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VwGH vom 15.06.2010, 2009/05/0124

VwGH vom 15.06.2010, 2009/05/0124

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/05/0125 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Dipl. Ing. G S in Wien, vertreten durch Mag. Wolfgang Kräutler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 12/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/A/53/5199/2008-3, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, untersagte mit Bescheid vom die Fortführung der auf einer näher bezeichneten Liegenschaft begonnenen Bauführung (Aufstellen von Stahlcontainern auf dem Dachgeschoss eines bewilligten Gebäudes zur Errichtung einer Lüftungsanlage), da diese Bauführung ohne dafür erforderliche Bewilligung erfolge. Dieser Bescheid erging an die A Gesellschaft m.b.H. als "Bauherrin", an die U Hochbau als "Bauführer" und an die B GmbH als Grundeigentümerin.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hielt dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom vor, er habe es

"als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der A

Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in ... zu verantworten, dass diese,

welche die Eigentümerin der Baulichkeit in ... ist, in der Zeit

von bis als Bauherr entgegen der Vorschrift des § 60 Abs. 1 lit. a der Wr. Bauordnung Arbeiten zur Errichtung von Stahlcontainern auf dem Dachgeschoss zur Herstellung einer Lüftungsanlage für das Büro- und Geschäftsgebäude durchführen ließ, ohne dass ein rechtskräftiger Baubewilligungsbescheid (§ 70a Wr. Bauordnung) hiefür vorlag oder eine Einreichung gemäß § 70a Wr. Bauordnung erfolgte und nach vollständiger Vorlage der Unterlagen drei Monate verstrichen sind, ohne dass ein baubehördlicher Unterlassungsbescheid erlassen worden ist".

Er habe daher eine Übertretung gemäß § 135 Abs. 1 Bauordnung für Wien iVm § 60 Abs. 1 lit. a leg. cit. begangen.

In seiner Rechtfertigung führte der Beschwerdeführer aus, dass die A GmbH der Behörde die U Hochbau mit Eingabe vom als Bauführer bekannt gegeben habe. Weiters sei die A GmbH nicht Bauherrin; dies sei vielmehr die Eigentümerin des Grundstückes, nämlich die B GmbH.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 21. Bezirk, vom wurde dem Beschwerdeführer wegen der ihm vorgeworfenen Tat eine Verletzung des § 135 Abs. 1 Bauordnung für Wien in Verbindung mit § 60 Abs. 1a leg. cit. zur Last gelegt. Über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 890,- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage und 8 Stunden) verhängt.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. In der von der belangten Behörde durchgeführten Berufungsverhandlung legte er unter anderem die Bauführerbekanntgabe vor. Weiters wurde das mit dem bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte Bauansuchen für die Errichtung einer Be- und Entlüftungsanlage und Kühlanlage des Bürogebäudes auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft gemäß § 61 Bauordnung für Wien vorgelegt, in welchem ebenfalls die A Gesellschaft m.b.H als Bauwerberin aufscheint, sowie der diesbezügliche Bewilligungsbescheid, datiert mit dem .

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers insoweit Folge, als die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Freiheitsstrafe von 6 Tagen und 8 Stunden auf 2 Tage herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die bis zur Zitierung der verletzten Norm angeführten Spruchteile in folgender Weise neu gefasst wurden:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen

Berufener der A Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in ... zu

verantworten, dass diese in W. ..., in der Zeit von bis als Bauherr Arbeiten zur Errichtung von Stahlcontainern auf dem Dachgeschoss zur Herstellung einer Lüftungsanlage für das Büro- und Geschäftsgebäude durchführen ließ, ohne dass für diese Anlage vorher eine Bewilligung erwirkt worden wäre.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 61 Bauordnung für Wien, LGBl. f. Wien Nr. 11/1930, in der Fassung d LGBl. f Wien Nr. 42/2007".

Begründend führte die belangte Behörde darin aus, dass im Zuge des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens die Durchführung von Arbeiten zur Errichtung einer Lüftungsanlage nie bestritten worden sei. Im vorliegenden Fall wäre eine Bewilligung nach § 61 Bauordnung für Wien erforderlich gewesen, diese sei jedoch nicht eingeholt worden, es handle sich daher um "einen völlig konsenslosen Bau, bei dem auch der Bauherr als unmittelbarer Täter zur Verantwortung zu ziehen" sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und - in eventu - Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem "gesetzlich gewährleisteten Recht nicht nach den Bestimmungen der §§ 135 Abs. 1 iVm 61 Wr Bauordnung bestraft zu werden", verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand, beantragte aber für den Fall der Abweisung Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall kam die belangte Behörde - entgegen der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde - zu dem Ergebnis, die gegenständliche Lüftungsanlage bedürfe einer Bewilligung nach § 61 Bauordnung für Wien. Da diese Bewilligung vor dem Tatzeitraum nicht eingeholt worden sei, handle es sich um einen "völlig konsenslosen Bau", für den auch der Bauherr (verwaltungsstrafrechtlich) verantwortlich sei. Es sei nicht rechtswidrig, wenn die Behörde das Verhalten des Beschuldigten im Straferkenntnis einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstelle als noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung bzw. die Berufungsbehörde eine andere rechtliche Qualifikation dieses Tatgeschehens als die erste Instanz vornehme, sofern es sich um ein und dasselbe Verhalten handle, also Identität der Tat vorliege.

Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde aus, es handle sich im vorliegenden Fall allenfalls um eine Übertretung einer bestehenden Bewilligung, für die der gemäß § 124 Abs. 1 BO bestellte Bauführer im Sinn der Bestimmung des § 125 Abs. 1 lit. a leg. cit. hafte.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien ist bei Neu-, Zu- und Umbauten, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Baubeginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken. Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. c Bauordnung für Wien sind u. a. Änderungen oder Instandsetzungen von Bauwerken, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwindungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Bauwerks.

Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0251, hat der Verwaltungsgerichtshof näher begründet ausgeführt, dass die Errichtung einer Lüftungsanlage, wie sie auch dem Beschwerdefall zu Grunde liegt, jedenfalls bewilligungspflichtig im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c Bauordnung für Wien ist.

Zwar handelt es sich bei der gegenständlichen Lüftungsanlage (auch) um eine Anlage im Sinn des § 61 leg. cit. Das Aufstellen der für die Unterbringung der Lüftungsanlage erforderlichen Container auf dem Dach des bewilligten Gebäudes erweist sich jedoch als Errichtung einer mit dem bestehenden Gebäude verbundenen baulichen Anlage, die zur Bewilligungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 lit. c Bauordnung für Wien führt, da dadurch jedenfalls eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes bewirkt wird. Container der hier zu beurteilenden Art sind bauliche Anlagen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0262).

Eine Anlage im Sinne des § 61 Bauordnung für Wien bedarf aber keiner Baubewilligung nach dieser Gesetzesstelle; soweit sie im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c Bauordnung für Wien bewilligungspflichtig ist (vgl. Moritz , BauO für Wien4, (2009), Anm. zu § 61 Bauordnung für Wien, Seite 160).

Es kam daher im vorliegenden Fall durch das Aufstellen der Container auf dem Dach zu einer Überschreitung der bestehenden Baubewilligung.

Für bewilligungspflichtige Bauführungen nach § 60 Bauordnung für Wien hat sich der Bauwerber gemäß § 124 Abs. 1 leg. cit. eines Bauführers zu bedienen.

Im Beschwerdefall hatte die ARWAG Bauträger Gesellschaft m. b.H. mit Schreiben vom der erstinstanzlichen Behörde einen Bauführer für die Ausführung des bewilligten Gebäudes bekannt gegeben.

Die Verantwortlichkeit bei der Bauausführung normiert § 125 Bauordnung für Wien wie folgt:

(1) Bei der Bauausführung sind verantwortlich:

a) für die Einhaltung der Baupläne, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, sowie aller Auflagen der Baubewilligung, für die werksgerechte Bauausführung, für die Tauglichkeit der verwendeten Baustoffe und Konstruktionen sowie überhaupt für die Einhaltung aller auf die Bauführung Bezug habenden Vorschriften dieses Gesetzes, seiner Nebengesetze und der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Verordnungen der Bauführer;

b) falls die Bauführung mehreren, unter der Leitung des Bauführers selbstständig tätigen Bauausführenden obliegt, neben dem Bauführer für die Verwendung der den Plänen und den Berechnungen zu Grunde gelegten Baustoffe sowie für die bewilligungs- und bauordnungsgemäße Ausführung auch der jeweilige Bauausführende.

(2) Die Verantwortlichkeit nach Abs. 1 wird durch die behördliche Bewilligung und die behördlichen Überprüfungen nicht berührt. Wenn sich im Zuge der Bauausführung ergibt, dass bei Einhaltung des Bauplanes, der nach diesem Gesetz ausgeführt werden darf, oder der Auflagen der Baubewiligung eine Abweichung von den Bauvorschriften entsteht, sind der Bauführer, die selbstständig tätigen Bauausführenden und der Prüfingenieur (§ 127 Abs. 3) verpflichtet, dies der Behörde unverzüglich zu melden. Überdies ist der Prüfingenieur verpflichtet, der Behörde zu melden, wenn im Zuge der Bauausführung von den Bauplänen, die nach diesem Gesetz ausgeführt werden dürfen, in einer solchen Art oder in solchem Umfang abgewichen wird, dass die Abweichung über ein bewilligungsfreies Bauvorhaben hinausgeht, oder bei der Bauausführung nicht entsprechende Baustoffe verwendet oder entsprechende Baustoffe unfachgemäß verwendet werden oder Konstruktionen mangelhaft ausgeführt werden (§ 127 Abs. 8).

(3) Für nachträglich verfasste Berechnungen und die zugehörigen Detailpläne, die dem Baubewilligungsverfahren noch nicht zu Grunde gelegen waren, gelten die Bestimmungen des § 65 sinngemäß.

(4) Die Verpflichtungen des Bauwerbers und des Eigentümers (aller Miteigentümer) der Liegenschaft bleiben unberührt."

Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0091, VwSlg. Nr. 16.915/A, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Verantwortlichkeit des Bauführers und des Bauwerbers während der Bauausführung ausgeführt:

"Wenn entsprechend der BO ein Bauführer bestellt wurde und bei der Bauführung Abweichungen von einem bewilligten Plan vorkommen, ist dafür der Bauführer verantwortlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/05/0024). ...

Handelt es sich hingegen um die Durchführung von Baumaßnahmen, ohne dass zuvor ein Bauführer bestellt worden ist, liegt die Verantwortung beim Bauwerber bzw. beim Bauherrn (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/05/0048, vom , Zl. 94/05/0245, und vom , Zl. 96/05/0282). Dieser haftet dann gegebenenfalls nicht nur wegen der Durchführung von Bauarbeiten ohne entsprechende Baubewilligung, sondern auch wegen Unterlassung der Bestellung eines verantwortlichen Bauführers (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/05/0050; das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0253, verweist zwar auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , doch waren die diesbezüglichen Ausführungen für die Behebung des dort angefochtenen Bescheides nicht tragend).

Die belangte Behörde verkannte somit, dass dann, wenn ein Bauführer gemäß den Bestimmungen der BO bestellt ist und bei der Baudurchführung von einer vorhandenen Baubewilligung abgewichen wird, dafür der Bauführer und nicht der Bauherr als unmittelbarer Täter zur Verantwortung zu ziehen ist."

Diese Rechtsprechung, von der abzugehen der Beschwerdefall keinen Anlass bietet, hat die belangte Behörde nicht beachtet, weshalb sie ihre Entscheidung mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am