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VwGH vom 15.06.2010, 2009/05/0111

VwGH vom 15.06.2010, 2009/05/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Ing. G L in Wien, vertreten durch Mag. Christian Haas, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-555/08, betreffend Bauauftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.302,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der in der EZ 732 KG Dornbach eingetragenen Kleingartenparzelle Nr. 46 der Kleingartenanlage Predigtstuhl.

Bei einer an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung am wurde von einem sachverständigen Organ der Baubehörde erster Instanz festgestellt, dass auf dieser Parzelle das Dachgeschoss des Kleingartenwohnhauses an der Nordfassade um einen auskragenden Gebäudeteil (Zubau) im Ausmaß von 1,50 m x 5,10 m x 2,80 m erweitert worden sei, ohne die hierfür notwendige baubehördliche Bewilligung erwirkt zu haben.

Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (BO) der Bauauftrag erteilt:

"Der im Dachgeschoss des Kleingartenwohnhauses an der Nordfassade auskragende Gebäudeteil im Ausmaß von 1,50 m x 5,10 m x 2,70 m ist abtragen zu lassen und ist die Außenmauer des Erdgeschosses hoch zuführen um das Kleingartenwohnhaus im Dachgeschoss zu schließen.

Die Maßnahmen sind binnen 10 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Wortfolge "im Ausmaß von 1,50 m x 5,10 m x 2,70 m", die Wortfolge "im Ausmaß von 1,50 m x 5,10 m x 2,80 m" treten solle. Als entscheidungswesentlich erachtete die belangte Behörde, dass nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für die verfahrensgegenständliche Kleingartenanlage, einschließlich der Parzelle 46, die Widmung "Gründland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" festgesetzt und daher das Wiener Kleingartengesetz 1996 (WKlG 1996) anzuwenden sei. Die vom bautechnischen Amtssachverständigen getroffenen und im Bescheid wiedergegebenen Feststellungen, das Dachgeschoss des auf der verfahrensgegenständlichen Parzelle errichteten Kleingartenwohnhauses sei an der Nordfassade um einen Zubau in Form eines auskragenden Gebäudeteiles im festgestellten Ausmaß ohne die hiefür erforderliche Bewilligung erweitert worden, seien unbestritten geblieben. Durch diese Baumaßnahme sei ein zusätzlicher Raum geschaffen worden, der einen bewilligungspflichtigen Zubau im Sinn des § 8 Abs. 1 WKlG 1996 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a BO darstelle und für den eine baubehördliche Bewilligung gemäß § 8 WKlG 1996 bisher nicht erwirkt worden sei. Bei dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Widerspruch zwischen Spruch und Begründung im erstinstanzlichen Bescheid habe es sich um einen Schreibfehler gehandelt, der nunmehr berichtigt worden sei. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass kein vorschriftswidriger Bau vorliege, da es sich bei dem auskragenden Gebäudeteil um einen Erker handle, welcher der bebauten Fläche nicht zurechenbar sei, die Nutzfläche sowie die Bruttogeschossfläche des Obergeschosses unter 50 m2 liege und auch die im Zeitpunkt der Einreichung zulässige Gesamtkubatur von 250 m3 eingehalten werde, jedoch über das bereits eingereichte Ansuchen um Bewilligung noch nicht abgesprochen worden sei, sei auszuführen, dass im baupolizeilichen Abtragungsverfahren nicht zu prüfen sei, ob die Möglichkeit der Erwirkung einer nachträglichen Bewilligung bestehe. Entscheidend sei, dass ein vorschriftswidriger Bau vorliege, für den eine nachträgliche Bewilligung (noch) nicht erteilt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom , B 442/09-3, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner vom Verwaltungsgerichtshof aufgetragenen Beschwerdeergänzung machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er werde durch den angefochtenen Bescheid in seinem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichtbeseitigung des im Dachgeschoss seines Kleingartenwohnhauses an der Nordfasssade auskragenden Gebäudeteils mit Ausmaß von 1,50 m x 5,10 m x 2,80 m und der Nichterlassung eines Beseitigungsauftrages nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien" verletzt. Die belangte Behörde habe sich nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, dass es sich bei der von der belangten Behörde fälschlich als "Zubau" gewerteten Bauführung um einen Erker handle und die Errichtung von Erkern nach der BO bewilligungsfrei erfolgen könne. Zum Zeitpunkt der Einreichung am und der Bauführung ab habe das WKlG 1996 keine Regelungen für Erker enthalten, sodass im Bezug auf die verbaute Fläche die BO anzuwenden gewesen sei. Der von der belangten Behörde angenommene bewilligungspflichtige Zubau im Sinn des § 8 Abs. 1 WKlG 1996 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 lit. a BO liege nicht vor. Weiters habe die belangte Behörde unbeachtet gelassen, dass die Nutzfläche und die Bruttogeschossfläche des Obergeschosses trotz des Erkers deutlich unter dem gesetzlichen Maximum von 50 m2 lägen. Die im Zeitpunkt der Einreichung nach § 13 Abs. 2 WKlG 1996 für Kleingartenwohnhäuser zulässige Gesamtkubatur von 250 m3 werde ebenfalls eingehalten und dürfe sogar nach der nunmehr geltenden Rechtslage 265 m3 betragen. Es gehe von dem an der Nordfassade auskragenden Gebäudeteil keinerlei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen aus. Eine wie von § 129 Abs. 10 BO geforderte Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften liege nicht vor.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Das Wiener Gesetz über Kleingärten (WKlG 1996) ist eine Bauvorschrift im Sinn des § 129 Abs. 10 BO (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0133).

Die gegenständliche Kleingartenparzelle des Beschwerdeführers befindet sich in einer als "Grünland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" gewidmeten Fläche, auf die das WKlG 1996 Anwendung findet.

Gemäß § 8 Abs. 1 WKlG 1996 ist für Neu-, Zu- und Umbauten von im "Grünland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet" liegenden Kleingartenwohnhäusern eine Baubewilligung erforderlich.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO sind Zubauten alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben.

Auf Grund der Feststellungen der Behörde, welche sich auf die unbedenklichen Aussagen des bautechnischen Sachverständigen beziehen und auch durch die in den Verwaltungsakten befindlichen und durch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos gedeckt sind, kam es durch die baubehördlich nicht bewilligte Ausführung des im Bauauftrag umschriebenen auskragenden Gebäudeteiles zu einer Vergrößerung der Kubatur des konsentierten Gebäudes, weshalb die vorgenommene Maßnahme als Zubau im Sinn der zitierten gesetzlichen Regelung zu qualifizieren ist (vgl. hiezu auch Moritz , Bauordnung für Wien4, (2009), Seite 153). Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nicht bestritten, dass für die vorgenommene Baumaßnahme keine Baubewilligung vorliegt. Ob der Zubau als Erker zu qualifizieren wäre und in die bebaute Fläche einzurechnen wäre (siehe § 12 Abs. 5 WKlG 1996), kann dahingestellt bleiben, weil eine bauliche Maßnahme der vorliegenden Art jedenfalls bewilligungspflichtig ist.

Im Verfahren zur Erteilung eines Auftrages nach § 129 Abs. 10 BO ist nicht zu prüfen, ob die vom Bauauftrag betroffene Maßnahme konsensfähig wäre, weshalb auch kein Alternativauftrag zur Beantragung einer nachträglichen Baubewilligung möglich ist. Ein Beseitigungsauftrag nach § 129 Abs. 10 BO wäre selbst dann zulässig, wenn ein Verfahren betreffend eine nachträgliche Baubewilligung anhängig ist. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Baues ist in einem Auftragsverfahren nach § 129 Abs. 10 BO nicht zu prüfen (siehe die bei Moritz , Bauordnung für Wien4, (2009), Seite 325, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Die Ladung zur Verhandlung am wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt, sodass zur Vorbereitung ausreichend Zeit zur Verfügung stand. Der diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Der gegenständliche Bauauftrag wurde daher zu Recht erteilt.

Die behauptete Rechtsverletzung liegt sohin nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am