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VwGH vom 20.09.2012, 2011/10/0016

VwGH vom 20.09.2012, 2011/10/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der G B in G, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in 7304 Nebersdorf, Lange Gasse 14, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 6-SO-60908966-8/3-2010, betreffend Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft iA. Gewährung von Pflegegeld,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes

1. (Verweigerung der Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet (Abweisung des Antrages auf Gewährung von Pflegegeld) wird sie zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin, einer kroatischen Staatsangehörigen, die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs. 4 Bgld. Pflegegeldgesetz (Bgld. PGG) nicht erteilt (Spruchpunkt 1.) und der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung eines Pflegegeldes gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 lit. a leg. cit. mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen (Spruchpunkt 2.). Begründend führte die belangte Behörde - nach Zitierung des § 3 Abs. 1 Bgld. PGG - wörtlich aus:

"Aufgrund der eingeholten Unterlagen, insbesondere den Erhebungen der Bezirkshauptmannschaft Güssing, Referat für Jugendwohlfahrt und Sozialarbeit vom , kommt die Behörde zur Auffassung, dass die Ablehnung des Pflegegeldes zu keiner sozialen Härte führen wird. Die Gründe für die Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft liegen somit nicht vor."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen.

1. Nach § 1 Bgld. PGG hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

Voraussetzung für die Leistung eines Pflegegeldes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes ist gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 lit. a Bgld. PGG, dass der Anspruchswerber die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 lit. a kann gemäß § 3 Abs. 4 nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint. § 19 Abs. 3 und § 23 Abs. 2 Bgld. PGG sind hiebei nicht anzuwenden.

Gemäß § 3 Abs. 3 Bgld. PGG sind bestimmte Fremde (die Beschwerdeführerin zählt nicht zu dieser Personengruppe) österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

Nach § 19 Abs. 3 Bgld. PGG kann nach Erlassung eines Bescheides nach diesem Gesetz beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht Klage erhoben werden. Gemäß § 23 Abs. 2 Bgld. PGG haben Bescheide auf die Möglichkeit, eine Klage beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht einzubringen, auf die dabei einzuhaltende Frist, die Form der Einbringung und auch das Erfordernis des hinreichend bestimmten Klagebegehrens hinzuweisen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich auf Grund von Bestimmungen in den Pflegegesetzen anderer Bundesländer, die § 3 Abs. 4 Bgld. PGG vergleichbar sind, bereits wiederholt mit der Frage des Vorliegens einer sozialen Härte zu beschäftigen (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/11/0303, vom , Zl. 2006/10/0032, und vom , Zl. 2008/10/0056). Die dort angestellten Erwägungen hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0134, auch auf das Bgld. PGG übertragen und dargelegt, dass unter Bedachtnahme auf den Zweck des Pflegegeldes (§ 1 Bgld. PGG) eine soziale Härte im Sinne des Gesetzes dann anzunehmen ist, wenn der durch das Fehlen der österreichischen Staatsbürgerschaft bedingte Mangel eines Pflegegeldanspruches dazu führen würde, dass der Pflegebedürftige mangels finanzieller Deckung des Pflegemehraufwandes die erforderliche Pflege nicht oder nicht im entsprechenden Umfang erhalten könnte. Diese Beurteilung sei anhand der persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des (fremden) Anspruchswerbers vorzunehmen, wobei es entscheidend auf die Gesamtbeurteilung der erwähnten Verhältnisse ankomme (vgl. zum Bgld. PGG zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0024).

Die belangte Behörde hat keinerlei Feststellungen zu den persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin getroffen und ihre Annahme der mangelnden sozialen Härte nicht näher begründet. Diese Begründungsmängel (Verstoß gegen § 60 AVG) sind wesentlich, weil der Verwaltungsgerichtshof gehindert ist, den angefochtenen Bescheid im Umfang seines Spruchpunktes 1. auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zu prüfen. Auf die umfänglichen Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde kann diesbezüglich nicht Bedacht genommen werden, weil Ausführungen in der Gegenschrift dem angefochtenen Bescheid anhaftende Begründungsmängel nicht zu sanieren vermögen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0007, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seines Spruchpunktes 1. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Soweit sich die Beschwerde auch gegen die Abweisung des Antrags auf Gewährung eines Pflegegeldes (Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides) richtet, war sie wegen der insofern gemäß § 19 Abs. 3 Bgld. PGG bestehenden sukzessiven Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. Pkt. 2.1.des erwähnten hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2005/10/0024, mwN).

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II. Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-87550