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VwGH vom 18.04.2013, 2013/21/0001

VwGH vom 18.04.2013, 2013/21/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der WH in G, vertreten durch Mag. Franz Waldl, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Edisonstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-750053/3/BP/WU, betreffend Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, gemäß ihren Angaben eine Staatsangehörige der Volksrepublik China und im Jänner 2011 nach Österreich eingereist, stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch im Jänner 2011 wies das Bundesasylamt diesen Antrag vollinhaltlich ab und verfügte die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach § 10 AsylG 2005. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof keine Folge. Sein Erkenntnis erwuchs mit in Rechtskraft.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom wurde die Beschwerdeführerin in der Folge für schuldig erkannt, sie halte sich seit an einer näher genannten Anschrift nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, weil sie weder über einen gültigen Einreisetitel noch über ein sonstiges - näher umschriebenes - Aufenthaltsrecht verfüge. Sie habe dadurch § 120 Abs. 1a iVm § 31 Abs. 1 FPG verletzt und werde deshalb gemäß § 120 Abs. 1a FPG zu einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 134 Stunden) verurteilt.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom mit der Maßgabe statt, dass die verhängte Geldstrafe auf EUR 500,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 67 Stunden herabgesetzt wurden (außerdem wurde der erstinstanzlich festgesetzte Beitrag zu den Kosten des Verfahrens reduziert).

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin wurde wegen Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG bestraft. Diese Bestimmung sowie die darauf Bezug nehmende Anordnung des § 120 Abs. 5 FPG lauten wie folgt:

"Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt

§ 120. (1) …

(1a) Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

(2) - (4) …

(5) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1a liegt nicht vor,

1. wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§ 50) ist;


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2.
solange der Fremde geduldet ist (§ 46a),
3.
im Fall des Aufenthalts eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ohne Visum,
4.
solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist oder
5.
während der Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §§ 55 oder 55a.

(6) - (10) …"

1. Die das Asylverfahren der Beschwerdeführerin beendende Entscheidung des Asylgerichtshofs erwuchs am in Rechtskraft. (Erst) damit wurde die schon erstinstanzlich verfügte asylrechtliche Ausweisung der Beschwerdeführerin nach § 10 AsylG 2005 durchsetzbar.

Wird eine - asylrechtliche - Ausweisung durchsetzbar, so gilt sie gemäß § 10 Abs. 7 AsylG 2005 als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG, und der Fremde hat dann binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise - so der zweite Satz des § 10 Abs. 7 AsylG 2005 - besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 AsylG 2005 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

§ 10 Abs. 8 AsylG 2005 normiert weiter, dass der Fremde mit Erlassung der Ausweisung über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen ist.

2. Der in § 10 Abs. 8 AsylG 2005 angesprochene § 55a FPG sowie der dieser Bestimmung vorangehende § 55 FPG - beide Normen ebenso wie § 10 Abs. 7 und 8 AsylG 2005 durch das FrÄG 2011 neu geschaffen bzw. neu formuliert - sehen Folgendes vor:

"Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Erlassung des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer von der Behörde vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

Frist für die freiwillige Ausreise

nach einer asylrechtlichen Entscheidung

§ 55a. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Entscheidung gemäß § 10 AsylG 2005 durchsetzbar wird und der binnen einer Frist von 14 Tagen auszureisen hat, kann auf Antrag einmalig eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt werden, wenn er besondere Umstände, die eine Verlängerung der Frist notwendig machen, nachweist und zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntgibt.

…"

Der zitierte § 55a Abs. 1 FPG spricht ausdrücklich - unter Bezugnahme auf die in § 10 Abs. 7 AsylG 2005 vorgesehene 14-tägige Frist - von der Möglichkeit einer Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise. Insoweit wird auch für asylrechtliche Ausweisungen die dargestellte Regelung des § 55 FPG nachgebildet, die ihrerseits bei Rückkehrentscheidungen nach § 52 FPG ausnahmsweise die Festsetzung einer 14 Tage übersteigenden Frist für die freiwillige Ausreise vorsieht.

Auch auf Grund dieser Parallelität kann nicht zweifelhaft sein, dass umgekehrt die in § 10 Abs. 7 AsylG 2005 grundsätzlich für die freiwillige Ausreise schon von Gesetzes wegen eingeräumte 14-tägige "Basisfrist" dem Wesen nach jener Frist entsprechen soll, die gemäß § 55 FPG im Regelfall als mit einer Rückkehrentscheidung einhergehende Frist für die freiwillige Ausreise festzusetzen ist. Nur eine derartige Sichtweise wird im Übrigen der Anordnung des § 10 Abs. 7 AsylG 2005, wonach eine durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG (§ 52 FPG) gilt, gerecht.

3. Die Beschwerdeführerin wurde wegen Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG bestraft. Gemäß § 120 Abs. 5 Z 5 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1a FPG während der Frist für die freiwillige Ausreise gemäß §§ 55 oder 55a FPG allerdings nicht vor.

Nach dem oben zu Punkt 2. dargelegten Ergebnis (die Frist des § 10 Abs. 7 AsylG 2005 ist der Sache nach als Frist für die freiwillige Ausreise im Sinn des § 55 FPG zu begreifen) kann § 120 Abs. 5 Z 5 FPG nur so verstanden werden, dass auch während der in § 10 Abs. 7 AsylG 2005 vorgesehenen 14-tägigen Frist keine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1a FPG gegeben sein soll. Ein anderes Ergebnis würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wäre es doch nicht einsichtig, dass die nach § 55a FPG verlängerte Frist, nicht jedoch die "Basisfrist" nach § 10 Abs. 7 AsylG 2005 von § 120 Abs. 5 Z 5 FPG erfasst wird. Mit diesem Strafausschließungsgrund soll insgesamt gewährleistet werden, dass die dem Fremden für eine freiwillige Ausreise - unter welchem Titel immer - offen stehende Frist von der Strafbarkeit wegen unrechtmäßigen Aufenthalts ausgenommen bleibt.

4. Mit dem gegenständlichen Bescheid wird der Beschwerdeführerin indes bereits ein unrechtmäßiger Aufenthalt ab und damit unmittelbar ab Eintritt der Durchsetzbarkeit der asylrechtlichen Ausweisung bzw. auch während der der Beschwerdeführerin offen stehenden 14-tägigen Frist für eine freiwillige Ausreise - dass ein Fall vorliege, in dem diese Frist nicht bestehe, ist nicht zu sehen - zum Vorwurf gemacht. Das belastet diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts, weshalb er - ohne dass auf die in der Beschwerde relevierte Frage der Vorwerfbarkeit des der Beschwerdeführerin angelasteten Verhaltens eingegangen werden müsste - schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am