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VwGH vom 18.06.2013, 2013/18/0062

VwGH vom 18.06.2013, 2013/18/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des PT in W, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/402.886/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, hält sich seit August 1990 durchgehend im Bundesgebiet auf. Seit ist ihm ein Niederlassungsnachweis - nunmehr:

"Daueraufenthalt - EG" - verliehen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 und § 148 zweiter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit vier Mittätern in mehreren österreichischen Orten Angestellte verschiedener Bankinstitute gewerbsmäßig überwiegend unter Verwendung falscher Urkunden zur Auszahlung von Kreditbeträgen, zur Überziehung extra dafür eingerichteter Konten und zur Ausfolgung von Bargeld verleitete, indem er gefälschte Kreditunterlagen übernahm, einen Mittäter mit weiteren Urkundenfälschungen beauftragte und in Kenntnis der Fälschungen diese Unterlagen über einen gutgläubigen Angestellten eines Finanzdienstleisters bei einer Bank einreichen ließ und so zwischen Juli 2005 und Februar 2006 in zwölf Fällen Beträge von insgesamt etwa EUR 410.000,-- herauslockte.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Nach Darstellung der strafgerichtlichen Verurteilung und der dieser zugrunde liegenden Straftaten führte die belangte Behörde in ihrer Begründung rechtlich aus, dass im Hinblick auf den dem Beschwerdeführer erteilten Niederlassungsnachweis, der nach § 11 NAG-DV als "Daueraufenthalt - EG" weiter gelte, § 56 FPG anzuwenden sei. Die Verurteilung des Beschwerdeführers erfülle einerseits den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG; das der Verurteilung zugrunde liegende Verhalten lasse aber auch die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere dem Schutz fremden Eigentums und des Vermögens Dritter sowie der Verhinderung strafbarer Handlungen, zuwiderlaufe.

Der Beschwerdeführer, der bereits monatsweise zwischen Juli 1977 und 1989 im Bundesgebiet gemeldet gewesen sei, halte sich seit 1990/1991 wieder legal in Österreich auf. Er sei geschieden und ohne Sorgepflichten. Seit 2004 habe er bis zur Verhängung der Untersuchungshaft über ihn in einer Lebensgemeinschaft mit einer serbischen Staatsangehörigen gelebt, die ebenfalls über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfüge. Darüber hinaus würden familiäre Beziehungen zu einem Neffen und zwei Nichten bestehen. Davon ausgehend - so führte die belangte Behörde weiter aus - sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen, durchaus massiven Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 FPG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Eigentumskriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots nämlich zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Nach den Entscheidungsgründen des Strafurteils sei der Beschwerdeführer beschäftigungs- und vermögenlos und beziehe Notstandshilfe. Er weise EUR 140.000,-- Schulden auf und sei im Rahmen einer Tätergruppe in Erscheinung getreten, deren professionelle Vorgangsweise sich auch darin gezeigt habe, dass auf die Konten der Kreditwerber Löhne eingezahlt worden seien, um bei den Banken keinen Verdacht zu erregen. Die Tathandlungen seien wissentlich und mit der Absicht gesetzt worden, sich durch die wiederkehrende Begehung (auch) schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Auch wenn es sich um die erste Verurteilung des Beschwerdeführers handle, offenbare das von ihm gesetzte Fehlverhalten eine erhebliche kriminelle Energie und zeige, dass er bereit gewesen sei, seiner Einkommenslosigkeit und seinen hohen Schulden durch das Begehen von Straftaten gegen fremdes Vermögen entgegenzuwirken. Dieses Verhalten verdeutliche seine erhebliche Gefährlichkeit für fremdes Vermögen. Eine Verhaltensprognose zu Gunsten des Beschwerdeführers sei wegen seines gewerbsmäßigen Vorgehens, der Vielzahl der Angriffe, der Schwere der Tathandlungen und dem relativ kurzen Zeitraum seit der Tatbegehung keinesfalls - auch nicht bezogen auf den in der Zukunft liegenden Zeitpunkt seiner voraussichtlichen Haftentlassung (mit ) - möglich.

Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts und den familiären Bindungen des Beschwerdeführers ableitbare Integration sei schon insofern als erheblich relativiert anzusehen, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein schweres strafbares Verhalten massiv beeinträchtigt werde. Der Beschwerdeführer sei seit Jahren nicht mehr am heimischen Arbeitsmarkt integriert und beziehe seit Jänner 2007 durchgehend Arbeitslosen- und Krankengeld sowie Notstandshilfe, sodass eine Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben sei. Auch seine Lebensgefährtin lebe seit Jahren allein von Arbeitslosenunterstützung, Krankengeld bzw. Notstandshilfe. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei den familiären Beziehungen zu seinem Neffen und den Nichten um übliche verwandtschaftliche Bindungen unter volljährigen Seitenverwandten handle, sei doch weder ein gemeinsamer Haushalt mit diesen, noch ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis behauptet worden. Diese Bindungen des Beschwerdeführers könnten seine Interessen an einem Verbleib aber auch deshalb nicht entscheidend verstärken, zumal auch diese ihn nicht davon abgehalten hätten, massiv straffällig zu werden. Eine Trennung von den genannten Personen sei daher im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Trotz des mittlerweile langjährigen Aufenthalts in Österreich habe der Beschwerdeführer einen großen Teil seines Lebens in seinem Herkunftsstaat verbracht, wo er auch seine Schul- und Berufsausbildung absolviert habe. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer nicht in seine Heimat zurückkehren können sollte. Im überwiegenden öffentlichen Interesse habe er die Auswirkungen auf sein Familienleben und etwaige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in seinen Heimatstaat daher zu tragen. Zudem entstammten die im Inland aufhältigen Angehörigen demselben Sprach- und Kulturkreis und es könne ein zumindest eingeschränkter Kontakt auch vom Ausland aus aufrechterhalten werden.

Die belangte Behörde erkannte davon ausgehend ein klares Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Erlassung des Aufenthaltsverbots und fand auch im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens keinen Anlass, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbots begründete die belangte Behörde abschließend näher damit, dass - auch unter Berücksichtigung der Lebenssituation des Beschwerdeführers - ein Wegfall des für die Erlassung maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums erwartet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Mai 2010) geltende Fassung, nämlich BGBl. I Nr. 135/2009.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht u.a. zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Nach § 61 Z 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. Im Wege dieser Bestimmung gelten die Bedingungen des § 56 Abs. 1 FPG nicht nur für Ausweisungen, sondern auch für Aufenthaltsverbote gegen langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0353, mwN).

Gemäß § 56 Abs. 2 Z 1 FPG hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer weist unstrittig die eingangs dargestellte strafgerichtliche Verurteilung auf. Im Hinblick darauf hat er die genannte Alternative des allgemeinen Aufenthaltsverbotstatbestands des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht. Es sind in seinem Fall - wie die belangte Behörde ebenfalls zutreffend bejahte - aber überdies die Bedingungen des (ersten Falles des) § 56 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt, weil der Beschwerdeführer wegen eines Verbrechens (nämlich des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges) rechtskräftig verurteilt worden ist. Dies indiziert jedenfalls, dass vom Beschwerdeführer eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 56 Abs. 1 FPG ausgeht.

Die Beschwerdeausführungen, die das Vorliegen eines in § 56 Abs. 2 FPG genannten Tatbestands bestreiten, sind daher nicht im Recht.

Im Übrigen wendet sich der Beschwerdeführer ausschließlich gegen die von der belangten Behörde zu seinem Nachteil vorgenommene Interessenabwägung. Er hebt unter diesem Gesichtspunkt hervor, dass er sich seit 1990 durchgehend in Österreich aufhalte, schon davor mit Unterbrechungen im Bundesgebiet gemeldet gewesen sei und seit durchgehend über Aufenthaltstitel verfüge. Er lebe seit dem Jahr 2004 in einer Lebensgemeinschaft mit einer serbischen Staatsangehörigen und unterhalte familiäre Beziehungen zu seinem Neffen sowie zu seinen Nichten. Wegen seiner langen Abwesenheit von seinem Heimatstaat und seines hohen Alters würde er sich bei seiner Rückkehr beruflich und sozial nicht mehr integrieren können. Demgegenüber sei er lediglich einmal verurteilt worden und habe sich "über Jahrzehnte" hinweg wohlverhalten. Mit der dreieinhalbjährigen Haftstrafe sei ihm sein Unrecht zur Genüge vor Augen geführt und das auf Verhinderung weiterer Straftaten gerichtete Grundinteresse der Gesellschaft ausreichend erfüllt worden.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters in erster Linie daran zu messen ist, innerhalb welchen Zeitraums er sich in Freiheit nach der Entlassung aus der Haft wohlverhalten hat (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom , mwN). Der Beschwerdeführer befand sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides jedoch noch in Strafhaft, sodass in Anbetracht der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten die belangte Behörde noch keinen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr annehmen musste.

Die weiteren in der Beschwerde vorgebrachten Umstände wurden von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung ohnedies ausreichend berücksichtigt, weshalb sie auch davon ausging, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein "durchaus massiver" Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Anders als der Beschwerdeführer meint, musste die belangte Behörde auf Grund der vorgebrachten Umstände aber nicht zum Ergebnis gelangen, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Sinn des § 66 FPG unverhältnismäßig sei. So ist die familiäre Bindung zum Neffen und den Nichten, die als Seitenverwandte keine Mitglieder der Kernfamilie sind, bereits auf Grund der Volljährigkeit der Beteiligten und der fehlenden Haushaltsgemeinschaft zu relativieren. Mit der belangten Behörde ist weiters festzuhalten, dass auch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers serbische Staatsangehörige ist und ihn daher in den Herkunftsstaat begleiten könnte. Jedenfalls ist aber auch eine allfällige Trennung im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Die Integration des Beschwerdeführers infolge seiner durchaus langen Aufenthaltsdauer ist aber auch dadurch als gemindert anzusehen, als eine berufliche Integration in den heimischen Arbeitsmarkt bereits seit mehreren Jahren nicht mehr gegeben ist.

Die belangte Behörde hat daher auf die aktenkundigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers ausreichend Bedacht genommen. Dem in der Beschwerde in diesem Zusammenhang relevierten Verfahrensmangel fehlt es daher bereits an der erforderlichen Relevanz. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers stellte die belangte Behörde jedoch zu Recht die aus den strafbaren Handlungen resultierende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Straftaten der vorliegenden Art gegenüber. Wenn die belangte Behörde daher zum Ergebnis gelangte, dass das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zur Verhinderung von Eigentumsdelikten - somit zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele - dringend geboten und daher auch zulässig im Sinn des § 66 FPG sei, erweist sich dies nicht als rechtswidrig.

Dass es dem - erst seit seinem 36. Lebensjahr durchgehend in Österreich aufhältigen - Beschwerdeführer, der seine Schul- und Berufsausbildung in seinem Herkunftsstaat absolvierte, trotz der in der Beschwerde vorgebrachten fehlenden Anknüpfungspunkte in seinem Heimatstaat nicht möglich wäre, dort wieder Fuß zu fassen, ist nicht zu erkennen. Allfällige wirtschaftliche Schwierigkeiten bei einem (Wieder )Aufbau einer Existenz im Heimatland sind aber im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Die Beschwerde zeigt schließlich auch keine Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am