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VwGH vom 25.04.2013, 2013/18/0073

VwGH vom 25.04.2013, 2013/18/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des T, vertreten durch Dr. Peter Zawodsky, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 71/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/14.745/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im November 2003 illegal nach Österreich ein, wo er einen Asylantrag stellte. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen. Seine dagegen erhobene Berufung zog der Beschwerdeführer zurück, nachdem er am die österreichische Staatsbürgerin Rabiye A. geheiratet hatte. Unter Berufung auf diese Ehe beantragte er in der Folge die Erteilung eines Aufenthaltstitels "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG".

Diese Ehe des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom rechtskräftig geschieden.

Am heiratete der Beschwerdeführer - ausweislich des vorgelegten Verwaltungsakts (siehe Blatt 268) - die österreichische Staatsbürgerin Gülsen Y. (nunmehr: Gülsen U.).

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer wegen Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Die belangte Behörde begründete dies nach Darstellung der Erhebungsergebnisse und beweiswürdigenden Erwägungen im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin Rabiye A. nur deshalb geschlossen habe, um sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe zu berufen, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Die belangte Behörde sah deshalb den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG als erfüllt an und führte ferner aus, dass der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte die Erlassung des Aufenthaltsverbots rechtfertige.

Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte die belangte Behörde den mehr als sechsjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und die im Bundesgebiet bestehenden familiären Bindungen zu seiner "Lebensgefährtin" Gülsen Y. und dem gemeinsamen Sohn, die beide über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügten. Weiters befänden sich ein Onkel und zwei Cousins in Österreich. Den mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erachtete die belangte Behörde zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und damit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele für dringend geboten. Mangels besonderer Umstände - so führte die belangte Behörde weiter aus - könne auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden. Die Dauer des Aufenthaltsverbots begründete sie abschließend näher damit, dass vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums (von zehn Jahren) ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes nicht erwartet werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Februar 2010) geltende Fassung, nämlich BGBl. I Nr. 135/2009.

Die Beschwerde, die auch das Vorliegen einer Scheinehe bestreitet, bringt vor, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit über sechs Jahren in Österreich befinde und nun mit der österreichischen Staatsbürgerin Gülsen U. verheiratet sei, mit der er einen am geborenen gemeinsamen Sohn habe. Mit den deshalb bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots heranzuziehenden Kriterien des § 86 Abs. 1 FPG habe sich die belangte Behörde jedoch überhaupt nicht beschäftigt.

Die Beschwerde zeigt damit im Ergebnis eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, die vorrangig aufzugreifen ist.

Der Beschwerdeführer ist infolge seiner Eheschließung mit Gülsen U. Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Beurteilung, ob die Annahme im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, dürfen Änderungen, die gegen den Fortbestand einer Gefährdungsprognose sprechen, nicht ausgeklammert werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0455, mwN).

Indem die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf § 60 FPG gestützt hat, hat sie den dargestellten gebotenen Prüfungsmaßstab verkannt. Vor allem aber hätte die belangte Behörde in diesem Zusammenhang berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer nach der Scheidung der von der belangten Behörde als "Aufenthaltsehe" qualifizierten Ehe im Juni 2009 bei Erlassung des angefochtenen Bescheides mit der - von der belangten Behörde als Lebensgefährtin bezeichneten - österreichischen Staatsbürgerin Gülsen U. verheiratet ist, mit der er auch ein gemeinsames Kind hat. Zwischen diesen Personen besteht nach den Feststellungen der belangten Behörde ein gemeinsames Familienleben.

Der angefochtene Bescheid war somit schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-87607