Abs. 1 FPG, dessen Ermächtigung in der dargelegten verfassungsrechtlich gebotenen Form auszuüben sei. In diesem Sinne verstehe - so der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 19.323/2011 abschließend - im Übrigen auch der Verwaltungsgerichtshof diese Norm, wie die dort eingangs wörtlich wiedergegebenen Ausführungen im Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0276, zeigten.

2.3.4. Auch in dem von der belangten Behörde zur Stützung ihrer Auffassung ins Treffen geführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 140/11 u.a., wird ausdrücklich auf dieses Erkenntnis VfSlg. 19.323/2011 Bezug genommen, in dem der Verfassungsgerichtshof bereits klargestellt habe, dass der sich aus Art. 1 Abs. 3 des BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit ergebende Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel auch verfassungsrechtlich geboten sei. Damit im Einklang spreche auch der klare Gesetzeswortlaut des § 77 Abs. 1 FPG (idF des FrÄG 2011) gegen eine Gleichbehandlung von Schubhaft und gelinderen Mitteln; vielmehr sei damit ein klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt.

2.3.5. Demnach entspricht die Auslegung des ersten Satzes des § 77 Abs. 1 FPG (idF des FrÄG 2011) durch den Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G 140/11 u.a., der schon zur Stammfassung dieser Bestimmung im Erkenntnis vom , G 47/10, VfSlg. 19.323/2011, zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung, die mit der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0276, im Einklang steht und die im Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0114, auf die geltende Rechtslage übertragen wurde. Entgegen der offenbar von der belangten Behörde vertretenen Meinung hat sich somit an der Auslegung des § 77 Abs. 1 FPG sowie an dem Zusammenspiel mit § 76 Abs. 1 und 2 FPG und mit § 76 Abs. 2a FPG weder durch das FrÄG 2011 noch durch das von ihr in den Vordergrund gestellte Verfassungsgerichtshoferkenntnis vom etwas geändert.

2.4. Aus der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich zusammenfassend, dass § 76 Abs. 1 und § 76 Abs. 2 FPG einerseits und § 76 Abs. 2a FPG andererseits unterschiedlich strukturiert sind, was die Möglichkeit des Absehens von der Schubhaft trotz Vorliegens eines diese rechtfertigenden Sicherungsbedarfs betrifft: Während die Behörde in diesem Fall bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 76 Abs. 2a FPG die Schubhaft zu verhängen "hat", eröffnen nämlich § 76 Abs. 1 und § 76 Abs. 2 FPG durch die Verwendung des Wortes "kann" der Behörde einen Ermessensspielraum. Auch in den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG ist zwar nicht jedenfalls - ohne Notwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung - Schubhaft zu verhängen, bei Bejahung eines Sicherungsbedarfs und der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall ist aber zwingend mit Schubhaft vorzugehen, ohne dass noch - wie im Geltungsbereich des § 76 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG - unter Ermessensgesichtspunkten die Anwendung eines gelinderen Mittels in Betracht käme (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0065). In allen Fällen gilt - entsprechend dem postulierten Vorrang gelinderer Mittel - aber, dass bei Fehlen eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs nur gelindere Mittel angeordnet werden können; besteht überhaupt kein Sicherungsinteresse oder ist es so gering, dass selbst gelindere Mittel unverhältnismäßig wären, dann ist auch davon Abstand zu nehmen.

3. Die §§ 82 und 83 FPG lauten (auszugsweise):

"Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat

§ 82. (1) Der Fremde hat das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,


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1.
wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
2.
wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
3.
wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.
Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat

§ 83. (1) Zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z 2 oder 3 ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

(2) Über die Beschwerde entscheidet der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und

2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

(3) …

(4) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden."

4.1. Der mit einer Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 FPG angerufene unabhängige Verwaltungssenat hat in die Prüfung der Rechtmäßigkeit des die Schubhaft anordnenden Bescheides und der darauf gegründeten Anhaltung auch die Frage der Anwendung eines gelinderen Mittels einzubeziehen. Wäre dessen Anwendung - wegen Fehlens eines die Schubhaft ausreichend rechtfertigenden Sicherungsbedarfs - geboten gewesen, führt dies zur Rechtswidrigkeit der mit Schubhaftbeschwerde bekämpften Maßnahmen (siehe zuletzt das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0114, mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0246, mwN).

4.2. Zu dem nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG bei andauernder Schubhaft vom unabhängigen Verwaltungssenat vorzunehmenden Ausspruch hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0246, unter Bezugnahme auf Vorjudikatur nähere Ausführungen getätigt. Danach habe der unabhängige Verwaltungssenat inhaltlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft gegeben seien. Er habe bei dieser Entscheidung auch die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel an Stelle der Schubhaft zu berücksichtigen. Diese vom unabhängigen Verwaltungssenat vorzunehmende Prüfung habe unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen. Dem liege die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zugrunde, wonach die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates als neuer (Titel )Bescheid wirke, der im Falle der Feststellung, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, die weitere Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates selbst dann legitimiere, wenn die vorangehende Anhaltung als rechtswidrig erkannt worden sei. Aus dem Gesagten folge, dass der unabhängige Verwaltungssenat bei der Beurteilung nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in jede Richtung zu prüfen habe, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft gegeben sind. Wie erwähnt, hat der unabhängige Verwaltungssenat dabei auch die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel an Stelle der Schubhaft zu berücksichtigen, wobei ihm - in dem im oben unter Punkt 2.3.1. dargestellten Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0276, aufgezeigten Rahmen - auch Ermessen zukommt. Er ist allerdings nicht zur Entscheidung darüber zuständig, welches der im § 77 Abs. 3 FPG demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre. Deren Auswahl bleibt vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0281, mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0246, mwN).

5.1. Der belangte UVS ist in Bezug auf die Prüfung des Schubhaftbescheides und die darauf gegründete Anhaltung des Mitbeteiligten (vom bis zur Erlassung des bekämpften Bescheides am ) davon ausgegangen, der von der BH herangezogene Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2a Z 1 erste Alternative FPG sei im Hinblick auf die gegen den Mitbeteiligten als Asylwerber vor seiner Festnahme erlassene, mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung verwirklicht gewesen.

Weiters wurde dem Einwand in der Schubhaftbeschwerde hinsichtlich einer "psychischen Erkrankung" des Mitbeteiligten im Sinne einer chronischen Schizophrenie im Hinblick auf seine eigenen diesbezüglichen Angaben nicht gefolgt.

Auch die Annahme der BH zum Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses erachtete der UVS "zumindest als vertretbar", weil der Mitbeteiligte seine Erklärung betreffend die Absicht zur freiwilligen Rückkehr nach Italien schon am nächsten Tag "wieder ins Gegenteil verkehrt" habe. Aus der Erklärung des Mitbeteiligten, keinesfalls nach Italien zurückkehren zu wollen, habe die BH durchaus den Schluss ziehen können, dass eine effektive Abschiebung nur "im Wege begleitender Sicherungsmaßnahmen" bewerkstelligt werden könne.

Trotzdem sah der UVS einen Begründungsmangel darin, dass die BH die nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 140/11 u.a., "primär bzw. absolut" vorrangig gebotene Heranziehung gelinderer Mittel nicht nachvollziehbar verworfen habe. Aus dem Schubhaftbescheid gehe nämlich nicht hervor, dass die BH die Anordnung gelinderer Mittel "überhaupt de facto erwogen" habe. Es fehle daher auch eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage, welches dieser Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das "am ehesten Zielführendste" anzusehen sei, und mit der Frage, weshalb gegenständlich eine derartige "ultima-ratio-Situation" vorliege, dass nicht mit gelinderen Mitteln, sondern nur mit einer Schubhaftverhängung das Auslangen habe gefunden werden können.

5.2. Die BH hat in ihrem Bescheid vom den angenommenen, die Schubhaft notwendig machenden Sicherungsbedarf und das damit zusammenhänge Nichtgenügen der Anordnung gelinderer Mittel vor allem mit dem bisherigen Verhalten des Mitbeteiligten (illegale Reisebewegungen, Aufenthalte in mehreren anderen europäischen Staaten, Asylantragstellungen in der Schweiz und in Österreich, illegale Einreise nach Österreich trotz kurz zuvor erfolgter zweimaliger Zurückschiebung nach Italien, vorherige Vernichtung der Reise- und Identitätspapiere, endgültiges Reiseziel Frankreich mit dort bestehender Familienanbindung) und mit seiner ausdrücklich erklärten Ablehnung einer Rückkehr nach Italien am Tag der Erlassung der durchsetzbaren Ausweisung (nach zuvor deponierter Absicht zur freiwilligen Rückkehr) in Verbindung mit der nunmehrigen Kenntnis von der antragszurückweisenden Asylentscheidung und von der durchsetzbaren Ausweisung nach Italien sowie mit der zeitnah bevorstehenden Abschiebung begründet. Unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung führte die BH - neben der Gefahr der illegalen Beschaffung der Unterhaltsmittel - noch die sehr große Gefahr, dass mangels fristgerechter Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat letztlich Österreich für die inhaltliche Prüfung des vom Mitbeteiligten gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig werden könnte, ins Treffen.

5.3.1. Diese Begründungselemente im Schubhaftbescheid lassen sich - entgegen der Meinung des belangten UVS - nicht nur als "rudimentärer Hinweis" auf ein massiv erschüttertes Vertrauensverhältnis und auf die zuletzt angesprochenen Gefahren reduzieren. Vielmehr hat die BH in die Beurteilung der Größe des Sicherungsbedarfs nicht nur die Erklärungen des Mitbeteiligten in Bezug auf eine fehlende Rückkehrbereitschaft nach Italien, sondern vor allem auch sein gesamtes bisheriges Verhalten einbezogen. Dabei wurde zu Recht unterstellt, dass im Hinblick auf das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung in den für die Asylantragsprüfung zuständigen Staat und die deshalb anzunehmende Verwirklichung des Tatbestandes der ersten Alternative des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG grundsätzlich von einem Sicherungsbedarf auszugehen sei und in diesem Verfahrensstadium weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung und Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung genügen (vgl. oben Punkt 2.2.2.). Angesichts dessen durfte die BH vor dem Hintergrund der von ihr insgesamt ins Treffen geführten Umstände im vorliegenden Fall jedenfalls annehmen, der Bedarf an der Sicherung der Abschiebung des Mitbeteiligten sei so gewichtig, dass er nicht nur die Anordnung gelinderer Mittel, sondern auch die Anhaltung in Schubhaft rechtfertige. Das zeigt die Amtsbeschwerde zu Recht auf.

5.3.2. Nach dem Inhalt der Begründung des Schubhaftbescheides kann aber auch nicht gesagt werden, daraus gehe nicht hervor, dass die BH die Anordnung gelinderer Mittel "überhaupt de facto erwogen" habe. Vielmehr hat die BH - wie sich aus der einleitend wiedergegebenen Darstellung ergibt - ausreichend dargetan, dass der aus den erwähnten Umständen ableitbare Sicherungsbedarf die Verhängung von Schubhaft notwendig mache. In der hier gegebenen Konstellation von Schubhaft nach einem der Tatbestände des Abs. 2a des § 76 FPG wären aber gelindere Mittel nur dann anzuordnen gewesen, wenn Schubhaft mangels ausreichenden Sicherungsbedarfs nicht gerechtfertigt gewesen wäre (siehe oben Punkt 2.4.). Auf diesen Umstand hat die BH in ihrer Begründung auch zu Recht verwiesen. Es kann somit auch - anders als der UVS meint - nicht unterstellt werden, die BH habe offenbar die dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom "zugrunde liegende Prioritätensetzung" verkannt. Auch das macht die Amtsbeschwerde zutreffend geltend.

5.3.3. Den maßgeblichen Begründungsmangel sah der UVS - wie auch aus der Gegenschrift deutlich wird - diesbezüglich darin, dass die BH eine fallbezogene und auf entsprechenden Belegen fußende Auseinandersetzung mit der Frage unterlassen habe, welches dieser gelinderen Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als das im vorliegenden Fall "am ehesten Zielführendste" anzusehen sei und weshalb nicht mit der Anordnung dieses gelinderen Mittels, sondern nur mit Schubhaft das Auslangen habe gefunden werden können. Diese Überlegung scheint zu unterstellen, dass eine mängelfreie Begründung eines Schubhaftbescheides nur dann gegeben sei, wenn alle fallbezogen eventuell in Betracht kommenden gelinderen Mittel erörtert werden und jeweils im Einzelnen dargestellt wird, weshalb deren Anordnung im konkreten Fall nicht genügt.

5.3.4. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Vielmehr hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, ob die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung ausreichend begründet wurde. Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Z. 2006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom , Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird.

Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht entscheidend auf die Reihenfolge der Anführung der einzelnen Begründungselemente ankommt, weil die Fragen der Notwendigkeit von Schubhaft und des Genügens von gelinderen Mitteln in einem wechselseitigen Verhältnis stehen und ihre Beantwortung letztlich immer das Ergebnis der einzelfallbezogenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen ist. Es muss sich nur aus der Begründung des Schubhaftbescheides nachvollziehbar ergeben, dass nach Herstellung einer Relation zwischen der Größe des Sicherungsbedarfs und den entgegenstehenden privaten Interessen die Verhängung von Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

5.4. Aus dem Gesagten folgt, dass der belangte UVS die Begründung des Schubhaftbescheides der BH vom jedenfalls in Bezug auf die von ihm bemängelten Gesichtspunkte für ausreichend hätte ansehen müssen und demzufolge die darauf gegründete Anhaltung des Mitbeteiligten nicht aus den von ihm herangezogenen Gründen als rechtswidrig hätte qualifizieren dürfen.

5.5. Der nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG vorzunehmende Fortsetzungsausspruch ist aber schon deswegen rechtswidrig, weil der belangte UVS, wie oben unter Punkt 4.2. näher dargestellt, diesbezüglich eine eigene inhaltliche Prüfung hätte vornehmen müssen.

6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Gleiches gilt für die damit zusammenhängende und im angefochtenen Bescheid auch getroffene Kostenentscheidung.

Wien, am