VwGH vom 18.06.2013, 2013/18/0060
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des R B in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/284.928/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am einen Asylantrag stellte. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen. Seiner dagegen erhobenen Berufung gab der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom keine Folge. Die Behandlung der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde - der mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war - wurde mit Beschluss vom , Zl. 99/20/0615, abgelehnt.
Am stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Unmittelbar zuvor - am - hatte der Beschwerdeführer in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Die Ehe wurde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder geschieden.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
In der Begründung stellte die belangte Behörde - über den vorangestellten, unstrittigen Sachverhalt hinaus - fest, dass gegen den Beschwerdeführer bereits am wegen Mittellosigkeit ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Nach der Eheschließung habe er am die Aufhebung dieses Aufenthaltsverbots und die Erteilung eines von seiner Ehegattin abgeleiteten Aufenthaltstitels beantragt. Der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung sei im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz wegen Vorliegens einer Scheinehe abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0472, als unbegründet abgewiesen.
Auf Basis weiterer im angefochtenen Bescheid näher dargestellter Verfahrensergebnisse kam die belangte Behörde auch für das vorliegende Verfahren zum Schluss, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei, ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK mit seiner österreichischen Ehefrau nie geführt und sich in seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung dennoch ausdrücklich auf diese Ehe berufen habe. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass für das Vorliegen einer Scheinehe bereits der zeitliche Ablauf spreche. Der Beschwerdeführer sei im Februar 1999 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der noch im selben Jahr zweitinstanzlich abgewiesen worden sei. Ungeachtet dessen habe der Beschwerdeführer im Februar 2003 erneut einen Asylantrag gestellt, der wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Zuvor habe er noch am in Wien eine um 13 Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Nach den Erhebungen seien an der angeblich gemeinsamen ehelichen Wohnung nur (männliche) indische Staatsangehörige wahrgenommen worden. Die dennoch zum Beweis einer aufrechten Ehe- und Lebensgemeinschaft als Zeuginnen beantragten zwei Nachbarinnen hätten letztlich aber das Gegenteil davon ausgesagt. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau unterschiedliche Angaben zum Zeitpunkt des Kennenlernens gemacht hätten, habe seine Ehefrau bei ihren Einvernahmen zum Beschwerdeführer - ausgenommen sein Geburtsdatum - keine näheren Angaben machen können. Sie habe weder gewusst, seit wann er sich im Bundesgebiet befinde, noch dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit vorgelegen habe. Darüber hinaus habe sie bei ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme eingeräumt, dass der Beschwerdeführer "nicht wirklich" der deutschen Sprache mächtig sei und eigentlich einen Deutschkurs besuchen sollte. Es stelle sich daher nicht nur die Frage, wie sich das angebliche Ehepaar zunächst kennen gelernt habe, sondern vor allem auch, wie es während der Ehe miteinander kommuniziert habe.
Rechtlich erachtete die belangte Behörde vom festgestellten Sachverhalt ausgehend den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG für verwirklicht, was eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG darstelle. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe zur Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, den öffentlichen Interessen zuwider laufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens darstelle. Das im Eingehen einer Aufenthaltsehe liegende Verhalten, das mit der Täuschung staatlicher Organe über den wahren Ehewillen beginne und sich bis zum dadurch versuchten Erwirken staatlicher Berechtigungen und Befugnisse fortsetze, stelle zweifellos auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung, an der Einhaltung der hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften und an wahrheitsgetreuen Angaben gegenüber Staatsorganen berühre.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit Februar 1999 im Bundesgebiet, sei geschieden und für niemanden sorgepflichtig. Seine Familie lebe in Indien, während er in Österreich keine Familienangehörigen habe. Er sei zunächst selbstversichert und als Zeitungszusteller tätig gewesen und seit durchgehend beschäftigt. Bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG - so führte die belangte Behörde weiter aus - fielen daher der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie die hier bestehenden privaten und beruflichen Bindungen ins Gewicht. Angesichts dieser Umstände sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, eines geregelten Arbeitsmarkts und zur Verhinderung von Aufenthaltsehen dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße das dargelegte Gesamtverhalten des Beschwerdeführers gravierend. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers wiege keinesfalls schwer, gründe sich sein Aufenthalt doch auf sein Fehlverhalten. Auch die von ihm ausgeübten Beschäftigungen würden insofern eine Relativierung erfahren, als er diese nur infolge der eingegangenen Scheinehe habe aufnehmen können. Bei Abwägung dieser Interessenlagen gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen würden als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe. Besondere Gründe, die eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers zugelassen hätten, lägen nicht vor.
Abschließend begründete die belangte Behörde die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots - ausgehend von einer zulässigen Höchstdauer von zehn Jahren - näher damit, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums erwartet werden könne.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (April 2010) geltende Fassung, nämlich BGBl. I Nr. 135/2009.
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen hat und sich (unter anderem) für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt hat.
Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst das Vorliegen einer Scheinehe und wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung. Er bringt dazu vor, dass die Annahme der belangten Behörde "lediglich auf Vermutungen" beruhe und ihre beweiswürdigenden Argumente nicht geeignet seien, die Annahme einer Scheinehe zu begründen. Ebenso wenig würden sich die Feststellungen aus "allenfalls" unterschiedlichen Angaben über den Zeitpunkt des Kennenlernens oder den Wissensstand der Ehefrau des Beschwerdeführers über den seinerzeitigen Einreisezeitpunkt des Beschwerdeführers oder das über ihn wegen Mittellosigkeit verhängte Aufenthaltsverbot ableiten lassen. Vielmehr erscheine es lebensnah, dass der Beschwerdeführer seiner Ehefrau belastende Tatsachen nicht (im vollen Umfang) mitgeteilt habe. Daraus könne jedoch nicht auf einen mangelnden Ehewillen geschlossen werden.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer weder eine Unschlüssigkeit noch eine Mangelhaftigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Die belangte Behörde stützte ihre beweiswürdigenden Erwägungen zu Recht unter anderem auf die unterschiedlichen Darstellungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau zum Zeitpunkt des Kennenlernens und die Angaben der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeuginnen, die ein gemeinsames Familienleben zwischen den Eheleuten gerade nicht bestätigen konnten, sowie auf die Erhebungen in der Ehewohnung. Mit diesen Ermittlungsergebnissen setzt sich das Beschwerdevorbringen jedoch in keiner Weise auseinander. Die sich insgesamt als schlüssig darstellende Beweiswürdigung begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Dementsprechend durfte die belangte Behörde von der Verwirklichung des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ausgehen. Darauf gestützt wurde - entgegen den Beschwerdeausführungen - zu Recht die Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG bejaht.
Anders als die Beschwerde meint, hat die belangte Behörde die zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen getroffen und den angefochtenen Bescheid insoweit auch ausreichend begründet. Einen relevanten Verfahrensfehler bei der Ermittlung des zu Grunde gelegten Sachverhalts zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist ebenfalls nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer geltend gemachten - auch in der Beschwerde nicht näher ausgeführten - privaten Bindungen und Kontakte zu zahlreichen Freunden sowie seinen etwas über elfjährigen Aufenthalt in Österreich und seine beruflichen Bindungen im angefochtenen Bescheid ohnedies ausreichend berücksichtigt. Sie durfte ihrer Entscheidung in diesem Zusammenhang aber auch zu Grunde legen, dass sich der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zunächst auf zwei unberechtigte Asylanträge und anschließend auf die gegenständliche Scheinehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin gründete. Die aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Erwerbstätigkeit resultierenden Aspekte einer Integration wurden daher zu Recht als dadurch gemindert angesehen, dass sie ganz wesentlich auf die verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen waren. Es kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbots. An dieser Einschätzung kann auch die (ohnehin angenommene) soziale Integration, die der Beschwerdeführer mit von ihm in Aussicht gestellten Unterstützungserklärungen und Empfehlungsschreiben von Bekannten, Freunden und Arbeitskollegen nachweisen wollte, nichts ändern.
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Dauer des Aufenthaltsverbots wendet, zeigt er nicht auf, weshalb die belangte Behörde in ihrer Beurteilung zum Ergebnis hätte kommen müssen, ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes wäre bereits vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer zu erwarten gewesen.
In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
EAAAE-87541